Pluto hat geschrieben:Welcher semantischer Wandel? — Verstehe ich nicht.
Dass "Bewusstsein" als mechanistische Folge und als Produkt der Materie verstanden wird und keine kategorial geistigen Unterschiede mehr gemacht werden.
Pluto hat geschrieben:Wie gesagt (s.o), ich kann keinen semantischen Shift erkennen.
Vermutlich, weil Du in der Zeit aufgewachsen bist, als dieser Umbruch bereits im wesentlichen abgeschlossen war.
Pluto hat geschrieben: Bloß weil du dadurch den Tieren Bewusstsein absprechen willst, ist das kein Argument.
Umgekehrt: Die Beurteilung von Tier-Bewusstsein ist logische Folge der Definition von "Bewusstsein".
Pluto hat geschrieben:Nicht nur die Wissenschaft... Auch die Philosophie betrachtet die Trennung in, bzw Verschmelzung von, res cogitans/extensa als Unsinn.
Das ist die materialistische Philosophie des 20. Jh., die sich als Magd der Wissenschaft versteht - auch hier eine Umkehrung der Begriffe.
Pluto hat geschrieben:Das ist eben der Lauf der Geschichte.
Du bezeichnest also geistigen/philosophischen Rückschritt lapidar als "Lauf der Geschichte"? - Und das war's dann?
Pluto hat geschrieben:Mir ist nicht bekannt, dass die Naturwissenschaft hier irgendetwas setzt.
Die Naturwissenschaft ist hier gar nicht der Ansprechpartner, sondern die Philosophie. - Da diese aber im wesentlichen zu "Ancilla Scientiae" geworden ist, ist sie an dieser Stelle verstummt. - Die Setzung ist keine aktive Setzung, sondern eine Setzung durch Unterlassung ("Wir schlussfolgern nur aus dem, was wir materialistisch verstehen").
Pluto hat geschrieben:die Trennung in res cogitas/extensa ist reine Fiktion aus dem damaligen Wunschdenken der Kirche heraus.
Nein - es ist eine universale ontologische Feststellung - das hat nichts mit Christentum zu tun und würde von einem buddhistischen Ontologen genauso verstanden werden wie von einem kommunistischen Ontologen.
Pluto hat geschrieben:"Clockwork Universe" war eine Revolution gegen die damalige Übermacht der Kirche. Descartes war einer der ersten die erkannten, dass kein Gott notwendig war, um das Universum am Laufen zu halten.
Richtig - das war die "Aufklärung" im besten Sinne des Wortes. Aber man hat damals nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, indem man - wie heute - den Materialismus zur Ersatz-Religion gemacht hat.
Pluto hat geschrieben:Descartes hat sich mE nicht verirrt. Nur war er aus Bequemlichkeit bedacht, der Kirche Lippenbekenntnisse entgegen zu bringen.
Glaube ich nicht - mir scheint eher, dass er jedesmal, wenn er seine glänzende Philosophie Richtung Naturwissenschaft verlassen hat, ausgerutscht ist. - Er hätte bei seinen Leisten bleiben sollen.
Pluto hat geschrieben:Aber der große Fehler war, diese Reflexionsfähigkeit nur dem Menschen zuzuordnen.
Das war in der Tat christlich beeinflusst - andererseits: Ich glaube tatsächlich nicht, dass ein Hund nach "Gott" fragen kann. - Ein Computer auch nicht (außer papageienhaft). - Neuronal ist dies sicherlich NICHT ermittelbar, weil Werkzeug nicht gleich Inhalt ist.
Pluto hat geschrieben:Ja. Und die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfolge der letzten 200 Jahre geben dieser materialistischen Sicht 100% Recht.
Alter Denkfehler: Die Wissenschaft als Disziplin der Untersuchung des Materiellen KANN nur so urteilen, weil für sie die "Res Cogitans" methodisch gar nicht vorgesehen ist. - Ein Fisch kennt nur das Wasser.
Pluto hat geschrieben:Wir sind nun mal Tiere mit einem überwältigenden mechanistischen Anteil.
Andere würden sagen: Wir teilen mit Tieren einen überwältigenden mechanistischen Anteil.
Pluto hat geschrieben:Wolf Singer sagt, wir sind eben mehr als die Summe der Einzelteile.
Da ist er auf der richtigen Spur. - Jetzt muss er nur noch sagen, welche Kraft aus der Addition von Einzelteilen ein "Mehr" macht.
Pluto hat geschrieben:Vergiss das lieber mit dem Polysem. Das kann man von vielen Worten behaupten, doch wenn man sich nicht an sprachliche Konventionen hält, ist, wie Tyrion sagt, kein Dialog mehr möglich.
Das geht - wir können versuchsweise mal "x" sagen, wenn von der von "Bewusstsein" im geistig-spirituellen Sinne die Rede ist. - Aber da es viele Worte gibt, die im 20. Jh. "ent-geistet" wurden, wird das Alphabet schnell ausgehen.
Pluto hat geschrieben:Ich sehe die Reflexionsfähigkeit als weitaus mehr als bloß ein christliches Verständnis von Gott oder dem Heiligen Geist.
Das würde auch zu weit führen. Es reicht, wenn man vom "Cogito" ausgeht. - Kann ein Hund (in seiner Sprache) denken oder fühlen: "Ich zweifle, muss aber nicht an mir zweifeln, weil das Zweifelnde nicht im ZWeifel steht" ---???--- Hat der Hund also ein "Cogito, ego sum"?
Letztlich reden wir hier von dem, was biblisch als "Sündenfall" chiffriert ist: Der Beginn der Eigen-ERkenntnis, bei der sich "die Augen klärten". - Ist der Hund vor oder nach dem "Sündenfall"? Geistig gemeint.
Pluto hat geschrieben:IEbenfalls ein Beispiel für das christliche Verständnis von Mangel an Reflexionsfähigkeit?
Nee - ein Beispiel für Menschenverachtung im Namen einer christlich beeinflussten Gesellschaft des 19./20. Jh. (vorher war es definitiv nicht so - lies mal über Kulturgeschichte/Alltagsgeschichte von Mittelalter, Spätmittelalter und Absolutismus: Da war es anders).