Pluto hat geschrieben:Wenn du was rausfindest, sag doch Bescheid.
Wie befürchtet ist das Thema Kausalität/Kausalitätsprinzip philosophisch komplex, und wie befürchtet gibt es unterschiedliche moderne Haltungen dazu, ob es sich um ein echtes Prinzip mit Allgemeingültigkeitsanspruch handelt oder nur um ein Prinzip, das anzuwenden auf makrophysikalischer Ebene zwar dienlich ist, aber keineswegs Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen kann. Lehnt man die Allgemeingültigkeit eines echten Kausalitätsprinzips ab, wird es allerdings schwierig, gleichzeitig ein deterministisches Weltbild zu vertreten. Welche Haltung man einimmt, hängt wesentlich davon ab, was man unter den Begriffen "Kausalität", "Ursache" und "Wirkung" eigentlich genau verstehen will. Diese Begriffe sind nämlich dummerweise keineswegs völlig geklärt.
Ich habe nur ein bisschen herumgeblättert (der Wiki-Artikel zu "Kausalität/Kausalitätsprinzip" ist miserabel, der Artikel im
Historischen Wörterbuch der Philosophie ist weitaus besser) und mir ein paar eigene Gedanken gemacht. Herausgekommen ist dabei folgendes:
1) Du hast recht! Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung sind keine Ursachen für Ereignisse in der Raumzeit.
(Es gibt aber Wissenschaftstheoretiker, die die Haltung vertreten,
das statistische Mittel (der Wahrscheinlichkeit z.B. des Zerfalls radioaktiven Materials) beschreibe
eine reale Eigenschaft der physikalischen Wirklichkeit, die als Ursache des spontanen Zerfalls angesehen werden kann. Ich halte davon nicht viel.)
Beispiel: Angenommen ich halte ein Glas in der Hand und lasse es fallen. Es fällt auf den Steinboden und zerspringt (= Wirkung). Was ist die Ursache für diese Wirkung? Ist es etwa das Gesetz der Gravitation, welches Objekte zum Gravitationszentrum hin bewegt? Ist die Ursache der Wirkung also das Gravitationsgesetz, welches das Glas ursprünglich nach unten fallen lässt?
Nein. Die Ursache der Wirkung ist, dass ich das Glas loslasse.
Das Gravitationsgesetz, die klassische Mechanik und die physikalische Beschaffenheit von Glas und Boden erklären lediglich,
warum die Wirkung so ausfällt wie sie ausfällt.
Statistik und Wahrscheinlichkeit für Ereignisse im subatomaren Bereich erklären also nur, warum das Ereignis z.B. radioaktiven Zerfalls nicht vorhersehbar eintritt, sind aber nicht dessen Ursache.
2) Eine
echte Kausalität und ein
echtes Kausalitätsprinzip liegen nur dann vor, wenn Kausalität eine Eigenschaft der physikalischen Wirklichkeit selbst ist.
Wir sprechen von "
phänomenaler Kausalität", insofern der Mensch die Erfahrung macht, dass ein Ereignis einen Einfluß auf ein anderes Ereignis ausübt. Auf makrophysikalischer Ebene ist diese phänomenale Kausalität unproblematisch und es ist sinnvoll von einem Kausalitätsprinzip auf makrophysikalischer Ebene auszugehen. David Hume bestritt die Möglichkeit, dass es phänomenale Kausalität geben könne, und zwar deshalb, weil phänomenale Gegebenheiten keinerlei Eigenschaften haben können außer denjenigen ihrer Einzelbestandteile. Das Kausalitätsprinzip ist nach Hume lediglich eine
erlernte psychologische Disposition. Kant gab Hume in seiner Kritik recht, bestand aber darauf, dass wir Kausalität in der Welt der Erscheinungen zweifelsohne wahrnehmen können. Zur Lösung des Problems verlegte er die Kausalität als ein Erkenntnisprinzip in das erkennende Subjekt. Kausalität ist - nach Kant - eine der Verstandeskategorien, nach denen der Mensch die Welt der Phänomene erkennt. Sie ist ein
ordnendes Prinzip des Subjekts, ohne das er die Erscheinungswelt nicht erkennen kann. Der Physiker und Philosoph Ulrich Nortmann (bei dem ich in der schönen Stadt Bonn zwei Semester lang Logik studiert habe) kommt in seinem Buch "Unscharfe Welt?" zu dem Ergebnis, dass Kant sich irren muss. Ich bin da noch nicht so sicher
.
3) Gibt es "geistige" Verursachung? (Eine hochinteressante Frage.)
Beispiel: Nehmen wir an, ich spiele im Billiard eine weiße Kugel, um die letzte schwarze Kugel einzulochen. Ich übe den Stoß aus und die schwarze Kugel fällt in das vorbestimmte Loch des Tisches. Die weiße Kugel bleibt vor dem Loch liegen (= Wirkung). Die Ursache dieser Wirkung ist, dass ich mit dem Queue kinetische Energie auf die weiße Kugel übertrage. Die läuft eine Strecke über den Tisch und überträgt ihre kinetische Energie auf die schwarze Kugel, die ins Loch fällt.
Physikalisch ist die
Ursache klar: sie ist mein Stoß mit dem Queue.
An der Ursache sind aber auch mentale Prozesse beteiligt.
So überlege ich mir, dass ich der weißen Kugel einen Effet geben muss, indem ich sie unterhalb der Achse anspiele, damit sie ein Rückläufer wird, der bezweckt, dass die weiße Kugel nicht mit der schwarzen eingelocht wird. Die weiße Kugel soll vor dem Loch stehen bleiben und nicht nachlaufen.
Zu der physikalischen Ursache gehört ursprünglich also auch ein mentaler Prozess. Ohne meinen Entschluss überhaupt Billiard zu spielen und die weiße Kugel so zu spielen, wie ich sie spiele, wäre es zu der realen Wirkung überhaupt nicht gekommen.
Es ist unerheblich, ob man diesen mentalen Prozess nun materialistisch oder neurodeterministisch oder hormonell oder psychologisch
erklärt. Fest steht, dass ein mentaler Prozess (closs würde ihn "geistig" nennen) beteiligt ist. Mentale oder geistige Prozesse können Ursachen von Ereignissen in der Raumzeit sein.
Soviel bis dahin. Es lässt sich noch weitaus mehr schreiben ...