sven23 hat geschrieben: ↑So 24. Nov 2019, 07:20
Eigentlich ist man in Austria noch titelversessener.
Stimmt - Austria - Deutschland - und dann kommt lange nichts. ---- Das hat wohl mit Habsburger und Preussischer Tradition zu tun - halt typisch kultur-deutsch.
sven23 hat geschrieben: ↑So 24. Nov 2019, 07:20
Wenn er in die gleiche Kerbe wie Sedlmayr (Verlust der Mitte) schlägt, weiß ich in etwa, worum es geht.
Ich kenne Sedlmayr nicht. - Mein Mentor war damals Nestor der Philologie in GB und politisch-weltanschaulich nicht engagiert - es war für ihn ein kultur-geschichtliches Statement. - Was man übrigens heute gut belegen kann. - Andererseits wird dieses Belegen nicht funktionieren, wenn die Gesprächspartner meinen, dass die Periphärie die Mitte ist - dann kommt nämlich die Antwort: "Wieso - es ist doch alles da".
sven23 hat geschrieben: ↑So 24. Nov 2019, 07:20
Aber willst du uns ernsthaft Glauben machen, dass du eine fast fertige Dissertation wegwirfst, weil du über Nacht erkannt hast, dass die Gesellschaft ein gestörtes Verhältnis zu Gott hat?
Mit "Gott" hatte das ÜBERHAUPT nichts zu tun - dieses Thema war damals überhaupt nicht relevant. --- Es hatte etwas mit der Kulturgeschichte des 20. Jh. sowie - viel wichtiger - den Ausblick ins 21. Jh. zu tun. - Es war abzusehen, dass man mit der Lehr-Philosophie meines Mentors ins 21. Jh. hinein nicht mehr reüssieren konnte. - Um es plakativ und nicht einmal sehr übertrieben zu sagen:
Während ich aus einer Schule komme, die Fragen stellt wie "Was MEINT eigentlich Racine, Shakespeare, Goethe, etc., wenn er folgendes ... sagt?", ging es zu meiner postgraduierten Zeit bereits in Richtung "Wie oft verwendet Goethe das Wort 'aber' und was können wir daraus über seine Non-Konformität aussagen?"/"Ungelesene Bestseller der Deutschen Klassik", "Kafkas Schloss und Zivildienst in Deutschland", "Sexualität der Minne und Homosexualität von Walther von der Vogelweide", etc.
Das war teilweise gar nicht uninteressant, aber dass solches die führende Rolle übernehmen sollte, war absehbar - all dies vor dem Hintergrund, dass ja auch die Philosophie immer anthropozentrischer geworden war und da keine Abhilfe zu erwarten war. - Einfach die falsche Epoche, um mit "Center-Fragen" einen Blumentopf auf Dauer gewinnen zu können.
sven23 hat geschrieben: ↑So 24. Nov 2019, 07:20
Hast du dir da nicht eine retrospektive Legende zusammen gebastelt?
Nee - das war damals sehr aktuell und ernst. --- Von der karrieristischen Position her hat damals alles gestimmt - aber es hätte keine Zukunft gehabt. - Und dann steht man halt vor der Frage, ob man sich lebenslang als Rufer in der Wüste gefallen will (dazu reicht dieses Forum
) oder etwas ganz anderes macht. - Und "das andere" hat immerhin den Grundstock für Familie und ausreichendes Vermögen gebracht - UND vor allem dazu gezwungen, GANZ anders zu denken: Nicht mehr, OB etwas gut ist, sondern WOZU etwas gut ist. --- Und jetzt kenne ich halt BEIDE Hermeneutiken - allein DAS ist hoch-interessant.