Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#11 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs » Sa 22. Jul 2017, 18:48

sven23 hat geschrieben:Das hat weniger mit Sprache zu tun, als mit den Folgen einer neoliberalen Politik, die einen Großteil der Bevölkerung ökonomisch abgehängt hat, (Stichwort: working poor), bei gleichzeitig enormem Vermögenszuwachs an der Spitze.
Das natürlich ebenso - selbstverständlich haben wir hier eine Multi-Kausalität.

sven23 hat geschrieben:Wie ich schon sagte, unterliegt auch die Sprache und damit die Bedeutung von Worten einem zeitbedingten Wandel. Inhalte und Bedeutungen von Worten werden immer wieder neu ausgehandelt und definiert. Ein historischer Prozess, der nie abgeschlossen ist.
Absolut richtig - nur: Es fällt auf, dass dieser Wandel auffällig oft bei Begriffen passiert, deren Bedeutung noch da ist. Dies führt zu Polysemen.

Ich finde es unnötig umständlich, wenn man jedesmal fragen muss: "Meinst Du Geist, Bewusstsein, Aufklärung, Ehe, etc.
a) in traditioneller oder
b) in Neusprech-
semantischer Bedeutung?" - Denn eines muss klar sein: Da die traditionellen Bedeutungen nichts an Gehalt verloren haben, werden sie im Sprachgebrauch bleiben.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#12 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von sven23 » Sa 22. Jul 2017, 19:34

closs hat geschrieben: Ich finde es unnötig umständlich, wenn man jedesmal fragen muss: "Meinst Du Geist, Bewusstsein, Aufklärung, Ehe, etc.
a) in traditioneller oder
b) in Neusprech-
semantischer Bedeutung?" - Denn eines muss klar sein: Da die traditionellen Bedeutungen nichts an Gehalt verloren haben, werden sie im Sprachgebrauch bleiben.
Trotzdem sollte man sich in einer Diskussion an die heute gültigen Definitionen halten, sonst redet man ständig aneinander vorbei. Oder man macht deutlich, wann und warum man von der allgemeinen Definition abweicht.
Bei literarischer Schlampigkeit sind sonst Mißverständnisse vorbestimmt. (siehe die Prosopopoiia bei Paulus)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#13 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Pluto » Sa 22. Jul 2017, 19:49

closs hat geschrieben:Es fällt auf, dass dieser Wandel auffällig oft bei Begriffen passiert, deren Bedeutung noch da ist. Dies führt zu Polysemen.

Ich finde es unnötig umständlich, wenn man jedesmal fragen muss: "Meinst Du Geist, Bewusstsein, Aufklärung, Ehe, etc.
a) in traditioneller oder
b) in Neusprech-
semantischer Bedeutung?" - Denn eines muss klar sein: Da die traditionellen Bedeutungen nichts an Gehalt verloren haben, werden sie im Sprachgebrauch bleiben.
Dass sich unsere Sprache weiter entwickelt, ist völlig normal. Worte wie "Geil" gab es in meiner Jugend ebensowenig wie die Silbe "Mega".

Aber...
Die Bedeutung von "Geist" und "Bewusstsein" haben sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert.
Was sich verändert hat, ist lediglich unser Wissensstand über diese Dinge. Wo man früher glaubte, Geist und Bewusstsein seien etwas unergründlich metaphysisches, haben wir gelernt, dass man diese Dinge durchaus mit Erfolg erforschen und verstehen kann.
Wir wissen heut mehr als vor zehn Jahren, und sehr viel mehr als vor 100 Jahren, und täglich kommt mehr Wissen dazu.

Das nennt sich Fortschritt und hat mit Orwells Weltbild einer regierenden Supermacht nichts zu tun. Glücklicherweise sind seine Vorstellungen nicht Realität geworden.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#14 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Halman » Sa 22. Jul 2017, 19:59

Pluto hat geschrieben:Das nennt sich Fortschritt und hat mit Orwells Weltbild einer regierenden Supermacht nichts zu tun. Glücklicherweise sind seine Vorstellungen nicht Realität geworden.
Nun, man arbeitet offenbar daran. Kurt problematisiert eine sprachliche Entwicklung, welche am Thema meiner Meinung nach vorbeiführt.

Mein Tipp: Weiter schlafen, nicht aufwachen und weiter in der Illusions-Wohlfühl-Blase leben. Zwar mache ich es nicht so, aber davon habe ich nur sorgenvolle Gedanken und ein Ohnmachtsgefühl vom Ausgeliefertsein.

Wartet mal den 01.10.2017 ab. Dann sind wir Orwells 1984 einen Riesensprung näher und kaum einen interessierts. Der deutsche Michel ist als Massenphänomen ein Idiot.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#15 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs » Sa 22. Jul 2017, 20:30

sven23 hat geschrieben:Trotzdem sollte man sich in einer Diskussion an die heute gültigen Definitionen halten, sonst redet man ständig aneinander vorbei.
Das wäre ein Zugeständnis an das das Neusprech: "Bei Neusprech ... handelt es sich um eine staatlich standardisierte, regulierte und kontrollierte Sprachform, deren Substrat die ursprünglich gesprochene Sprache ist, das Altsprech. Dabei werden grammatische Regeln eingeschränkt und das Vokabular insgesamt verkleinert, vereinfacht und begrenzt. Die einzelnen Worte werden in ihrer Form, Zusammensetzung und Bedeutung festgelegt" (wik).

Konkret: Man kann gar nicht mehr über wichtige Fragen der Philosophie und der menschlichen Existenz sprechen, weil der menschliche Geist durch Neusprech-Einschränkungen gleichgeschaltet werden soll. - Das kannst Du nicht von wahrlich aufklärungs-orientierten Menschen erwarten.

Pluto hat geschrieben:Die Bedeutung von "Geist" und "Bewusstsein" haben sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert.
Auf ein Datum kann ich mich nicht festlegen - feststeht, dass schleichend über ca. 200 Jahre eine Umdeutung ergeben hat, deren Ergebnis heute als "state of the art" verstanden wird, obwohl die alte Bedeutung substantiell überhaupt nichts von ihrer Relevanz verloren hat.

Wir sprechen hier NICHT von einer Entwicklung (= die nächste Stufe nimmt die vorhergehende Stufe mit), sondern von einem Ausscheren in ein ganz anderes Verständnis-Feld - natürlich weltanschaulich bedingt (das hat nichts mit Wissenschaft zu tun).

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#16 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Pluto » Sa 22. Jul 2017, 20:42

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Bedeutung von "Geist" und "Bewusstsein" haben sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert.
Auf ein Datum kann ich mich nicht festlegen - feststeht, dass schleichend über ca. 200 Jahre eine Umdeutung ergeben hat, deren Ergebnis heute als "state of the art" verstanden wird, obwohl die alte Bedeutung substantiell überhaupt nichts von ihrer Relevanz verloren hat.
Nochmals: Es geht überhaupt nicht um Veränderung des Begriffs, sondern um Verständnis von Geist und Bewusstsein.

closs hat geschrieben:Wir sprechen hier NICHT von einer Entwicklung (= die nächste Stufe nimmt die vorhergehende Stufe mit), sondern von einem Ausscheren in ein ganz anderes Verständnis-Feld - natürlich weltanschaulich bedingt (das hat nichts mit Wissenschaft zu tun).
Meinst du wiklich, das hätte nichts mit Wissenschaft zu tun?
Die Aufgabe der Wissenschaft, ist es zu forschen. Worüber sie forscht, lässt sie sich nicht vorschreiben.

Seit sich heraus gestellt hat, dass Geist und Bewusstsein erforschbar sind, hat sich unser Wissen darüber enorm vergrößert. Dies kommt nicht nur der theoretischen Wissenschaft zu Gute, sondern hat unzähligen geisteskranke Menschen, die zuvor als unheilbar galten, durch gezielte medikamentösen Behandlung Linderung und Hilfe gebracht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#17 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von closs » Sa 22. Jul 2017, 23:12

Pluto hat geschrieben:Es geht überhaupt nicht um Veränderung des Begriffs, sondern um Verständnis von Geist und Bewusstsein.
Da stimmt was nicht. - Denn das wissenschaftliche Verständnis bezieht sich nicht auf das, was man traditionell-christlich unter "Geist" und "Bewusstsein" versteht.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Man definiert das, was man wissenschaftlich erfassen kann, als Geist und Bewusstsein - ohne Rücksicht darauf, dass es nicht dasselbe ist, wie es traditionell-christlich gemeint ist.

Pluto hat geschrieben:Die Aufgabe der Wissenschaft, ist es zu forschen. Worüber sie forscht, lässt sie sich nicht vorschreiben.
Solange sie dabei diszipliniert vorgeht, hat da keiner was dagegen.

Pluto hat geschrieben:Seit sich heraus gestellt hat, dass Geist und Bewusstsein erforschbar sind, hat sich unser Wissen darüber enorm vergrößert.
Das ist aber eine ganz andere Ebene. - Was Du wahrscheinlich meinst, ist: Was unter biologischen Gesichtspunkten an Phänomenen in puncto Geist und Bewusstsein erforschbar ist, hat zu viel Wissen geführt - da würde Dir niemand widersprechen. - Aber das ist etwas ganz anderes.

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#18 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Halman » So 23. Jul 2017, 00:48

:wave: prima, genau so habe ich es mir vorgestellt: einfach ignorieren.




Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 30. Juni 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz: „NetzDG“. ✓ http://www.kla.tv/10849 Darin werden Online-Plattformen wie Facebook, Google, Twitter & Co. unter Bußgeldandrohung verpflichtet, rechtswidrige Kommentare innerhalb extrem kurzer und starrer Fristen zu löschen. Werden hier unter dem Vorwand von "Hate Speech" und "FakeNews" legitime, jedoch unerwünschte Meinungsäußerungen unterbunden?

WICHTIGER HINWEIS: Solange wir nicht gemäss der Interessen und Ideologien des Westens berichten, müssen wir jederzeit damit rechnen, dass YouTube weitere Vorwände sucht um uns zu sperren. Vernetzen Sie sich darum heute noch internetunabhängig! http://www.kla.tv/vernetzung

Sie wollen informiert bleiben, auch wenn der YouTube-Kanal von klagemauer.tv aufgrund weiterer Sperrmassnahmen nicht mehr existiert? Dann verpassen Sie keine Neuigkeiten: http://www.kla.tv/news

Und um Euch richtig zu triggern, hier etwas "Reaktionäres", so lange es noch verfügbar ist.

Aber hey, Hauptsache Schwule dürfen jetzt heiraten. Der Rest ist egal. :wave:
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#19 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von sven23 » So 23. Jul 2017, 07:36

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Trotzdem sollte man sich in einer Diskussion an die heute gültigen Definitionen halten, sonst redet man ständig aneinander vorbei.
Das wäre ein Zugeständnis an das das Neusprech: "Bei Neusprech ... handelt es sich um eine staatlich standardisierte, regulierte und kontrollierte Sprachform, deren Substrat die ursprünglich gesprochene Sprache ist, das Altsprech. Dabei werden grammatische Regeln eingeschränkt und das Vokabular insgesamt verkleinert, vereinfacht und begrenzt. Die einzelnen Worte werden in ihrer Form, Zusammensetzung und Bedeutung festgelegt" (wik).
In einer Diskussion geht es auch darum, von anderen verstanden zu werden. Will man von einer allgemein gültigen Definition abweichen, sollte man dies deutlich ansprechen, sonst gibt es ein Verständniskauderwelsch wie bei Paulus.

closs hat geschrieben: Konkret: Man kann gar nicht mehr über wichtige Fragen der Philosophie und der menschlichen Existenz sprechen, weil der menschliche Geist durch Neusprech-Einschränkungen gleichgeschaltet werden soll. - Das kannst Du nicht von wahrlich aufklärungs-orientierten Menschen erwarten.
Das ist Unsinn, wie philosophische Diskussionen nach wie vor beweisen.
Heute haben wir den glücklichen Umstand, dass sich Philosphie nicht mehr allein auf Gottes- und Glaubensfragen einschränken läßt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#20 Re: Wie aktuell ist heute George Orwells "1984"?

Beitrag von Novas » So 23. Jul 2017, 07:46

Halman hat geschrieben:Nun, man arbeitet offenbar daran. Kurt problematisiert eine sprachliche Entwicklung, welche am Thema meiner Meinung nach vorbeiführt. Mein Tipp: Weiter schlafen, nicht aufwachen und weiter in der Illusions-Wohlfühl-Blase leben. Zwar mache ich es nicht so, aber davon habe ich nur sorgenvolle Gedanken und ein Ohnmachtsgefühl vom Ausgeliefertsein

Erfülle deine kleine Aufgabe und überlasse das große Business Gott, dann verschwinden die sorgenvollen Gedanken von alleine. Er ist der große Zug, der alle Lasten trägt. Der gläubige Mensch weiß: welche Last man auch immer auf Gott wirft, Er trägt sie. Und was auch immer die Zukunft bringt: er wird da sein :thumbup: insofern bin ich relativ furchtlos.

Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der uiothesia [Sohnschaft] habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Römer 8-12-17

Wartet mal den 01.10.2017 ab. Dann sind wir Orwells 1984 einen Riesensprung näher und kaum einen interessierts.

Nicht nur nahe, denn eine globale Überwachung gibt es bereits faktisch. Dazu empfehle ich Dir dieses Buch von Glenn Greenwald. Wobei das keine Neuigkeit ist, denn schon Präsident Eisenhower warnte im Jahr 1961 (in seiner Abschiedsrede) vor dem sogenannten Militärisch-industriellen Komplex. Damit hat er eine sehr scharfsinnige Warnung ausgesprochen.


Ein weiterer ehrbarer Mann ist zweifellos Ron Paul, der die desaströse Situation wirklich gut auf den Punkt gebracht hat: der militärisch-industrielle Komplex braucht immer einen neuen Feind (denn schließlich braucht er eine Daseinsberechtigung, um sein Budget von rund 600 Milliarden Dollar zu rechtfertigen, hinzu kommen noch Blackbudget-Projekte, von deren Umfang und genauen Inhalten die Öffentlichkeit wenig bis gar nichts weiß)



„Mit der Propaganda schafft man einen neuen Feind. Diesen braucht der militärisch industrielle Komplex, damit es weiter gehen kann“, sagte der ehemalige Kongressabgeordnete Ron Paul, während einer Rede auf der siebten jährlichen nationalen Tagung des YAL (Junge Amerikaner für Freiheit) in Washington, DC (2015)

Antworten