#31 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?
Verfasst: Mi 15. Feb 2017, 00:10
Halman hat geschrieben:Unter "christlich" verstehen viele ordendlich sein, der Obrigkeit folgsam usw. Dabei ging es Paulus in Römer Kapitel 13 nie um einen Kadavergehorsam Kaiser Nero gegenüber und dies wussten sicher auch die Empfänger seines Briefes in der römischen Gemeinde. Ein Kadavergehorsam hätte wohl kaum die Christenverfolgung in Rom motiviert.
Christentum "verkrustete" im Laufe der europäischen und amerikanischen Geschichte zur Konzervativität (dabei begann doch das Christentum als eine Erneuerungsbegung), in dem man schließlich dem Establishment der Bonzen und damit dem Kapitalismus gehorchte. Diese Götzendienst ging so weit, dass man dem Kapitalismus sogar Menschenopfer darbrachte, was Karl Marx wiederum dazu motivierte, sein Manifest gegen diese verkrusteten Strukturen des Antihumanismus zu schreiben.
Doch wer dem Mammon dient, dient einem anderen Herrn als Gott. Wie Jesus in seiner Bergpredigt feststellte, kann man nicht zwei Herren dienen. Das Etikett "Christentum" verkam zum euphemistischen Schwindel. Unter dem christlichen Deckmantel ging es um Kapitalismus versus Marxismus.
Solch revolutionäre Worte hätte ich von Dir eher nicht erwartet Stimmt natürlich inhaltlich. Vor dieses Problem, der Umsetzung der schönen Theorie in die manchmal sehr schwierige Praxis, werden wir als Menschen aber immer gestellt. Das Scheitern ist also in gewissem Sinne unausweichlich, es gehört zur Menschwerdung und Bewusstseinsbildung. Da stellt sich theologisch die Frage: was ist eigentlich "die Kirche"? Meinem Begriff nach nicht nur eine Institution, sondern eine spirituelle Gemeinschaft, die weit über alle weltlichen Gebilde hinaus geht.
Beispielsweise heißt es bei orthodoxen Christen - und das ist eine typische Auffassung in der Alten Kirche gewesen - dass ein verstorbener Mensch "im Himmel wiedergeboren wurde". Die "Kirche" - die manchmal mit einer Arche verglichen wird, die uns durch die Stürme der Zeiten trägt - umfasst nicht nur jene Menschen, die heute auf Erden leben, sondern alle Menschen die seit dem Wirken Jesu und der Gemeinschaft der Apostel gelebt haben. Das ist einer der Gründe, weshalb für orthodoxe Christen die Ikonenverehrung so selbstverständlich ist (und da könnten wir Christen im Westen uns ein Beispiel nehmen): weil sie daran glauben, dass alle diese Menschen in das ewige Leben eingegangen sind und darum immer noch wirklich gegenwärtig sind. DAS - UND NUR DAS - ist für mich die Kirche, diese spirituelle - das heißt überzeitliche, ewige, transzendente - Gemeinschaft, welche die irdische und himmlische Wirklichkeit umfasst.