Peter Malinowski: Gehirn und Geist

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Demian
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#1 Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Demian » Do 31. Jul 2014, 09:44

Ein interessanter und ausführlicher Artikel über den Zusammenhang von Hirnprozessen und ihrem Korellieren mit unsrem Erleben, das Verhältnis von Gehirn und Geist aus buddhistischer Sicht.

Quelle: Buddhismus Heute

...

KORRELATE SIND KEINE URSACHEN
Die grundlegende und selten hinterfragte Sichtweise in den Neurowissenschaften ist, dass das Gehirn die Grundlage von allen messbaren und nichtmessbaren geistigen Prozessen ist. Darauf aufbauend führen die oben geschilderten Beobachtungen fast zwangsläufig zu dem Schluss, dass derartige Vorgänge im Gehirn tatsächlich die Ursache für Bewusstsein sind. Möchte man es jedoch etwas genauer wissen, so stellt man fest, dass es keine überzeugenden Vorschläge gibt, in welcher Weise physiologische Abläufe, die mit Bewusstseinsprozessen einher gehen, diese verursachen könnten. Obwohl man glauben mag, dass mit einem Erforschen der neuronalen Korrelate des Bewusstseins die Frage nach seiner Ursache zu beantworten sei, bleibt völlig ungeklärt, wie ein materieller Prozess ein geistiges Resultat hervorbringen kann.
In der buddhistischen Philosophie wird dagegen die grundlegende Anschauung, Materie als Ursache für Geist zu sehen, hinterfragt. Jeder Nachweis von Materie ist ja letztendlich ein Bewusstseinsprozess. Von einem Objekt (Materie, Gehirn), das unabhängig von einem beobachtenden, experimentierenden, analysierenden Beobachter (Subjekt) existieren würde, kann man daher gar nicht sprechen. Zudem zeigt die Physik und hier insbesondere die Quantenphysik deren Ziel es ist, die Grundprinzipien der materiellen Welt zu entschlüsseln, dass die Vorstellung von solider Existenz eigentlich eine extreme Vereinfachung der Wirklichkeit ist und unsere Entweder-Oder-Vorstellungen im Mikrokosmos eigentlich nicht uneingeschränkt gelten. Gemäss Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation lässt sich die Bewegungsbahn eines Teilchens, die sich aus Ort und Geschwindigkeit (genauer gesagt Impuls, dem Produkt aus Geschwindigkeit und Masse) zusammensetzt, nicht eindeutig bestimmen. Je genauer wir den Ort bestimmen, um so weniger ist die Geschwindigkeit bestimmt und umgekehrt. Ein Teilchen befindet sich also nicht eindeutig entweder in einem oder in einem anderen Zustand, sondern der Messprozess, die Frage die wir stellen, entscheidet, was für eine Antwort wir über den Zustand eines Teilchens bekommen. Offensichtlich wird hier, wo man sich nicht mit der groben Erscheinungsweise der Phänomene zufrieden gibt, sondern mehr und mehr ihre Essenz erforscht, die Vorstellung von letztendlicher, fest definierter Seinsweise der kleinsten Bausteine der materiellen Welt in Frage gestellt. Sie weisen mehrere noch nicht realisierte Möglichkeiten auf und erst der Messprozess entscheidet, was wir beobachten werden. Wie kann etwas, das selbst keine unabhängigen Eigenschaften besitzt, Grundlage unabhängiger Existenz sein? Auch einer logischen Analyse hält die Vorstellung, es gäbe kleinste, unteilbare Teilchen nicht stand. Unteilbare Teilchen dürften keine Eigenschaften wie eine Ausdehnung, Richtungen in die sie sich erstrecken, verschiedene Seiten usw., aufweisen. Hätten sie diese Eigenschaften, wären sie weiter teilbar. Weisen sie diese Eigenschaften jedoch nicht auf, können sie sich niemals zu gröberen Objekten anordnen, da sie sich ohne Eigenschaften wie „oben“, „unten“ usw. niemals zu einer Form zusammenfinden könnten.
Jeder Versuch Materie nachzuweisen, stellt einen Bewusstseinsprozess dar. Da Materie also unabhängig von Bewusstsein niemals auftreten kann, erscheint die Idee, das (materielle) Gehirn sei die Grundlage von allem inklusive Bewusstein, äußerst willkürlich. Sie kommt dadurch zustande, dass unser Geist eine enorm starke Gewohnheit hat, nach außen zu schauen, während er keine Erfahrung darin hat, sich selbst zu erleben. Den außen erlebten Phänomenen sprechen wir daher mehr Realität zu als dem inneren Raum oder Geist, der dies alles erfährt.
Da Materie niemals unabhängig von Bewusstsein auftritt, in Meditation aber Bewusstseinszustände auftreten können, in denen wir bewusst sind, ohne uns einer Sache bewusst zu sein, fällt es einem meditierenden Buddhisten nicht schwer, Geist und Bewusstsein als Grundlage aller Erlebnisse anzusehen. Um eine solche Sichtweise auch einem nicht meditierenden Wissenschaftler näher zu bringen, wäre jedoch ein wissenschaftlicher Nachweis, dass Bewusstsein unabhängig von Materie dem Gehirn existieren kann, ein äußerst schlagkräftiges Argument. Interessanterweise kommen uns hier Untersuchungen aus Großbritannien zur Hilfe. Forscher interviewten eine Vielzahl von Patienten, die einen Herzstillstand erlitten hatten, aber wiederbelebt werden konnten. Ein Herzstillstand wird allgemein als der Zustand angesehen, der uns am dichtesten an den wirklichen Tod bringt. Von besonderem Interesse für den Zusammenhang zwischen Gehirn und Bewusstsein ist dabei die Tatsache, dass etwa 10 20 Sekunden nach Aussetzen des Herzens keine messbare Hirnaktivität mehr feststellbar ist.
Obwohl dem so ist, erinnerten sich etwa zehn Prozent der Befragten Patienten an Erlebnisse aus der Zeit während des Herzstillstands. Die meisten dieser Erinnerungen fallen dabei in den Bereich der schon katalogisierten sogenannten Nahtoderfahrungen, wie dem Sehen eines Tunnels, eines hellen Lichts, verstorbener Verwandter oder mystischer Wesen, sowie auch dem Erlebnis außerhalb des eigenen Körpers zu sein und alles von oben zu sehen. Das Auftreten klarer, wohlstrukturierter Gedankenprozesse zusammen mit Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen zu einem Zeitpunkt, zu dem es keine messbare Gehirnaktivität mehr gibt, lässt sich mit den allgemein üblichen Deutungen von Nahtoderfahrungen nur schwer erklären. Halluzinationen beispielsweise, die durch verschiedene Substanzen ausgelöst sein können, treten üblicherweise nur in einem funktionierenden Gehirn auf. Außerdem weiß man, dass Gedankenprozesse an die Interaktion mehrerer Hirnareale gebunden ist, die sicherlich in diesem Zustand nicht mehr möglich sind. Weiterhin wird in der Medizin das Erinnerungsvermögen als ein sehr genauer Indikator für die Schwere einer Hirnschädigung angesehen, wobei normalerweise keine Erinnerungen für Ereignisse kurz vor und nach der Schädigung vorhanden sind. Von diesem Gedächtnisverlust sollten daher auch die Erinnerungen während des Herzstillstands betroffen sein. Diese und weitere Argumente lassen sich gegen die üblichen Erklärungen von Nahtoderfahrungen anbringen, wobei jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei den berichteten Erinnerungen um nachträgliche (wenn auch unbewusste) Rekonstruktionen handelt. Nicht anfechtbar und äußerst überzeugend ist meiner Meinung nach jedoch das Argument, dass sich einige Patienten daran erinnern konnten, was während der Zeit des Herzstillstands und der Wiederbelebungsversuche um sie herum passierte; Erinnerungen, die vom anwesenden Krankenhauspersonal als zutreffend bestätigt wurden. Hier waren also Patienten in der Lage zu berichten, was um sie herum vor sich ging, selbst während ihr Gehirn all die Funktionen, die angeblich für Bewusstseinsprozesse verantwortlich sind, mit Sicherheit nicht ausführen konnte. Wäre das Gehirn die Ursache für Bewusstsein, wären solche Erinnerungen nicht möglich.

[...]

PETER MALINOWSKI, geb. 1964 promovierter Diplompsychologe, tätig in der Hirnforschung. Seit 1990 Schüler von Lama Ole Nydahl, bis 1998 Aufbau des Zentrums in Braunschweig, danach Mitarbeit im Zentrum Konstanz. Seit 2001 Aufbau des nächsten Zentrums, diesmal in Liverpool, reist als Lehrer seit 1994

Pluto
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#2 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Pluto » Do 31. Jul 2014, 11:30

Demian hat geschrieben:Ein interessanter und ausführlicher Artikel über den Zusammenhang von Hirnprozessen und ihrem Korellieren mit unsrem Erleben, das Verhältnis von Gehirn und Geist aus buddhistischer Sicht.
Seit 2005 war ich ein treuer Abonnent dieser Zeitschrift, und habe mich mehr als einmal mit in Leserbriefen mit den Themen beschäftigt.
Erst kurz vor meinem Umzug habe ich das Abo gekündigt, weil wie dein Beispiel zeigt, die Artikel immer mehr in Richtung Esoterik abdriften.
Quelle: Buddhismus Heute
In der buddhistischen Philosophie wird dagegen die grundlegende Anschauung, Materie als Ursache für Geist zu sehen, hinterfragt.
Hinterfragen der Wissenschaft ist immer gut! In diesem Fall natürlich auch ein sehr mutiger Ansatz...
Jeder Nachweis von Materie ist ja letztendlich ein Bewusstseinsprozess. Von einem Objekt (Materie, Gehirn), das unabhängig von einem beobachtenden, experimentierenden, analysierenden Beobachter (Subjekt) existieren würde, kann man daher gar nicht sprechen. Zudem zeigt die Physik und hier insbesondere die Quantenphysik deren Ziel es ist, die Grundprinzipien der materiellen Welt zu entschlüsseln, dass die Vorstellung von solider Existenz eigentlich eine extreme Vereinfachung der Wirklichkeit ist und unsere Entweder-Oder-Vorstellungen im Mikrokosmos eigentlich nicht uneingeschränkt gelten. Gemäss Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation lässt sich die Bewegungsbahn eines Teilchens, die sich aus Ort und Geschwindigkeit (genauer gesagt Impuls, dem Produkt aus Geschwindigkeit und Masse) zusammensetzt, nicht eindeutig bestimmen. Je genauer wir den Ort bestimmen, um so weniger ist die Geschwindigkeit bestimmt und umgekehrt. Ein Teilchen befindet sich also nicht eindeutig entweder in einem oder in einem anderen Zustand, sondern der Messprozess, die Frage die wir stellen, entscheidet, was für eine Antwort wir über den Zustand eines Teilchens bekommen. Offensichtlich wird hier, wo man sich nicht mit der groben Erscheinungsweise der Phänomene zufrieden gibt, sondern mehr und mehr ihre Essenz erforscht, die Vorstellung von letztendlicher, fest definierter Seinsweise der kleinsten Bausteine der materiellen Welt in Frage gestellt. Sie weisen mehrere noch nicht realisierte Möglichkeiten auf und erst der Messprozess entscheidet, was wir beobachten werden. Wie kann etwas, das selbst keine unabhängigen Eigenschaften besitzt, Grundlage unabhängiger Existenz sein? Auch einer logischen Analyse hält die Vorstellung, es gäbe kleinste, unteilbare Teilchen nicht stand. Unteilbare Teilchen dürften keine Eigenschaften wie eine Ausdehnung, Richtungen in die sie sich erstrecken, verschiedene Seiten usw., aufweisen. Hätten sie diese Eigenschaften, wären sie weiter teilbar. Weisen sie diese Eigenschaften jedoch nicht auf, können sie sich niemals zu gröberen Objekten anordnen, da sie sich ohne Eigenschaften wie „oben“, „unten“ usw. niemals zu einer Form zusammenfinden könnten.
Jeder Versuch Materie nachzuweisen, stellt einen Bewusstseinsprozess dar. Da Materie also unabhängig von Bewusstsein niemals auftreten kann, erscheint die Idee, das (materielle) Gehirn sei die Grundlage von allem inklusive Bewusstein, äußerst willkürlich. Sie kommt dadurch zustande, dass unser Geist eine enorm starke Gewohnheit hat, nach außen zu schauen, während er keine Erfahrung darin hat, sich selbst zu erleben. Den außen erlebten Phänomenen sprechen wir daher mehr Realität zu als dem inneren Raum oder Geist, der dies alles erfährt.
Die Quantenmechanik ist die komplexeste Disziplin der Physik überhaupt; nur Wenige Physiker verstehen die Zusamenhänge.
Mit seiner Interpretation zeigt der Autor des Artikels, dass er sich weit über sein Kompetenzberich hinauswagt, und dabei Phänomene wie bspw. Heisenbergs Unschärferelation völlig fehlinterpretiert.
Da Materie niemals unabhängig von Bewusstsein auftritt,
Ist natürlich eine rein subjektive Behauptung des Autors, die man auch nicht mit Nahtod Erlebnissen nachweisen kann. Das ist ein Scheinargument zu dem ich weiter unten noch was geschrieben habe.

in Meditation aber Bewusstseinszustände auftreten können, in denen wir bewusst sind, ohne uns einer Sache bewusst zu sein, fällt es einem meditierenden Buddhisten nicht schwer, Geist und Bewusstsein als Grundlage aller Erlebnisse anzusehen. Um eine solche Sichtweise auch einem nicht meditierenden Wissenschaftler näher zu bringen, wäre jedoch ein wissenschaftlicher Nachweis, dass Bewusstsein unabhängig von Materie dem Gehirn existieren kann, ein äußerst schlagkräftiges Argument. Interessanterweise kommen uns hier Untersuchungen aus Großbritannien zur Hilfe. Forscher interviewten eine Vielzahl von Patienten, die einen Herzstillstand erlitten hatten, aber wiederbelebt werden konnten. Ein Herzstillstand wird allgemein als der Zustand angesehen, der uns am dichtesten an den wirklichen Tod bringt. Von besonderem Interesse für den Zusammenhang zwischen Gehirn und Bewusstsein ist dabei die Tatsache, dass etwa 10 20 Sekunden nach Aussetzen des Herzens keine messbare Hirnaktivität mehr feststellbar ist.
Man nennt diese Phänomene zurecht "Nahtod" Erlebnisse. Wie das Wort schon sagt, sind diese Berichte aber alle aus dem Diesseits. Wenn man von der biblischen Gestalt Jesus' mal absieht, ist noch Keiner im Jenseits gewesen und zurückgekommen um davon zu berichten — deshalb ist ein Nahtoderlebnis ein wissenschaftliches Scheinargument, was völlig am Thema eines postulierten allgegenwärtigen Bewusstseins vorbei geht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#3 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Demian » Sa 2. Aug 2014, 05:33

Kannst Du wenigstens definieren, was Du mit Esoterik meinst, denn mit so einem Vorwurf sagst Du rein gar nichts über den Inhalt. In dem Artikel wird – wie in der (buddhistischen) Philosophie üblich – die Anschauung, dass Materie die Ursache für Geist sei, hinterfragt.

Deshalb ist ein Nahtoderlebnis ein wissenschaftliches Scheinargument, was völlig am Thema eines postulierten allgegenwärtigen Beusstseins vorbei geht.

Wer hat behauptet, dass das ein wissenschaftlicher Beweis sei? Das sind existierende Phänomene, die es sachlich zu erforschen gilt. Was uns das dann tiefer gehend sagt, kann jeder selbst entscheiden, aber in meinen Augen gibt es eine gewisse Evidenz.

Hinterfragen der Wissenschaft ist immer gut! In diesem Fall natürlich auch ein sehr mutiger Ansatz...

Auch das ist eine Frage der Perspektive, denn unsre gesamte Erlebnisrealität und Gedankenwelt ist ein Produkt von Bewusstseinsprozessen. Darum finde ich es gewagt, wenn wir Geist nicht für die eigentliche Realität halten.

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#4 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Demian » Sa 2. Aug 2014, 06:28

Pluto hat geschrieben:Die Quantenmechanik ist die komplexeste Disziplin der Physik überhaupt; nur Wenige Physiker verstehen die Zusamenhänge.

Zweifellos. Das Denken sollte aber nicht nur den Experten überlassen werden. ;)

Mit seiner Interpretation zeigt der Autor des Artikels, dass er sich weit über sein Kompetenzberich hinauswagt, und dabei Phänomene wie bspw. Heisenbergs Unschärferelation völlig fehlinterpretiert.

Freies Denken schaut gerne mal über den "Kompetenzbereich" hinaus, denn der Geist ist nie beschränkt auf einen einzelnen Bereich. Goethe ließ es sich nicht nehmen in der Naturwissenschaft zu dilettieren und Novalis war nicht nur ein großer Dichter, sondern auch Bergbauingenieur. Das finde ich sehr vorbildlich, auch wenn dem Erfolg da gewisse Grenzen gesetzt sind.
In diesem Falle ist diese (meines Erachtens sehr vorsichtig formulierte) Schlussfolgerung das Wesentliche: „Offensichtlich wird hier, wo man sich nicht mit der groben Erscheinungsweise der Phänomene zufrieden gibt, sondern mehr und mehr ihre Essenz erforscht, die Vorstellung von letztendlicher, fest definierter Seinsweise der kleinsten Bausteine der materiellen Welt in Frage gestellt[...]Jeder Versuch Materie nachzuweisen, stellt einen Bewusstseinsprozess dar. Da Materie also unabhängig von Bewusstsein niemals auftreten kann, erscheint die Idee, das (materielle) Gehirn sei die Grundlage von allem inklusive Bewusstein, äußerst willkürlich. Sie kommt dadurch zustande, dass unser Geist eine enorm starke Gewohnheit hat, nach außen zu schauen, während er keine Erfahrung darin hat, sich selbst zu erleben. Den außen erlebten Phänomenen sprechen wir daher mehr Realität zu als dem inneren Raum oder Geist, der dies alles erfährt.“

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#5 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Pluto » Sa 2. Aug 2014, 10:45

Demian hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Quantenmechanik ist die komplexeste Disziplin der Physik überhaupt; nur Wenige Physiker verstehen die Zusamenhänge.
Zweifellos. Das Denken sollte aber nicht nur den Experten überlassen werden. ;)
Wenn das Jemand für sich tut, ist es eine sehr gute Sache.

Demian hat geschrieben:
Mit seiner Interpretation zeigt der Autor des Artikels, dass er sich weit über sein Kompetenzberich hinauswagt, und dabei Phänomene wie bspw. Heisenbergs Unschärferelation völlig fehlinterpretiert.
Freies Denken schaut gerne mal über den "Kompetenzbereich" hinaus, denn der Geist ist nie beschränkt auf einen einzelnen Bereich. Goethe ließ es sich nicht nehmen in der Naturwissenschaft zu dilettieren und Novalis war nicht nur ein großer Dichter, sondern auch Bergbauingenieur. Das finde ich sehr vorbildlich, auch wenn dem Erfolg da gewisse Grenzen gesetzt sind.
Wenn aber solche Gedanken (und es sind nur Gedanken) öffentlich gemacht werden, dann sollte der Autor diese wenigstens als solche kennzeichnen, wenn er seine Seriosität behalten will.

Jeder Versuch Materie nachzuweisen, stellt einen Bewusstseinsprozess dar. Da Materie also unabhängig von Bewusstsein niemals auftreten kann, erscheint die Idee, das (materielle) Gehirn sei die Grundlage von allem inklusive Bewusstein, äußerst willkürlich. Sie kommt dadurch zustande, dass unser Geist eine enorm starke Gewohnheit hat, nach außen zu schauen, während er keine Erfahrung darin hat, sich selbst zu erleben. Den außen erlebten Phänomenen sprechen wir daher mehr Realität zu als dem inneren Raum oder Geist, der dies alles erfährt.
Das Positive ist, dass man hier auch mal gegenteilige Meinungen einfließen lässt. Das was da steht, vermutete Leibniz bereits vor 300 Jahren als er in seiner Monadologie schreib
Leibniz hat geschrieben:Falls daß eine Machine wäre aus deren Structur gewisse Gedanken Empfindungen Perceptionen erwüchsen; so wird man dieselbe denkende Machine sich concipieren können als wenn sie ins große nach einerlei darinnen beobachteter Proportion gebracht worden sei dergestalt daß man in dieselbe wie in eine Mühle zugehen vermögend wäre.
Leibniz war so nahe dran, und dann kippte er doch (zum Leidwesen der moderne Hirnforschung) wieder um, in dem er schlussfolgerte:
Leibniz hat geschrieben:Dahero muß man die Perception in der einfachen Substanz und keines weges in dem Composito oder in der Machine suchen.
Schade, werden durch solche Äußerungen die Anstrengungen der Hirnforschung immer weder gebremst. :(
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#6 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von closs » Sa 2. Aug 2014, 11:34

Pluto hat geschrieben:Schade, werden durch solche Äußerungen die Anstrengungen der Hirnforschung immer weder gebremst.
Es scheint ein unausrottbares Fehlurteil zu sein, dass die Hirnforschung nach Geist suche - das tut sie nicht und es ist auch nicht ihre Aufgabe. - Die Aufgabe der Hirnforschung ist, physiologische Abläufe im Gehirn zu beobachten, zu beschreiben und ggf. zuzuordnen.

Dass damit auch das, was man im spirituellen Sinn als "Geist" nennt, betroffen sein kann, ist unbenommen. - Aber was mit "Geist" im spirituellen Sinne zu tun hat, ist eben NICHT Sache der Hirnforschung. - Insofern wird Hirnforschung auch nicht gebremst, wenn man nicht-materialistische Auffassungen zum Begriff "Geist" hat.

Pluto hat geschrieben:Leibniz war so nahe dran, und dann kippte er doch (zum Leidwesen der moderne Hirnforschung) wieder um
Vielleicht war das ganz einfach Weisheit. - Oder meinst Du etwa, man könne "Geist" atomistisch definieren?

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#7 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Demian » Sa 2. Aug 2014, 13:18

Pluto hat geschrieben:Wenn aber solche Gedanken (und es sind nur Gedanken) öffentlich gemacht werden, dann sollte der Autor diese wenigstens als solche kennzeichnen, wenn er seine Seriosität behalten will.

Das ist ein Geschmacksurteil. Auch ein „unseriös“ erscheinender Wissenschaftler kann Recht haben. Beispielsweise die Nobelpreisträgerin Barbara McClintock blieb über dreißig Jahre in der Scientific Community isoliert und konnte lange Zeit ihre Forschungsergebnisse nicht mal in anerkannten Journalen publizieren. Sie hat gezeigt, dass Gene bzw. Genome drei biologischen Grundprinzipien folgen (die sich außerhalb der Biosphäre nicht finden lassen, was bei unsrem Thema hier nicht unbeachtet bleiben sollte!): Kooperativität, Kommunikation und Kreativität.
Da dies dem gewohnten, darwinistischen Denkmodell widersprach, hat man sie nicht ernst genommen. Darwin ging beispielsweise unter Auslassung des primären Prinzips der biologischen Kooperativität davon aus, dass der Prozess der Selektion ausschließlich von maximaler Fortpflanzung bestimmt sei, von einem ständigen Selektionsdruck des Überlebenskampfes. Es ist freilich so, dass die Arten einer natürlichen Auslese unterworfen sind, aber die Gene entwickeln sich keineswegs nur in Richtung maximaler Reproduktionsfähigkeit, es werden auch neue Varianten ausprobiert, die schlicht und ergreifend dem kreativen „Verhalten“ lebender Systeme entstammen, neue genetische Varianten zu erproben und dabei immer komplexer werden.
Anstatt diese Einsichten in eine erneuerte Vorstellung von Evolution zu integrieren, scheint die Idee von „egoistischen Genen“, als gegeneinander agierende Akteure und die Idee vom fortwährenden Kampf zu dominieren. Manche Kreationisten und Darwinisten sind sich wirklich darin ebenbürtig, Aussagen über die Dinge zu machen, für die sie gar nicht zuständig sind. Weder kann man aus der Bibel Aussagen zur Erdgeschichte ableiten, noch kann man eine wissenschaftlich begründete Aussage über die „Wahrscheinlichkeit“ einer Existenz Gottes machen, wie es Richard Dawkins versuchte. Weder ist dies möglich, noch ist die naive Vorstellung von einem physikalisch mess- oder mathematisch berechenbaren Gott sinnvoll. Charles Darwin ist so ein Denken jedenfalls fremd gewesen und solch ein großer Forscher und Aufklärer hätte die neueren Einsichten zweifellos mit Interesse gewürdigt. Es ist wichtig differenziert - egal in worum es geht - über alles nachzudenken und falsche Postulate zu korrigieren. Auch buddhistische oder christliche Ideen zu Geist/Bewusstsein sind zunächst mal eine Arbeitshypothese, die jeder in Frage stellen darf.

*Joshua Lederberg, ein Pionier der modernen Genforschung war sich aber nicht ganz sicher und sagte: „By god, that woman is either crazy or a genius“. 1944 machte sie ihre Entdeckungen in den legendären Labors von Cold Spring Harbor, aber erst 1983 bekam sie den Preis.

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#8 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Demian » Sa 2. Aug 2014, 13:48

Falls daß eine Machine wäre aus deren Structur gewisse Gedanken Empfindungen Perceptionen erwüchsen; so wird man dieselbe denkende Machine sich concipieren können als wenn sie ins große nach einerlei darinnen beobachteter Proportion gebracht worden sei dergestalt daß man in dieselbe wie in eine Mühle zugehen vermögend wäre.

Um den einflussreichen Evolutionsbiologen Ernst Mayr zu zitieren: Die Biologie ist keine zweite Physik. Lebewesen wurden immer wieder als „Maschinen“ definiert, aber lebende Systeme unterscheiden sich von Maschinen durch die Fähigkeit, ihre eigene Konstruktion nach inneren Regeln immer wieder neu zu modifizieren und auf äußere Stressoren kreativ zu reagieren. Ohne diese Fähigkeit hätte sich dauerhaft kein Leben entwickeln können. Charles Darwin schrieb übrigens folgende schöne und (in meinen Augen sehr) berührende Worte: "Ein ... Grund für den Glauben an die Existenz Gottes, der mit der Vernunft, nicht mit Gefühlen zusammenhängt, scheint mir ... ins Gewicht zu fallen. Dieser Grund ergibt sich aus der extremen Schwierigkeit oder eigentlich Unmöglichkeit, sich vorzustellen, dieses gewaltige, wunderbare Universum einschließlich des Menschen mitsamt seiner Fähigkeit, weit zurück in die Vergangenheit und weit voraus in die Zukunft zu blicken, sei nur das Ergebnis blinden Zufalls oder blinder Notwendigkeit. Wenn ich darüber nachdenke, sehe ich mich gezwungen, auf eine erste Ursache zu zählen, die einen denkenden Geist hat, gewissermaßen dem menschlichen Verstand analog, und ich sollte mich wohl einen Theisten nennen."

Pluto hat geschrieben:Schade, werden durch solche Äußerungen die Anstrengungen der Hirnforschung immer weder gebremst. :(

Wo wird sie denn gebremst?

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#9 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Pluto » Sa 2. Aug 2014, 15:47

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Schade, werden durch solche Äußerungen die Anstrengungen der Hirnforschung immer weder gebremst.
Es scheint ein unausrottbares Fehlurteil zu sein, dass die Hirnforschung nach Geist suche - das tut sie nicht und es ist auch nicht ihre Aufgabe. - Die Aufgabe der Hirnforschung ist, physiologische Abläufe im Gehirn zu beobachten, zu beschreiben und ggf. zuzuordnen.
Das Wichtigste in der sog. Grundlagenforschung ist die Forscher bei ihrer Arbeit NICHT einzuengen, sondern ihnen Ergebnisoffenheit bei der Arbeit einzuräumen, damit sie darüber berichten können was sie vorfinden und ihnen die Freiheit lassen, ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Erst müssen die Erkenntnisse da sein. Hinterher ist noch genug Zeit, um Kritik an der Methodik und den Ergebnissen zu üben.

Und warum um Himmels Willen, soll man einem Forscher philosophische Gedanken verbieten? — Für mich klingt das allzusehr nach Kontrolle.

closs hat geschrieben:Dass damit auch das, was man im spirituellen Sinn als "Geist" nennt, betroffen sein kann, ist unbenommen. - Aber was mit "Geist" im spirituellen Sinne zu tun hat, ist eben NICHT Sache der Hirnforschung. - Insofern wird Hirnforschung auch nicht gebremst, wenn man nicht-materialistische Auffassungen zum Begriff "Geist" hat.
Es sieht so aus, als wolltest du die Hirnforscher mit Fußfesseln und Scheuklappen in ihrer Arbeit soweit begrenzen, dass sie ja nichts anderes sehen, als das was DU ihnen zugestehen willst.
So wird das aber nichts mit neuen Erkenntnissen. Hätte man Einstein derart eingeengt, hätte er niemals seinen genialen Durchbruch erzielen können.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Leibniz war so nahe dran, und dann kippte er doch (zum Leidwesen der moderne Hirnforschung) wieder um
Vielleicht war das ganz einfach Weisheit.
Ich glaube es lag eher daran, dass Leibniz ein "Kind seiner Zeit" war. Die Welt steckte noch viel zu sehr in den Fängen des Aberglaubens; der cartesianische Dualismus von Körper und Seele steckte noch zu stark in den Köpfen der Menschen.
So handelte Leibniz nach dem Motto, "was nicht sein darf, kann auch nicht sein" und verpasste damit den Durchbruch, der ihn zu einem der ganz Großen gemacht hätte.

closs hat geschrieben:Oder meinst Du etwa, man könne "Geist" atomistisch definieren?
Geist "atomistisch" wäre falsch. Das wäre so, als wollte man einen Mausklick auf dem Bildschirm mittels den Bewegungen von Elektronen in den Schaltkreisen des PCs erklären. Ein solches Vorgehen ist meiner Meinung nach ein allzu gieiriger (und deshalb schlechter) Reduktionismus.

Aber ich denke schon, dass man Bewusstsein auf der Ebene der neuronalen Netzwerke finden kann (so ein Netzt besteht aus milionen von Neuronen - keine leicht Aufgabe für die Forschung).
Wie erste Versuche zeigen, wird es vielleicht sogar notwendig, für die Gedächtnisforschung auf die Ebene der Synapsenbildung einzelner Neuronen herunter zu "zoomen".
So sehen es jedenfalls die Neurowissenschaftler von heute.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#10 Re: Peter Malinowski: Gehirn und Geist

Beitrag von Pluto » Sa 2. Aug 2014, 16:24

Demian hat geschrieben:Kannst Du wenigstens definieren, was Du mit Esoterik meinst, denn mit so einem Vorwurf sagst Du rein gar nichts über den Inhalt.
Bemüht man Wikipedia, wird sehr schnell klar wie ich Esoterik sehe...
Wikipedia hat geschrieben: In der Umgangssprache hat „esoterisch“ häufig die Bedeutung von „irrational“ oder „versponnen“.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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