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#11 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Fr 21. Jun 2019, 17:02
von CoolLesterSmooth
Pinguin87 hat geschrieben:
Fr 21. Jun 2019, 14:19
Mit "Entweder" wäre es doch ein "exklusives Oder", stimmt das?
Das Problem an meiner Formulierung ist, dass man man an ein "Entweder A oder B" intuitiv ein "aber nicht A und B" dranhängt, während es hier eigentlich ein "oder A und B" sein müsste. Oder wie JackSparrow richtig sagt, hat man hier ein inklusives Oder.

Um noch die Herleitung von ¬A v B zu ergänzen:
Wie ebenfalls JackSparrow schon schrieb, A->B heißt, wenn A wahr ist, dann ist auch B wahr (A ist hinreichend für B). Strenger formuliert heißt das, damit diese Implikation wahr ist, kann A nur dann wahr sein, wenn B wahr ist (B ist notwendig für A). Oder wieder anders: Damit die Implikation A->B wahr ist, kann es nicht sein, dass A wahr ist, aber B nicht => A->B = ¬(A ∧ ¬B) = ¬A v ¬(¬B) = ¬A v B

#12 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 08:40
von SilverBullet
“Pinguin87“ hat geschrieben:Sei z. B. A die Aussage "4 < 3" und B die Aussage "Löwen sind Fleischfresser". Da die Aussage A falsch ist gilt die Implikation A => B als auch die Implikation A => nicht B, daher kann aus einer falschen Aussage alles abgeleitet werden, oder? Aber wenn das so richtig ist, was ich schreibe, warum ist die Wahrheitstabelle der Implikation gerade so definiert, das muss doch einen speziellen Grund haben, oder?
Aus meiner Sicht sind diese Formalismen sehr gefährlich, weil sie Zusammenhänge verschlucken/verschleiern, die jedoch für den Anwendungsfall zentral wichtig sind.

Wenn ich die „Wahrheitstabelle zur Implikation“ in die Praxis übertragen müsste, würde ich es wie folgt beschreiben:
Man hat zwei beliebige Sachverhalte A und B, für die man inhaltlich nicht sagen kann, ob sie etwas miteinander zu tun haben, man stellt aber den Verdacht auf, dass es so ist:
„wenn A dann B“ („A => B“).
In deinem Fall „wenn 4 < 3, dann sind Löwen Fleischfresser“.

Nun möchte man (ohne inhaltliche Kenntnis, aber dennoch generell) prüfen können, ob die Möglichkeit einer Korrektheit des Verdachtes bei konkreten Ausprägungen von A und B weiterhin gilt, oder ob man den Verdacht fallen lassen muss.

A trifft zu (w), B trifft zu (w)
=> sehr günstig, der Verdacht „A => B“ kann weiterhin aufrecht gehalten werden, bzw. dieser Fall ist der Anlass um den Verdacht aufzustellen. (w)

A trifft nicht zu (f), B trifft zu (w)
=> B kommt ohne A vor, aber das bedeutet nicht, dass B nicht von A abhängt, denn B könnte zusätzlich auch noch von etwas anderem abhängen, also kann der Verdacht „A => B“ weiterhin aufrecht gehalten werden (w)
Das wäre dein Fall „wenn 4 < 3, dann sind Löwen Fleischfresser“. Zusätzlich wissen wir aber, dass „4 < 3“ nie zutreffen kann, was jedoch ein inhaltliches Kriterium ist und somit nicht von der Wahrheitstabelle erfasst wird.

A trifft nicht zu (f), B trifft nicht zu (f)
=> das ist komplett neutral zum Verdacht „A => B“, denn er ist hier vollständig irrelevant, also kann er weiterhin aufrecht gehalten werden (w)

A trifft zu (w), B trifft nicht zu (f)
=> das ist ein NoGo, denn wenn A vorliegt, aber B dennoch nicht „verursacht“, dann kann man den Verdacht „A => B“ wegwerfen (f)

Mit der Wahrheitstabelle hat man somit ein „Regelwerk“ mit dem man die Möglichkeit für die Korrektheit eines Implikationsverdachtes, unabhängig von inhaltlichen Verbindungen (-> sehr rudimentär) prüfen kann, jedoch gilt: nur der Aussschluss ist ein abschliessendes Urteil.

“Pinguin87“ hat geschrieben:der Titel sagt eigentlich schon alles aus. Aber ich schreibe noch etwas dazu. In einer Informatikvorlesung meinte ein Prof, dass dies aus der Wahrheitstabelle der Implikation folgt (falls ich den Prof richtig verstanden habe),
Ich denke wir sollten die Daumen drücken, dass du deinen Prof falsch verstanden hast, denn die „Wahrheitstabelle der Implikation“ ist (aus meiner Sicht), wie oben erklärt, lediglich ein Werkzeug zum Ausschliessen eines Implikationsverdachtes, bringt aber rein gar nichts, um die Korrektheit eines solchen Verdachtes zu bestätigen.

Es geht nicht darum, dass man „aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten“ kann, sondern darum, ob man den „Ableitungsverdacht“ aufrecht erhalten kann, was bei einer falschen Aussage (A) durchaus noch der Fall ist, weil die Situation mit dem Verdacht einfach nichts zu tun haben könnte.

Für ein selbstlernendes System kann dieses Werkzeug durchaus eine Möglichkeit darstellen, um eine interne Korrektur, des „Zusammenhangpotentials“ durchzuführen – sprich: es kann sich ein wenig „umprogrammieren“ – allerdings kann es sich dabei auch ganz schnell nur um eine sehr „lokale Korrektheit“ handeln, was z.B. der Fall ist, wenn es um „A => B“ zu Rahmenbedingungen kommt, so dass die Implikation „manchmal“ gilt, „manchmal“ nicht – man hat es dann quasi mit einem „Implikationsbaum“ zu tun, der in seinen Zweigen unterschiedliche Verdachtsmöglichkeiten enthält.

#13 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 10:46
von Thaddäus
Pinguin87 hat geschrieben:
Do 20. Jun 2019, 12:22
A und B seien Aussagen und w steht für wahr und f für falsch:

A B A→B
f f w
f f w
w f f
w w w

Ein wenig Recherche im Internet von mir hat aber ergeben, dass aus einer falschen Aussage sich alles mögliche ableiten lässt, eine "tieferliegende" Wahrheit der mathematischen Logik ist.
Zunächst ein paar hilfreiche Hinweise.

Die logische Operation "Wenn A - dann B" nennt man materiale Implikation. "Material" bedeutet hierbei rein wahrheitsfunktional, was wiederum bedeutet, dass man von der Bedeutung (Semantik) natürlicher Sprache absieht. Was das heißt, wird weiter unten noch klarer werden.

Die Implikation besteht aus 2 Teilen: dem Vordersatz oder Antezedens "(Wenn A -)" und dem Hintersatz oder Konsequenz "(- dann B)"

Eine Wahrheitswerttabelle legt fest, wann eine logische Operation - also z.B.die IMPLIKATION - wahr und wann sie falsch ist. Andere logische Operationen sind ("und", "oder", "ausschließendes oder" [entweder - oder, aber nicht beides] und "Äquivalenz" [genau dann - wenn])

Und hier nochmal die Wahrheitswettabelle der Implikation (wenn - dann) in schön:

Bild

Schauen wir uns die Wahrheitswerte im Einzelnen an:

1) Wenn A wahr ist und B auch wahr // dann ist A → B insgesamt wahr, was nicht besonders verwunderlich ist, was sollte sonst dabei herauskommen.

2) Wenn A wahr ist und B falsch // dann ist A → B insgesamt falsch, denn aus etwas Wahrem kann logisch gesehen niemals etwas Falsches folgen. Dies ist der einzige Fall, bei dem die Implikation insgesamt falsch wird.

3) Wenn A falsch ist und B wahr // dann ist A → B insgesamt wahr, denn aus etwas Falschem kann in der Tat etwas Wahres folgen; muss nicht, aber kann. Es ist logisch nicht zwingend, dass aus etwas Falschem stets etwas Falsches folgen muss. (Aber es ist logisch zwingend, dass aus etwas Wahrem nicht etwas Falsches folgen kann.) Das ist die "tieferliegende logische Wahrheit", von der dein Professor spricht.

Wenn aus etwas Falschem aber sowohl etwas Wahres wie etwas Falsches folgen kann, dann folgt aus etwas Falschem also BELIEBIGES. DIes ist in der Logik die Ex falso quodlibet-Regel: aus Falschem folgt Beliebiges; nämlich Falsches (ex falso quodlibet) oder Wahres (verum ex quodlibet).

4) Wenn A falsch ist und B falsch // dann ist A → B insgesamt wahr, weil aus etwas Falschem zwar durchaus etwas Wahres, aber eben auch etwas Falsches folgen kann.
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Was heißt nun materiale, also rein wahrheitsfunktionale Implikation?

Die logische Festlegung der Wahrheitswerte einer Implikation nimmt keine Rücksicht auf unsere natürliche Sprache oder kausale Zusammenhänge, zumindest nicht in der Aussagenlogik.

Deshalb ist auch die Implikation: "Wenn morgens die Sonne aufgeht, dann befindet sich der Eiffelturm in Paris" eine insgesamt wahre Wenn-Dann-Aussage, denn Antezedens und Konsequenz sind ja beide wahr. Beide haben aber inhaltlich, also auf der semantischen Ebene nichts miteinander zu tun. Eine materiale Implikation gibt also nicht unbedingt einen inhaltlichen bzw. kausalen Zusammenhang zwischen Antezedens und Konsequenz wieder. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall erst geprüft werden oder man muss zu einem erweiterten Kalkül wie der Prädikatenlogik oder der Modallogik greifen.

#14 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 11:13
von closs
Thaddäus hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 10:46
Deshalb ist auch die Implikation: "Wenn morgens die Sonne aufgeht, dann befindet sich der Eiffelturm in Paris" eine insgesamt wahre Wenn-Dann-Aussage, denn Antezedens und Konsequenz sind ja beide wahr.
Dann ist aber "WENN" nicht konditional gemeint im Sinne von "Falls morgens die Sonne aufgeht, dann befindet sich der Eiffelturm in Paris" - der Sonnenaufgang ist also keine notwendige Bedingung - richtig? - Hieße dies nicht, dass die Wahrheitstabelle koinzidental und nicht konditional definiert ist? Ist es so gemeint?

#15 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 12:41
von JackSparrow
closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 11:13
Dann ist aber "WENN" nicht konditional gemeint im Sinne von "Falls morgens die Sonne aufgeht, dann befindet sich der Eiffelturm in Paris" - der Sonnenaufgang ist also keine notwendige Bedingung - richtig?
Zu unterscheiden ist "immer dann, wenn" (A => B) und "genau dann, wenn" (A <=> B).

Befindet sich der Turm immer dann in Paris, wenn die Sonne aufgegangen ist, ist zwar der Sonnenaufgang hinreichend, um die Lokalisation des Turms zu bestimmen, aber aus der Lokalisation des Turm folgt nicht notwendig, dass auch ein Sonnenaufgang stattgefunden hat.

#16 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 12:45
von AlTheKingBundy
JackSparrow hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 12:41
closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 11:13
Dann ist aber "WENN" nicht konditional gemeint im Sinne von "Falls morgens die Sonne aufgeht, dann befindet sich der Eiffelturm in Paris" - der Sonnenaufgang ist also keine notwendige Bedingung - richtig?
Zu unterscheiden ist "immer dann, wenn" (A => B) und "genau dann, wenn" (A <=> B).

Befindet sich der Turm immer dann in Paris, wenn die Sonne aufgegangen ist, ist zwar der Sonnenaufgang hinreichend, um die Lokalisation des Turms zu bestimmen, aber aus der Lokalisation des Turm folgt nicht notwendig, dass auch ein Sonnenaufgang stattgefunden hat.

Das verstehen die wenigsten, dass aus A => B NICHT zwangsläufig folgt, dass gilt: B => A

#17 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 14:12
von JackSparrow
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 12:45
Das verstehen die wenigsten, dass aus A => B NICHT zwangsläufig folgt, dass gilt: B => A
Dafür wissen wir dank A => B, dass die Sonne immer dann nicht aufgegangen ist, wenn sich der Eiffelturm nicht in Paris befindet: ¬B => ¬A

#18 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 14:20
von closs
JackSparrow hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 12:41
Befindet sich der Turm immer dann in Paris, wenn die Sonne aufgegangen ist, ist zwar der Sonnenaufgang hinreichend, um die Lokalisation des Turms zu bestimmen, aber aus der Lokalisation des Turm folgt nicht notwendig, dass auch ein Sonnenaufgang stattgefunden hat.
Wie beschreibt man "NUR dann, wenn die Sonne aufgegangen ist"?

#19 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 14:24
von JackSparrow
closs hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:20
Wie beschreibt man "NUR dann, wenn die Sonne aufgegangen ist"?
Befindet sich Turm genau dann in Paris, wenn die Sonne aufgegangen ist, dann wissen wir, dass die Sonne notwendig aufgegangen sein muss, sobald wir in Paris den Turm erblicken: A <=> B

#20 Re: Warum kann man aus einer falschen Aussage alles mögliche ableiten?

Verfasst: Sa 22. Jun 2019, 14:37
von closs
JackSparrow hat geschrieben:
Sa 22. Jun 2019, 14:24
Befindet sich Turm genau dann in Paris, wenn die Sonne aufgegangen ist, dann wissen wir, dass die Sonne notwendig aufgegangen sein muss, sobald wir in Paris den Turm erblicken: A <=> B
Wir sitzen also in Paris und sehen am Erscheinen des Turms ("plopp"), dass am hier zugrundliegenden Ort die Sonne aufgegangen ist - richtig?`- A <=> B wäre also so etwas wie ein if-Abfrage, oder?