Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

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sven23
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#31 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von sven23 » Mi 7. Aug 2013, 09:44

closs hat geschrieben:Nein - das ist schon biblisch gedacht, ist aber für den modernen Menschen nicht erträglich - und auch Christen stecken in einer 500jährigen Aufklärungs-Tradition und hadern deshalb damit.


Wenn man sich an die Bibel anlehnt, ist es gar nicht so abwegig, Naturkatastrophen als Strafe Gottes zu verstehen. Denn Gott selbst hat sich immer wieder als strafender Gott gezeigt, wie Sinflut und Sodom und Gomorrha belegen. Hier bediente er sich der zerstörerischen Kraft von Naturkatastrophen, um das von seiner Norm abweichende Verhalten zu bestrafen.
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closs
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#32 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 10:09

sven23 hat geschrieben:Wenn man sich an die Bibel anlehnt, ist es gar nicht so abwegig, Naturkatastrophen als Strafe Gottes zu verstehen.
Ja - aber es ist auch von der an sich gefallenen Natur die Rede. - Wie auch immer: auch in Deinem Sinne ist es ein Unterschied, ob jemand persönlich für etwas bestraft wird (Sven ärgert Closs - also kriegt Sven die Maul- und Klauen-Seuche), oder ob es pauschale Strafen gibt.

Denn selbst die Vernichtung der Amalekiten trifft ja auf den Einzelnen bezogen vollkommen unschuldige Menschen. - Insofern kann man auch die Tsunamis der letzten Jahre als Strafe Gottes verstehen. Das Problem ist allerdings dabei, dass man unwillkürlich denkt, dass Strafe einen Bezug hat zum Bestraften, dass also der Bestrafte daran schuldig sein müsste, wofür er bestraft wird. - Genau das ist aber in der Regel NICHT der Fall.

Vielmehr ist "Strafe" eine heilsgeschichtliche Größe - insofern, dass in ihr und an den Bestraften ein Exempel statuiert wird - egal ob die Betroffenen unmittelbar "schuldig" (im Sinne unseres Verständnisses) sind.

barbara
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#33 Re: Ist das Wetter zufällig oder von Gott gemacht?

Beitrag von barbara » Mi 7. Aug 2013, 10:13

sven23 hat geschrieben:Einverstanden, aber dann sollte man auch nicht versuchen, Überlebende von Katastrophen als von Gott errettet zu verkaufen.

Stimmt, das würde ich auch nicht tun. Ode rhöchstens im Sinn als "Glück gehabt", aber sicher nicht im Sinne eines besonderen Verdientes, eines Lohns für besondere Tugend.

Was eine Rolle spielen kann ist meiner Erfahrung nach die Entscheidung des Betroffenen selbst, der an der Grenze von Leben zu Tod steht, auf welche Seite er gehen will - ein Moment des labilen Gleichgewichts, wo die Entscheidung sowohl nach rechts wie nach links gehen kann. Was aber so oder so weder Strafe noch Belohnung ist. Eher wie die Situation an einem Fest, wo man sich fragt, soll ich noch eine Weile bleiben oder soll ich jetzt nach Hause gehen? Es ist nichts grundsätzlich besser oder schlechter als das andere.

grüsse, barbara

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sven23
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#34 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von sven23 » Mi 7. Aug 2013, 10:17

closs hat geschrieben: (Sven ärgert Closs - also kriegt Sven die Maul- und Klauen-Seuche), oder ob es pauschale Strafen gibt.

Eine sehr subtile Art mir zu sagen, daß ich ein Rindvieh bin. :lol:



closs hat geschrieben: Vielmehr ist "Strafe" eine heilsgeschichtliche Größe - insofern, dass in ihr und an den Bestraften ein Exempel statuiert wird - egal ob die Betroffenen unmittelbar "schuldig" (im Sinne unseres Verständnisses) sind.

Das widerspricht allerdings völlig dem Bild eines gütigen und gerechten Gottes, der, um ein Exempel zu statuieren, Unschuldige bestraft. Es widerspricht nicht dem Gott der Bibel, da gebe ich dir Recht und gerade das macht sie so problematisch.
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closs
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#35 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 14:14

sven23 hat geschrieben:Eine sehr subtile Art mir zu sagen, daß ich ein Rindvieh bin.
:oops: :blumenstrauss:
sven23 hat geschrieben:Das widerspricht allerdings völlig dem Bild eines gütigen und gerechten Gottes
Und jetzt schließt sich der Kreis: Was "gerecht" ist, darf man nicht im Sinne des 21. Jh. verstehen. - In meiner urtextnahen Übersetzung steht im Umfeld dessen, was meistens mit "gerecht" übersetzt wird, "bewahrheitet" - das heißt:

Jeder Mensch wird vor Gott "bewahrheitet", also zur Wahrheit geführt. Bei manchem muss er mehr, bei manchem muss Gott weniger aus-"richten". - Je mehr ausgerichtet werden muss, mit mehr Leid ist zu rechnen. All das hat NICHTS mit dem zu tun, was der Mensch im heutigen Wortsinn unter "gerecht" versteht.

Insofern ist Gott "gerecht" - aber nicht in unserem Sinne. Allerdings tut die Exegese alles dazu, Dich in Deinem Kritikpunkt zu bestärken. - Warum tut sie das? Antwort: Weil sie dem Menschen eine operativ im Dasein funktionierende Variante anbieten will. Und solange es keine Agnostiker, sondern nur Christen gibt, funktioniert das auch. Denn dann schließen Menschen wirklich daraus, dass sie ereilende Schicksalsschläge ("Fluch") oder sie ereilender Segen ("Auserwählung") etwas mit eigenem Fehlverhalten (oder der eigenen Ahnen - Pech gehabt) oder mit funktionierenden Gebeten zu tun haben. - Aus meiner Sicht purer Aberglaube.

Vor einiger Zeit war eine mir bekannte Pastorin voll verzweifelt, weil das Geschäft ihres Sohnes trotz alle Gebete bankrott ging - was man da falsch gemacht habe, ob man noch mehr hätte beten müssen. - Ich habe da ziemlich emotional erst mal mein "Weiche" rausgelassen und dann versucht zu erklären, dass Gebete keine Wunschkonzerte sind und der Mensch nicht bekommt, was er will, sehr wohl aber, was er braucht. - Da war erst mal Ruhe im Karton.

Unsere Denkweise - auch innerhalb von Glaubensgemeinschaften - ist aus meiner Sicht vollkommen ent-geistet, vermenschlicht, entgöttlicht. - Man versteht das nicht mehr.

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sven23
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#36 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von sven23 » Mi 7. Aug 2013, 14:35

closs hat geschrieben:
Insofern ist Gott "gerecht" - aber nicht in unserem Sinne.

Also wäre Gott im heutigen Sinn ungerecht.
Jedes Kind hat schon in sich ein Gefühl für das, was gerecht oder ungerecht ist im Sinne von gerechtfertigt. Ein nicht gerechtfertigte Bestrafung wird es als sehr verstörend empfinden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß das früher anders war. Gerecht hat immer was mit Gerechtigkeit zu tun und eine ungerechte Strafe weckt zu recht unsere Empörung und Widerstand.
Daß einem allwissenden Gott so ein Lapsus unterlaufen soll, kann ich mir nicht vorstellen. Er muß unterscheiden können zwischen schuldig und unschuldig, das ist das mindeste was man von einem Gott verlangen kann.
Die Sintflut Anhänger begründen die Bestrafungsaktion immer damit, daß keiner, auch nicht Kinder und Tiere, unschuldig waren. Eine mir völlig fremde Vorstellungswelt.
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#37 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 14:40

sven23 hat geschrieben:Also wäre Gott im heutigen Sinn ungerecht.
Klares ja - im "aufgeklärten" Sinne der säkularen Gesellschaft des 21. Jh. eindeutig ja.

sven23 hat geschrieben: Ein nicht gerechtfertigte Bestrafung wird es als sehr verstörend empfinden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß das früher anders war.
Stimmt auch. - Aber ein Kind, das einen Unfall hat, misst es gar nicht erst an Begriffen wie gerecht oder ungerecht. - Für ein Kind ist es ein Unglück - und es freut sich, wenn es im Krankenhaus besucht wird.

Insofern ist Dein Beispiel mit den Kindern gar nicht so schlecht - die sind näher dran.

sven23 hat geschrieben:Die Sintflut Anhänger begründen die Bestrafungsaktion immer damit, daß keiner, auch nicht Kinder und Tiere, unschuldig waren. Eine mir völlig fremde Vorstellungswelt..
Auch für mich vollkommen fremd. - Da passiert folgendes:

Die Sintflut-Anhänger wollen a)vermeiden, dass Gott ungerecht ist, und messen b) den Gerechtigkeitsbegriff im aufgeklärten Sinne des 21.Jh. - also muss jemand "schuldig" sein. - Da kann nur Scheiß rauskommen.

Funktionieren kann diese Sintflut-Variante nur dann, wenn man a)unter Göttlicher Gerechtigkeit "Bewahrheitung" im oben genannten Sinn versteht, und man b) "Schuld/Sünde" als OBJEKTIVE Größe versteht (also unabhängig von subjektiver Verfehlung). - Nachdem aber die gängige Exegese die eierlegende Wollmilchsau bevorzugt, kommen solche Kalauer raus. - Absolut entmutigend.

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#38 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von Pluto » Mi 7. Aug 2013, 15:31

closs hat geschrieben:Absolut entmutigend.
Besonders entmutigend ist, dass es keinerlei Belege für eine weltweite Sintflut gibt. ;)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Magdalena61
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#39 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von Magdalena61 » Mi 7. Aug 2013, 17:00

closs hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben:Warum sollte Gott in diesen Fällen eingreifen?
Mich stört bei Deinem Ansatz der Eindruck, dass Gottes Eingreifen korrelieren würde mit dem Verhalten des/der Betroffenen. - Das ist mir zu menschlich gedacht.
Gott hat dem Menschen die Schöpfung "zum Gebrauch" überlassen. Er hat Adam Co. mit Ratschlägen, mit Ge- und Verboten versehen. Aber der Mensch hat die Freiheit, ziemlich kreativ zu sein und sich über Einschränkungen und Warnungen hinweg zu setzen, und von dieser macht er reichlichen Gebrauch.

Doch, es gibt durchaus einen Tun-Ergehens- Zusammenhang, das kann man nicht leugnen:
5. Mose 11, 26-28 (Luther): Siehe, ich lege euch heute vor den Segen und den Fluch:
den Segen, wenn ihr gehorcht den Geboten des HERRN, eures Gottes, die ich euch heute gebiete;
den Fluch aber, wenn ihr nicht gehorchen werdet den Geboten des HERRN, eures Gottes, und abweicht von dem Wege, den ich euch heute gebiete, dass ihr andern Göttern nachwandelt, die ihr nicht kennt.
Und das steht immer noch da.

Die Kinder sind nicht verantwortlich für die Fehleinschätzungen der Techniker, die diese Wasserpumpen geplant und eingebaut hatten, und der Autofahrer, dem jemand die Vorfahrt nimmt, ist auch nicht verantwortlich für den Übermut oder für das Versagen des Unfallverursachers. Auch die Arbeiterinnen in Bangladesch trugen keine Schuld am Einsturz des Gebäudes, wobei mehr als 500 Menschen ums Leben kamen.

Man sollte 5 Mose 11, glaube ich, etwas globaler sehen: Falsche Entscheidungen ziehen "Fluch" nach sich... "Unglück", Katastrophen, Leid, Tod.... wie auch immer man das nennen will. Derjenige, der verunglückt, muß nicht selbst "gesündigt" haben. Vielleicht ist er das Opfer der Sünde oder des Versagens anderer.

Im AT heißt es öfter: "Ich (Gott) werde dies und das tun"... -aber es sind eigentlich Beschreibungen von Ursache und Wirkung oder sonstigen Ereignissen, die man auch anderen Ursachen zuschreiben könnte.
Diese Denkart hat mit der etwas fatalistisch anmutenden Betrachtungsweise zu tun, die das "Böse" als "ein Werkzeug des Zornes Gottes" begreift:
Hiob 2,10 (Luther): Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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#40 Re: Wer trägt die Verantwortung für Katastrophen?

Beitrag von closs » Mi 7. Aug 2013, 19:59

Magdalena61 hat geschrieben:Man sollte 5 Mose 11, glaube ich, etwas globaler sehen: Falsche Entscheidungen ziehen "Fluch" nach sich... "Unglück", Katastrophen, Leid, Tod.... wie auch immer man das nennen will.
Wenn man das in einem "Ursache-Folge-Kontext" sieht, ja. - Das heißt dann: Nicht der amalekitische Soldat oder dessen Frau oder deren Kinder sind daran schuld, dass sie getötet werden, sondern der Umstand, dass König Agag gegen den Gott der Israeliten kämpft - ok.

Ich würde es insgesamt noch etwas grundsätzlicher sehen: Das, was Gott mit Segen oder Fluch bezeichnet, heißt ja nichts anderes als "Insider" oder "Anathem". Und ich persönlich sehr überzeugt, dass 5.Mose 11, 26-28 keine realistische Alternative im Dasein ist, sondern eine Verheißung - sprich: Gott weiß in dem Moment, in dem er das sagt, dass das nichts werden kann, legt es aber vor als grundsätzlichen Scheideweg, der zum Guten gegangen sein wird, wenn der Mensch erkennt, wie er immer erkannt war - also nach dem Dasein. - Nur kann Gott in 5.Mose nicht mit "Jenseits" kommen, wo doch dieses im Bewusstsein der Menschen gar nicht präsent ist (sondern der Scheol).

Hiob 2,10 ist gut!!

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