die materialistische Konzeption der Natur...

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sven23
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#31 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von sven23 » Do 26. Dez 2013, 12:39

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb sprach ich ja auch von echter Wissenschaft.
Dann sage einfach "Naturwissenschaft" - dann bist Du auf der sicheren Seite.

Ich würde die Mathematik da nicht ausschließen wollen.
Nehmen wir als Beispiel die Religionswissenschaft. Sie kann all das, was historisch gewachsen ist formal untersuchen und beschreiben. Inhaltlich, sprich den Wahrheitsgehalt betreffend, kann sie natürlich keine Aussagen treffen. Sie ist hier völlig auf das Formale beschränkt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#32 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von closs » Do 26. Dez 2013, 13:14

sven23 hat geschrieben: Inhaltlich, sprich den Wahrheitsgehalt betreffend, kann sie natürlich keine Aussagen treffen.
Zu ihrer Setzung selbst kann sie keine wissenschaftlichen Aussagen machen - das liegt aber in der Natur des Wortes "Setzung". - Das ist aber bei der Naturwissenschaft dasselbe - auch sie kann nichts darüber aussagen, ob Wahrnehmung Illusion oder Realität betrifft - sie setzt letzteres.

NACH diesem Setzungs-Schritt ist Theologie (wie auch Philologie) sehr wohl WIssenschaft, weil sie sich normalerweise nicht mit Glaubensfragen beschäftigt (das ist mit der Setzung (weitgehend) erledigt). - Da geht es dann meinetwegen eher um Fragen wie "Einfluss des Augustinus auf die Reformation in Vorpommern um das Jahr 1600" (das wäre ein klassisches Dissertations-Thema).

sven23 hat geschrieben:Ich würde die Mathematik da nicht ausschließen wollen.
Das ist dasselbe. - Es gibt Setzungen, aus denen man Schlussfolgerungen zieht. - Insofern (!!!) sind Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft und Mathematik gleich.

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Demian
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#33 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von Demian » Fr 27. Dez 2013, 13:45

sven23 hat geschrieben:Nehmen wir als Beispiel die Religionswissenschaft. Sie kann all das, was historisch gewachsen ist formal untersuchen und beschreiben. Inhaltlich, sprich den Wahrheitsgehalt betreffend, kann sie natürlich keine Aussagen treffen. Sie ist hier völlig auf das Formale beschränkt.

Doch, das kann sie. Form und Inhalt hängen schließlich zusammen. Religionswissenschaft kann die psychologischen Hintergründe erforschen und aufzeigen.
Somit ergibt sich eine seelische Evidenz ... Neurobiologie, Psychologie, Evolutionsbiologie, Kultur- und Kunstgeschichte, Erkenntnistheorie.
All das ist Teil davon. Besitzt das keinen Wahrheitsgehalt?

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sven23
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#34 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von sven23 » Fr 27. Dez 2013, 17:31

Demian hat geschrieben: Somit ergibt sich eine seelische Evidenz ... Neurobiologie, Psychologie, Evolutionsbiologie, Kultur- und Kunstgeschichte, Erkenntnistheorie.
All das ist Teil davon. Besitzt das keinen Wahrheitsgehalt?

Im wissenschaftlichen Sinn nicht. Die Inhalte von Religionen und Glaubenskonstrukten können nicht überprüft werden.
Noch einmal: nicht alles, was wir uns ausdenken können, muß deshalb auch real sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Demian
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#35 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von Demian » Fr 27. Dez 2013, 17:59

sven23 hat geschrieben:Im wissenschaftlichen Sinn nicht. Die Inhalte von Religionen und Glaubenskonstrukten können nicht überprüft werden.
Noch einmal: nicht alles, was wir uns ausdenken können, muß deshalb auch real sein.

Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet die argumentative Auseinandersetzung mit einem Thema. Das tut ein Religionswissenschaftler. Um mal Michael Blume zu zitieren: "Religionswissenschaft ist eine wissenschaftliche Disziplin und kein Stuhlkreis, in dem es für jede Meinung einen Keks gibt."

Religiöse Mythologien sind (selbstverständlich) keine wissenschaftlichen Hypothesen

"Ein sicheres Zeichen für religionsbezogene Halbbildung - durchaus auch unter religiösen Menschen - ist die Auffassung, man könne religiöse Mythologien - wie beispielsweise die Schöpfungsberichte oder Sintflutgeschichte der Bibel - als rein naturwissenschaftliche Abhandlungen lesen. Entsprechend bliebe dann nur noch die Wahl zwischen einem wissenschaftlichen Atheismus oder einem kreationistischem Glauben ... gerade aus Sicht der Evolutionsforschung ist das natürlich eine geradezu dümmliche Verkürzung. Denn es spricht absolut nichts dafür, dass sich wissenschaftliche, religiöse, musikalische, literarische, künstlerische u.v.m. "Erkenntnisse" einfach gleichsetzen ließen und die gleichen Funktionen erfüllten. Schauen wir uns als Beispiel einfach einmal das Bild "Guernica" von Pablo Picasso aus dem Jahre 1937 an. In diesem weltberühmten Bild stellte Picasso die brutale Zerstörung des baskischen Städtchens durch Bombenangriffe der Legion Condor dar. Manche(r) würde hier vielleicht wirklich meinen: Das ist aber ein schlechtes Bild, denn die Darstellung ist völlig unrealistisch und enthält kaum wissenschaftlich überprüfbare Information. So kann es doch nie gewesen sein.

Zu Recht würden wir einen solchen Menschen jedoch als "Kunstbanausen" belächeln, denn Picasso wollte ja gerade nicht ein Foto abmalen oder nüchterne Sachinformation vermitteln. Sein Bild kann uns erreichen und "mehr" (etwa den Schrecken, die Verzweiflung, den Skandal des Krieges) erfahrbar machen, gerade "weil" er über die reine Kopie der Realität hinaus weist. Kunst wirkt mittels anderer Sprache(n) und vermittelt andere Erkenntnisse als empirische Wissenschaft - und genau das tut Religion auch. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Selbstverständlich können Sie auch weiterhin Picasso gut oder schlecht finden. Aber wenn Sie nicht einmal in der Lage wären, zu verstehen, dass ein Gemälde (eine Musik, ein Gedicht, ein Mythos, ein Ritual) anders funktioniert als eine wissenschaftliche Abhandlung, wären Sie als Fachgutachter kaum ernstzunehmen. Und wenn Sie einen religiösen Mythos nur als naturwissenschaftliche Hypothese aufzufassen vermögen, dann wird Sie ein religionswissenschaftlicher Blog überfordern.

Und übrigens: Picasso war überaus kritisch im Hinblick auf die meisten Kolleginnen und Kollegen seiner Zeit - und auch ein entschiedener Kritiker der katholischen Kirche. Zugleich war er jedoch ein Kenner des Symbolischen und wählte als Vorlage für sein Guernica die Form eines christlichen Tryptichon (dreiflügeligen Altars mit der Passionsfigur in der Mitte). Und als er die Höhlenmalereien von Altamira betrachtete, so entfuhr ihm das Eingeständnis: "Wir haben seit damals nichts dazu gelernt.
" Quelle

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Lamarck
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#36 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von Lamarck » Fr 27. Dez 2013, 19:56

Hi ThomasM!

ThomasM hat geschrieben: ist so gut wie sicher falsch.

Bestimmt - aber weder ThomasM noch ThomasN können dies auch zeigen ... .




ThomasM hat geschrieben: Ich bin auf das Buch von Thomas Nagel "Geist und Kosmos"
http://www.thalia.de/shop/home/rubrikar ... D=10907022
erst durch eine Rezension im aktuellen Spektrum der Wissenschaften aufmerksam geworden.

Oh, ein Déjà-vu: http://4religion.de/viewtopic.php?p=35006#p35006




ThomasM hat geschrieben: Die Reaktion den USA war von Seiten der Materialisten extrem
http://www.zeit.de/2013/43/sachbuch-phi ... und-kosmos

Merke: Verfasst ein atheistischer Philosoph ein altersdebiles Werk, bekommt er heftige Reaktionen - bei den anderen ist so etwas nicht zu unterscheiden. ;)




ThomasM hat geschrieben: Die Besprechung im Spektrum war sehr positiv:
Nagel legt dar, dass der evolutionäre Materialismus unfähig ist, Bewusstsein, Vernunft und Wertvorstellungen auf physikalische und chemische Prozesse zu reduzieren
Der größte Kritikpunkt ist, dass nagel keine Antwort auf die Frage hat, wie denn jetzt Bewusstsein, Vernunft und Wertzvorstellungen zu modellieren sind.

Du hast genau den richtigen Satz ausgewählt. Das hübscheste Wort ist dieses hier: 'reduzieren'.

Damit ist wohl nicht gemeint, dass das Modell M falsifiziert ist, weil unterstellt wird, die Ableitung von m' aus m ist (a) nötig und (b) nicht hinreichend erfolgt. Damit aber ist die metaphysische Kontamination enttarnt und der hier zugrunde liegende Zirkelschluss offengelegt (Der Vollständigkeit halber: Was auch immer ThomasN unter der Bezeichnung 'evolutionärer Materialismus' verstehen will (vermutlich Evolutionskritik!), so gesteht er letztlich doch nicht ein, auf die 'Reduzierung' (wie gesagt: Was auch immer das sein soll) zu verzichten). Zirkuläre Logik und Ignoranzargument: Die 'Argumentation' ist strukturell identisch mit der einer ganz gewissen Klientel ... .

Abstrus übrigens, 'Wertvorstellungen' 'ableiten' zu wollen (= SEIN-SOLLEN-Fehlschluss), ethische Werte werten über das Sozialverhalten per evolutionärer Spieltheorie konstituiert - dergleichen lässt sich weder über Götter noch Atome einführen. Und natürlich ist die bestehende Theorie des Geistes nach wie vor unbeschädigt - in aller Kürze: Ohne Gehirn hinreichender Leistungsfähigkeit kein Bewusstsein - bislang nur für durchblutete Gehirne von hochentwickelten Organismen bekannt.




ThomasM hat geschrieben: Für Weihnachten kommt mir das zu spät, aber ich werde mir das Buch in der nächsten Zeit mal anschauen.

Du meinst, noch darfst Du hoffen? ;)




Cheers,

Lamarck
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)

ThomasM
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#37 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von ThomasM » So 29. Dez 2013, 16:24

Lamarck hat geschrieben: Bestimmt - aber weder ThomasM noch ThomasN können dies auch zeigen ... .
Och - es gibt auch andere hier, die mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" operieren, ohne auch nur irgendwas zeigen zu können oder wollen.

Lamarck hat geschrieben: Merke: Verfasst ein atheistischer Philosoph ein altersdebiles Werk, bekommt er heftige Reaktionen - bei den anderen ist so etwas nicht zu unterscheiden. ;)
Fragt sich nur, warum Atheisten so heftig reagieren. Wohl weil ihr Glaube bedroht wird. Vielleicht sollten wir die atheistische Inquisition einführen.

Lamarck hat geschrieben: Damit ist wohl nicht gemeint, dass das Modell M falsifiziert ist
Nein, für so dumm halte ich Nagel nicht. Es ist gemeint, dass das Modell unvollständig ist und erweitert gehört.

Lamarck hat geschrieben: in aller Kürze: Ohne Gehirn hinreichender Leistungsfähigkeit kein Bewusstsein - bislang nur für durchblutete Gehirne von hochentwickelten Organismen bekannt.
HEY. Wenn das nicht mal ein guter Start ins Jahr 2014 ist. Ein Satz von dir, dem ich ZUSTIMME.
Ich würde nur ergänzen: Es gibt einige Argumente dafür, dass Bewusstsein auch bei hinreichend komplexen Maschinen möglich ist.

Und natürlich andere Schlüsse daraus ziehen, aber wir wollen die Freude über die Übereinstimmung erst trüben, wenn das Jahr angebrochen ist.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Lamarck
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#38 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von Lamarck » So 29. Dez 2013, 23:56

Hi ThomasM!

ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Bestimmt - aber weder ThomasM noch ThomasN können dies auch zeigen ... .
Och - es gibt auch andere hier, die mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" operieren, ohne auch nur irgendwas zeigen zu können oder wollen.

"Mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit" gehe ich davon aus, dass Du nicht Osterhasi bist ... . Und natürlich: Ich zeige Dir gerne einmal mehr, was Wissenschaftstheorie ist. Ein wenig guter Wille und etwas Lerneifer ist für dieses Unterfangen allerdings Voraussetzung ... .




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Merke: Verfasst ein atheistischer Philosoph ein altersdebiles Werk, bekommt er heftige Reaktionen - bei den anderen ist so etwas nicht zu unterscheiden. ;)
Fragt sich nur, warum Atheisten so heftig reagieren. Wohl weil ihr Glaube bedroht wird. Vielleicht sollten wir die atheistische Inquisition einführen.

Die heftige Reaktion wird ausgelöst beim Vorliegen einer besonderen formalen Kategorie, die ich kurz und bündig sackdämlich nenne. Und ad nauseam: Vernunft verhält sich umgekehrt proportional zu Glaube.




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Damit ist wohl nicht gemeint, dass das Modell M falsifiziert ist
Nein, für so dumm halte ich Nagel nicht. Es ist gemeint, dass das Modell unvollständig ist und erweitert gehört.

Ich habe es doch dargestellt. Das, was vorliegt, gefällt ThomasN aus Gründen, die er nicht nennen kann, nicht und meint, daraus Unerklärliches ableiten zu müssen, um sich wohlfühlen zu können.




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: in aller Kürze: Ohne Gehirn hinreichender Leistungsfähigkeit kein Bewusstsein - bislang nur für durchblutete Gehirne von hochentwickelten Organismen bekannt.
HEY. Wenn das nicht mal ein guter Start ins Jahr 2014 ist. Ein Satz von dir, dem ich ZUSTIMME.

Na, geht doch.




ThomasM hat geschrieben: Ich würde nur ergänzen: Es gibt einige Argumente dafür, dass Bewusstsein auch bei hinreichend komplexen Maschinen möglich ist.

Jetzt staune ich aber - zu dieser Vermutung dürftest Du erst in allerjüngster Zeit gekommen sein.




ThomasM hat geschrieben: Und natürlich andere Schlüsse daraus ziehen, aber wir wollen die Freude über die Übereinstimmung erst trüben, wenn das Jahr angebrochen ist.

Oh oh, hier sehe ich allerdings einige Irrtümer Deinerseits heraufziehen ... : :P










Cheers,

Lamarck
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#39 Re: die materialistische Konzeption der Natur...

Beitrag von closs » Mo 30. Dez 2013, 00:10

Lamarck hat geschrieben:Vernunft verhält sich umgekehrt proportional zu Glaube.
Ad nauseam: Das ist ein Dogma, für das Kant zu Deinen Ehren die Prügelstrafe einführen würde, wenn er könnte.

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