Liegt zum großen Teil wohl daran, dass wir hier rumschwimmen und aus der Erinnerung heraus Philosophen erläutern.ThomasM hat geschrieben:Uff, harter Tobak.
Die Worte sind dermaßen verwirrend, dass ich teilweise noch nicht einmal weiß, was ich eigentlich fragen soll.
Sollte man nie tun, aber in der Forenpraxis ist anderes oft nicht möglich. Man hat keine Zeit, alles zu recherchieren.
Ich werde versuchen, in Hegels "Phänomenologie des Geistes" ein nachvollziehbares Beispiel zu finden.ThomasM hat geschrieben:Hört sich schlau an. Allerdings ist mein Versuch, ein Beispiel für eine These-Anti-These aufzustellen, von closs glatt verneint worden. Ohne dass ich jetzt ein anderes Beispiel zur Hand hätte, sind diese Worte wohl kaum verständlich.Savonlinna hat geschrieben: So weit ich mich erinnern kann, liegt die Anti-These im dialektischen Denken bereits in Wartehaltung in der These. Es bedarf der geschichtlichen Entwicklung, um die Antithese zur Entfaltung zu bringen.
Möglicherweise muss ich meine Formulierung dann auch noch korrigieren. Auch wenn es von der Sache her vielleicht stimmen könnte.
Was ich im Kopf habe - ob es nun von Hegel stammt oder der chinesischen Philosophie oder dem jungen Karl Marx oder der Erläuterung unserer Lehrerin bezüglich Dialektik -, ist: In der These selber liege bereits potentiell der Umschlag.
Ich finde diesen Gedanken faszinierend, weil es das Statische des abendländischen Denkens aufbricht. Es zeigt eine gewisse Gesetzmäßigkeit des "Wandels" auf.
Aber ob er so bei Hegel vorliegt, müsste erst überprüft werden.
Ich glaube, Punkt 3 ist eine weitere Entwicklungsstufe der Vernunft im Vergleich zu 2.ThomasM hat geschrieben:1. ok, wäre aber mit einem Beispiel klarer.Savonlinna hat geschrieben:Ein irrsinnig spannendes Thema, vor allem darum für mich, weil hier bei Hegel - im Bogen zurück zu Heraklit, der ebenfalls dialektisch dachte ("Der Streit ist der Vater aller Dinge") und im Bogen vorwärts zu den Frühschriften von Karl Marx - Marx als Philosoph - und denen, die nach Marx dialektisch dachten, eine echte Alternative zum nicht-dialektischen Denken der althergebrachten Wissenschaft ist.Wikipedia hat geschrieben:„Das Logische hat der Form nach drei Seiten: α) die abstrakte oder verständige, β) die dialektische oder negativ-vernünftige, γ) die spekulative oder positiv-vernünftige.“
– G. W. F. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse[12]
1.
Das endliche, verständige Moment: Der Verstand setzt etwas als seiend.[13]
2.
Das unendlich negative, dialektische Moment: Die Vernunft erkennt die Einseitigkeit dieser Bestimmung und verneint sie. Es entsteht so ein Widerspruch. Die begrifflichen Gegensätze negieren einander, d. h. sie heben sich gegenseitig auf.[14]
3.
Das unendlich positive, spekulative Moment: Die Vernunft erkennt in sich selbst die Einheit der widersprüchlichen Bestimmungen und führt alle vorherigen Momente zu einem positiven Resultat zusammen, die in ihr aufgehoben[15] werden.[16]
http://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik#Hegels_Dialektik
2. Hä?
Das verstehe ich nicht. Ich kann etwas als "Seiend setzen". Und daraus Schlußfolgerungen ziehen.
Ich kann das Gegenteil als "Seiend setzen" und komme eventuell zu anderen Schlussfolgerungen.
Ist doch normal. Wo ist da das Problem?
3. Nee
Sich selbst als Teil des Problems zu erkennen löst das Problem doch nicht. Letztendlich setze ich hier nur wieder etwas anderes (ich als Teil der Problematik) und folgere damit wieder andere Dinge. Im Grunde ist das nichts weiter als 2. in einem anderen Gewand.
Ob ich Hegel Recht gebe, ist eine Frage für sich; aber erst mal muss ich seinen Gedankenganz verstehen.
Dazu suche ich dann, hoffe ich, ein Beispiel in seinem Hauptwerk.
Deinen letzten Satz habe ich nicht verstanden.ThomasM hat geschrieben:Ersterem würde ich zustimmen. Es gehört zu unseren Grunderfahrungen zwischen dem Ich und dem nicht-ich zu unterscheiden.Savonlinna hat geschrieben: Zusammengefasst vielleicht:
Um überhaupt erkennen zu können, muss der Mensch sich in Subjekt und Objekt teilen.
Was also ein Vorteil ist, hat aber auch einen Nachteil: der Mensch erkennt im Objekt nicht mehr das Subjekt.
Da alles aber sich entwickelt, wird das Subjekt - These - sich dann doch im Objekt - Antithese - erkennen und sich zum erweiterten Bewusstsein erweitern, in dem das Objekt mit dem Subjekt eine höhere Einheit bildet - Synthese.
Es kann auch Ansätze geben, alles als Einheit zu betrachten, eine Beschreibung, in dem es kein Ich mehr gibt.
Aber alle diese Ansätze sind nichtig, wenn es nicht gelingt zu beschreiben, wie aus der Es-gibt-kein-Ich Beschreibung letztlich das Ich wird, das ich empfinde.
Was hat das mit der Subjekt-Objekt-Beziehung zu tun?
Die Grammatik allein zwingt dazu, sich selber in Subjekt und Objekt zu teilen: "Ich - erkenne - mich." Subjekt - Prädikat - Akkusativobjekt.
Die ganze Entfremdungstheorie - zum Beispiel von Erich Fromm - beruht auf dieser Teilung in Subjekt und Objekt.
Fromm spricht von Haben und Sein - so auch ein Buchtitel von ihm.
Ja, natürlich. Darum geht es doch gerade. Dass das entfremdete Objekt als Teil des Ich wahrgenommen wird. Wieder in den eigenen Besitz zurückkehren kann oder überhaupt erst eingegliedert werden kann.ThomasM hat geschrieben:Denn diese Vorstellung von der höheren Einheit ist ja gut und schön, aber die Subjektivität ist trotzdem ein Fakt, der gewürdigt werden muss.
Beispiel:
Friedrich Hebbel lässt seine Mariamne in dem Drama "Herodes und Mriamne" sagen:
"Ich war ihm nur ein Ding und weiter nichts." Sie spricht von Herodes, den sie liebt. Und erkennen muss, dass die Liebe des Herodes zu Mrianme eine "verdinglichte" ist: er hat sie nicht als Ich wahrgenommen, sonder nur als Objekt für seine eigenen Bedürfnisse.
Eine Aufhebung dieser "Entfremdung" wäre möglich, zumindest bis zu einem gewissen Grad, wenn Herodes die Mariamne nicht mehr instrumentalisiert für seine persönlichen Bedürfnisse, sondern sie als "Ich" mit eigenen Bedürfnissen liebt. Also die "Ichwerdung" der Mariamne genauso wünscht wie seine eigene.
Damit stimmst Du genau mit Hegel und auch Erich Fromm überein.ThomasM hat geschrieben:Meines Wissens gibt es bislang keine Beschreibung, die das leisten kann. Oft wird Subjektivität als böse, als negativ gesehen und daher sind die Leute froh, das überwunden zu haben. Das sehe ich aber nicht als wahr an, denn Subjektivität ist auch positiv und hat Gutes, daher darf sie nicht vollständig überwunden werden.
Du hast nur andere Begriffe. "Subjektivität" hat nichts mit der Einteilung der Dialektik in Subjekt und Objekt zu tun.
Ich sprach von dem jungen Marx, der sich mit Hegel auseinandergesetzt hat. Da war er noch weit davon entfernt, von Klassengesellschaften zu sprechen.ThomasM hat geschrieben:Aber Marx wurde wiederholt als weltfremd und falsch erwiesen.Savonlinna hat geschrieben: Marx hat vielleicht nicht so Unrecht, wenn er sagt, dass eine Versöhnung im Geiste nicht ausreicht.
Stattdessen müssen die Ärmel hochgekrempelt werden, die konkrete Gesellschaft muss einen Weg finden, um diese Entfremdung in der Form aufzuheben, dass der Mensch sich in seiner Arbeit verwirklichen kann: dass die Arbeit ihm dazu verhilft.
Er hat Recht mit seiner Kritik an Hegel. Er sagt fast wörtlich: "Es genügt nicht, die Welt umzuinterpretieren, sondern sie zu verändern."
Das Christentum hat sich dies zu Herzen genommen.
Die Grundgedanken sind kein Unsinn. Selbst wenn sie unkorrekt auf die Klassengesellschaften angewandt wären oder wurden.Damit sind vielleicht seine Ideen, dass diese Philosophie sich praktisch auswirken muss, nicht falsch, aber wenn die Grundgedanken Unsinn sind, dann ist das Scheitern des Marxismus kein Wunder.
Das dialektische Denken hat im abendländischen Denken nur einen Minderheiten-Status. Und doch kann genau dieses dialektische Denken aus einer Misere herausführen - indem man Zusammenhänge zu verstehen suchen kann, die einer dialektischen Logik entsprechen.
Wir können das im Ablauf der Geschichte der Literaturepochen beobachten, aber auch im Ablauf der Philosophiegeschichte.
Ich lebe schon lange genug, um das selber schon beobachtet haben zu können.
Eine Einseitigkeit bringt eine Einseitigkeit in entgegengesetzter Form hervor.
Siehe strikten Naturalismus und striktes evangelikales Denken. Beide sind aneinander gebunden, mit dem einen wird auch das andere schwinden.
Das eine ist These, das andere Antithese, und die Synthese könnte man auch versuchen schon zu erraten. Aber sie wird eintreten, im Bewusstsein der Leute. Das ist eine gewisse Zwangsläufigkeit.