Was ist Verschränkung?

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Pluto
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#121 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Pluto » Mi 11. Jun 2014, 22:09

Halman hat geschrieben:Welcher Einzelzustand beim Kollaps der Wellenfunktion gemessen wird, ist aber objektiv unbestimmt.
Natürlich.
Halman hat geschrieben:Somit ist das Messergebnis nicht determiniert.
In gewisser Hinsicht, ist der Zerfall nur sehr eingeschränkt indeterminiert. Kausal könnte es dennoch sein.
Hat die Wellenfunktion eines Teilchens nicht immer genau zwei Lösungen? (Ich frage, weil ich die Antwort darauf selber nicht weiß.)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Halman
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#122 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Halman » Mi 11. Jun 2014, 22:32

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Somit ist das Messergebnis nicht determiniert.
In gewisser Hinsicht, ist der Zerfall nur sehr eingeschränkt indeterminiert. Kausal könnte es dennoch sein.
Hat die Wellenfunktion eines Teilchens nicht immer genau zwei Lösungen? (Ich frage, weil ich die Antwort darauf selber nicht weiß.)
Janina kann hierauf sicher viel besser antworten und ich hoffe, dass sie meine "Frechheiten" ;) nicht als Respektlosikeit missversteht. Falls dem so ist, kann ich ihr versichern, dass das Gegenteil der Fall ist.

Soweit ich meinem Buch entnehmen kann, gibt es sogar unendlich viele Lösungen:
Zitat von Silvia Arroyo Camejo (Skurrile Quantenwelt - Seiten 113/114):
Nach jener physikalischen Deutung kommt der beim Doppelspaltexperiment auftretende Kollaps der Wellenfunktion durch den Messprozess zustande. Durch die Wechselwirkung von Quantenobjekt (z. B. einem Elektron) mit dem makrokosmischen Objekt (z. B. dem Projektionsschirm) geht folglich die Überlagerung/Superposition der verschiedenen Zustände des Quantenobjektes (in diesem Beispiel) der Aufenthalt des Elektrons an den unendlich vielen Orten der Elektronen-Welle) verloren. Die Wechselwirkung des Quantenobjekts mit dem makrokosmischen Objekt bringt die Welle zum Einstürzen. Der Kollaps der Wellenfunktion ist also ein Resultat des Messprosses.

Vor der Messung befindet sich ein Quantenobjekt in einem superponierten Gesamtzustand, einem Zustand überlagernder Zustände Bild. All diese Zustände werden durch die Wellenfunktion Bild erfasst, dem Gesamtzustand der Superposition.
Daher ist beim Doppelspaltexperiment der genaue finale Detektionsort objektiv unbestimmt (objektiver Zufall). Genaueres hierzu kannst Du auf Seite 92 in Skurrile Quantenwelt nachlesen.
Der Interdeterminsmus in der Quantenmechanik ist m. E. fundamental und gilt auch für die Unbestimmtheit der zeitabhängigen Zustandsänderung einzelner Quantenobjekte. Es liegt nach meinem bescheidenen Verständnis interdeterminierte Kausalität vor (die Kausalität ist durch den quantenmechanischen Zeitpfeil definiert).
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#123 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Pluto » Do 12. Jun 2014, 01:00

Halman hat geschrieben:Der Interdeterminsmus in der Quantenmechanik ist m. E. fundamental und gilt auch für die Unbestimmtheit der zeitabhängigen Zustandsänderung einzelner Quantenobjekte. Es liegt nach meinem bescheidenen Verständnis interdeterminierte Kausalität vor (die Kausalität ist durch den quantenmechanischen Zeitpfeil definiert).
Ist mir ehrlich gesagt zu hoch. Was sagt dein [d]Orakel[/d] Agent Scullie dazu?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#124 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von ThomasM » Do 12. Jun 2014, 09:17

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Hat die Wellenfunktion eines Teilchens nicht immer genau zwei Lösungen? (Ich frage, weil ich die Antwort darauf selber nicht weiß.)
Ich denke, hier ist ein wenig Präzisierung der Begriffe notwendig.

Die Wellenfunktion ist zunächst eine Lösung und zwar die Lösung für ein formuliertes Problem, ausgedrückt durch die Schrödingergleichung. Dabei gibt es nicht die Schrödingergleichung, sondern jede Gleichung dieser Art wird formuliert für das Problem, das wir lösen wollen.

Beispiel:
Betrachten wir ein einzelnes Elektron und seine Spinzustände in einem Magnetfeld, so wird der Hamilton Operator genau diese Bestandteile haben, ein Bestandteil für das Magnetfeld, eines für die Spins und die Wechselwirkung.
Betrachten wir zwei Elementarteilchen, z.B. die Kollision eines Elektrons mit einem Proton, dann wird die Schrödingergleichung genau diese Bestandteile haben und auch die Wechselwirkung zwischen beiden ausdrücken. Es kann gut sein, dass wir in diesem Fall in erster Näherung den Spin nicht berücksichtigen. Dieser würde also in der Gleichung nicht auftauchen.
Usw. usw.

Haben wir endlich eine Gleichung, dann kann man diese lösen und erhält eine Wellenfunktion. Aber damit ist man noch lange nicht fertig.

Jetzt muss man sich fragen: Was wollen wir messen? Davon hängt es nämlich ab, was ich mit der Wellenfunktion mache.
Will ich den Spin messe, dann berechne ich den Anteil der Wellenfunktion an den jeweiligen möglichen Spinzuständen. Beim Elektron gibt es davon zwei. Ich habe also zwei Möglichkeiten. Das Quadrat des Anteils der Wellenfunktion für jede der beiden Möglichkeiten ergibt die Wahrscheinlichkeit, mit der das System den jeweiligen Zustand einnimmt.
Will ich den Impuls (die Geschwindigkeit) messen, dann habe ich unendlich viele Möglichkeiten und statt zweier Anteile bekomme ich eine Funktion, die den Anteil der Wellenfunktion für jeden einzelnen Impulswert darstellt, welcher wieder die Wahrscheinlichkeit darstellt, dass das System diesen Impuls hat.
Dasselbe kann ich für jede beobachbare Größe machen, die in dem System sinnvoll ist. Sinnvoll, weil ich mich ja bei der Formulierung des System festgelegt habe, was ich berechnen/messen will.

Zusammengefasst:
Die Wellenfunktikon ist die Lösung.
Meine Entscheidung darüber, was ich berechnen/messen will, entscheidet ob ich eine diskret Anzahl von Möglichkeiten habe oder unendlich und überabzählbare viele.
Diese Entscheidung wird bereits bei der Formulierung der zu lösenden Gleichung getroffen.

Zum Determinismus:
Im Sinne des klassischen Determinismus ist die reale Welt indeterminiert.
Der klassische Determinismus besagt:
- Jede physikalische Aktion hat eine physikalische Ursache
- Kenne ich den Zustand des Universums zu einem Zeitpunkt, dann kann ich den Zustand des Universums in jedem zukünftigen Zeitpunkt eindeutig bestimmen.

Es gibt aber eine abgewandelte Form des Determinismus, der für die QM zutrifft.
- Kenne ich die Wellenfunktion eines Systems zu einem Zeitpunkt,dann kann ich sie eindeutig für alle zukünftigen Zeitpunkte bestimmen.
Durch die Verbindung der Wellenfunktion mit den physikalisch messbaren Zständen bekommt man folgende abgewandelte Form:
- Jede physikalische Aktion hat eine Menge (eventuell überabzählbar viele) mögliche physikalische Ursachen. Normalerweise kann ich nicht bestimmen, welche von den unzähligen möglichen Ursachen die tatsächliche war.
- Kenne ich die physikalischen Größen des Universums zu einem Zeitpunkt, dann kann ich nicht vorhersagen, welchen Wert diese in Zukunft annehmen werden, ich kann nur Wahrscheinlichkeitsaussagen darüber treffen, welche möglich sind.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#125 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Janina » Do 12. Jun 2014, 16:25

Halman hat geschrieben:Die von Lesch dargestellte Deutung entspricht in etwa der sog. minimalen statistischen Interpretation. Der Nachteil dieser Deutung ist aber, dass sie nur aussagt, was es nicht gibt (nämlich eine real existierende Wellenfunktion), nicht aber, was es denn dann stattdessen gibt. Sozusagen eine Art quantenmechanischer Agnostizismus.
Ich finde das ok. Ein methodologischer Agnostizismus hat sich in wissenschaftlichen Beschreibung immer bewährt, und es ist wohlgeübte Disziplin, sich Aussagen über Unbekanntes zu verkneifen. Es ist kein Nachteil, nichts zu sagen über das was unbekannt ist, es ist die Garantie, dass die Aussagen, die dann noch übrigbleiben, wenigstens richtig sind.

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#126 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Halman » Sa 14. Jun 2014, 19:54

Janina hat geschrieben:Ich finde das ok. Ein methodologischer Agnostizismus hat sich in wissenschaftlichen Beschreibung immer bewährt, und es ist wohlgeübte Disziplin, sich Aussagen über Unbekanntes zu verkneifen. Es ist kein Nachteil, nichts zu sagen über das was unbekannt ist, es ist die Garantie, dass die Aussagen, die dann noch übrigbleiben, wenigstens richtig sind.
Okay, aus praktmatischer Sicht kann ich dies gut nachvollziehen. Dessen kann man sich doch aber auch bewusst sein, ohne sich das naturphilosophische Grübeln über die Interpretationen der QM selbst zu verbieten.

Bitte schaue Dir den Abschluss dieses Beitrages an.


@ThomasM
Vielen Dank für Deine fachlich einleuchtene Erläuterung zur Wellenfunktion. Als ich darüber nachgedacht habe, ist mir auch klar geworden, wie @Pluto auf zwei Möglichkeiten kam, denn wir sprachen von zwei möglichen Spin-Zuständen i.V.m. der Verschränkung.
Ist es korrekt, wenn ich es folgendermaßen beschreibe: Ganz allgemeine umfasst die Wellenfunktion die Gesamtheit aller möglichen Quantenzustände.
Wenn es in einer Gleichung bspw. um den Aufenthaltsort geht, dann ist die Zahl der Einzelzustände unendlich. Wird hingegen der Spin eines Elektrons betrachtet, so gibt es insgesamt nur zwei Möglichkeiten, die in der Wellenfunktion enthalten sind. Es kommt also darauf an, was in der jeweiligen Gleichung behandelt wird.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#127 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Janina » Sa 14. Jun 2014, 23:29

Halman hat geschrieben:Bitte schaue Dir den Abschluss dieses Beitrages an.
Was soll ich damit? Ich habe nicht die Absicht, unterschiedliche Interpretationen der QT zu diskutieren. Wir benutzen nur eine, nämlich die Kopenhagener Deutung, nach der die Wellenfunktion den Gehalt einer Wahrscheinlichkeit hat, und sonst nichts.

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#128 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von Halman » So 15. Jun 2014, 16:44

Janina hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Bitte schaue Dir den Abschluss dieses Beitrages an.
Was soll ich damit? Ich habe nicht die Absicht, unterschiedliche Interpretationen der QT zu diskutieren. Wir benutzen nur eine, nämlich die Kopenhagener Deutung, nach der die Wellenfunktion den Gehalt einer Wahrscheinlichkeit hat, und sonst nichts.
Sei mal nicht so schnippisch.

Aber ganz wie Du meinst: Gem. der Kopenhagener Deutung kollabiert die Wellenfunktion. Bild
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo


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#130 Re: Was ist Verschränkung?

Beitrag von R.F. » Mo 16. Jun 2014, 13:44

http://www.spiegel.de/wissenschaft/tech ... 75436.html

Also das ist ja ein starkes Stück: Da soll doch tatsächlich “Quantenmechanische Verschränkung” zur überlichtschnellen Übertragung von Information missbraucht werden...Bild

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