Wie sind die Götter entstanden?

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Pluto
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#21 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Pluto » Mi 10. Sep 2014, 22:21

Rembremerding hat geschrieben:Bemerkenswert in sehr frühen Kulturstufen des Menschen ist auch, dass die Trauer um die Toten nicht den Wunsch nach Göttern hervorrief. Man sah damals in den Jahreszeiten das Werden und Vergehen und diesen Kreislauf auch im Menschen, der sich von der Natur noch nicht als abgekoppelt betrachtete.
Einer der frühen Verfechter eines naturalistischen Agnostizismus war der schottische Philosoph David Hume. Er erkannte, dass der Glaube an einen Gott drei Stufen durchläuft: 1) Polytheismus, 2) Pseudo-Monotheismus und 3) Monotheismus.

Polytheismus ist der Glaube an viele Götter. Sie sind menschenähnlich unvollkommen und bestimmen gewisse Teile unseres Lebens (das Meer, die Berge oder die Ernte). Pseudo-Monotheismus ist einfach ein Übergangsstadium zwischen Polytheismus und Monotheismus. Obwohl es hier noch viele Götter gibt, entwickelt sich ein Gott zum Herrscher über andere Götter. Ein Beispiel dafür ist Zeus im Glauben der alten Griechen.

Hume meinte, dass der Polytheismus dann entstand als die Menschen noch wenig Verständnis natürlicher Phänomene hatten. Der frühe Mensch sah die Natur als ein "Kampf zwischen gegensätzlichen Mächten". Dies erzeugte bei ihm eine tiefe Unsicherheit für die Zukunft. Aus dieser Hoffnungslosigkeit begannen steinzeitlichen Menschen sich Gedanken zu machen über die natürlichen Ereignisse die ihr Wohlergehen beeinflussen konnten.

Unsere Gemüter werden durch die Elemente dauernd in einen Zustand der erregten Erwartung versetzt; die unbekannten Gründe werden zum Objekt unserer Ängste und Hoffnungen, weil sie unser Wohlergehen und unser ganzes Leben bestimmen. Unsere Phantasie entwickelt daraus eine Vorstellung der ewig kämpfenden Gewalten. Mit der Zeit, so Hume, wird der Mensch versuchen die unsichtbaren elementaren Kräfte zu personifizieren, sie mit menschlicher Gestalt zu versehen. Auf diese Art verstärkt der Mensch seine Vorstellung dieser unbekannten Kräfte, die so wichtig sind, sowohl für sein Leid als auch für sein Wohlergehen.

Im Laufe der Zeit erhebt der Mensch einen der Götter über die anderen. Von dort zum totalen Monotheismus ist es dann nur ein weiterer kleiner Schritt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Rembremerding
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#22 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Rembremerding » Do 11. Sep 2014, 09:22

Hallo und einen schönen Tag an alle Foristen!

Zur Zeit Hume's waren Erkenntnisse hinsichtlich der Psyche des Menschen und frühzeitlicher Wissenschaft noch kaum vorhanden. Seine Erklärungsversuche gehen stets von der Ohnmacht des Menschen gegenüber Kosmos und Natur aus. Inzwischen konnte man jedoch schon in frühesten Kulturen umfangreiche Kenntnisse hinsichtlich natürlicher Phänomene und in der Astronomie nachweisen. Zudem, und das ist für vermeintlich aufgeklärte Ohren heutiger Zeit kaum nachvollziehbar, hatte der Mensch über Jahrzehntausende Möglichkeiten transzendente Erfahrungen zuerst eben durch Tanz zu erlangen. Dadurch setzte er sich in Harmonie zu Natur und Kosmos, womit er seine Ohnmacht der Natur gegenüber überwand und keinen Bedarf an die Schaffung von Götter hatte. Sehr wohl erkannte er aber einen "Geist", "Spirit", "Energie", die in einer anderen Wirklichkeit handelte.

Heute lassen Feldforschungen in noch bestehenden Jäger- und Sammlerkulturen und archäologische Funde in frühesten Steinzeitgräbern eher daraus schließen, dass zu Anfang ein Monotheismus in Form eines Mutterkultes vorherrschte, der diesen "Geist" personifizierte. Erst später schufen Imagination und Projektion aus verschiedenen Eigenschaften dieser großen Muttergottheit unterschiedliche Göttinnen. Je mehr der Mensch dann diese Rückbindungsmöglichkeit an diese andere handelnde Wirklichkeit verlor, desto intensiver setzte er stattdessen seine eigenen, niederen Emotionen als Motivation und Eigenschaft dieser handelnden anderen Wirklichkeit ein. In der Lebenswirklichkeit erkannte er etwa, dass Gewalt Macht bedeutete und so begann das männliche, aktive, nehmende Prinzip das weibliche, passive Prinzip, das auf Fruchtbarkeit und empfangen basierte, zu überlagern. Die Muttergottheit wurde zunächst von männlichen Heroen und Riesen begleitet, denen sie ihre Eigenschaften zuerst nur jahreszeitlich bedingt übertrug, dann aber gingen sie ganz auf diese nun männlichen Hauptgötter über, aus dem Matriarchat entstand ein Patriarchat. Wurde man zuvor beschenkt, nahm man sich nun.

Dies war aber auch der erste Schritt von Natur zu Kultur. Ging man zuvor etwa zu Felsformationen, die Heilung bei Knochenbrüchen ermöglichten (tatsächlich heute erforscht, weil Magnetismus das Knochenwachstum fördert), ritzte man nun Zeichen und Symbole in den Stein, um Heilung zu erzwingen, ja, entnahm man die Steine ihrer natürlichen Umgebung und arrangierte sie zu künstlichen Steinformationen.

Da wir hier im Unterforum Wissenschaft und Forschung sind, muss übrigens auch festgestellt werden, dass der christliche Glaube und Gott im Kern als etwas völlig konträres zum vorherrschenden Götterkult angesehen wird und nur in äußeren Zeichen auf ihn aufbaut. Deshalb darf man streng wissenschaftlich etwa Zungenreden oder Prophetie in der Hl. Schrift nicht mit indischer Kundalini-Energie vergleichen, da Motivation und Vorzeichen völlig unterschiedlich sind.

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Simplicius
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#23 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Simplicius » Do 11. Sep 2014, 10:01

Hallo Rembremerding,

vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen, die m.E. auch völlig einleuchtend sind.

Rembremerding hat geschrieben: Sehr wohl erkannte er aber einen "Geist", "Spirit", "Energie", die in einer anderen Wirklichkeit handelte.

Auch wenn das Christentum nicht gerade als naturverbundene Religion bekannt ist, spricht doch auch Paulus in beeindruckender Weise davon, wer und was Gott eigentlich ist, Apg 17,27-28:

Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.

Gott also als der Geist, der alles lebendig macht und alles durchwirkt mit seiner Kraft.

Rembremerding hat geschrieben: Heute lassen Feldforschungen in noch bestehenden Jäger- und Sammlerkulturen und archäologische Funde in frühesten Steinzeitgräbern eher daraus schließen, dass zu Anfang ein Monotheismus in Form eines Mutterkultes vorherrschte...

Die Sehnsucht nach Muttergottheiten ist sicher auch heute noch mit der Gestalt der Maria in der Kirche gegenwärtig, es ist kein Zufall, daß etwa Ostern - das Erwachen des Lebens - im Frühling gefeiert wird und daß der gesamte Wonnemonat Mai der Mutter Gottes gewidmet ist. Leben im Kirchenjahr ist auch ein Leben mit der Natur, alle Feste passen m.E. perfekt zum Kalender, das ist ein ganz ausgeklügeltes System.

Rembremerding hat geschrieben: Da wir hier im Unterforum Wissenschaft und Forschung sind, muss übrigens auch festgestellt werden, dass der christliche Glaube und Gott im Kern als etwas völlig konträres zum vorherrschenden Götterkult angesehen wird und nur in äußeren Zeichen auf ihn aufbaut. Deshalb darf man streng wissenschaftlich etwa Zungenreden oder Prophetie in der Hl. Schrift nicht mit indischer Kundalini-Energie vergleichen, da Motivation und Vorzeichen völlig unterschiedlich sind.

Ich wußte nicht so recht wohin mit meiner Frage. Zungendrede, umkippen und lallen z.B bringt Wikipedia in Verbindung, sind die Symptome nicht dieselben?

http://de.wikipedia.org/wiki/Torontosegen

http://distomos.blogspot.de/2010/07/kun ... lsche.html

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#24 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Rembremerding » Do 11. Sep 2014, 11:11

Hejdo @Simplicius,

tatsächlich macht das Christentum den Eindruck keine naturverbundene Religion zu sein. Im Kern ist sie es aber, man betrachte nur den hl. Franziskus (etwa in seinem Sonnengesang), die hl. Hildegard von Bingen (auch wenn wohl vieles ihr nur zugeschrieben wird) oder weiland Pfarrer Kneipp, der Wiederentdecker der Hydrotherapie. Und die Hl. Schrift selbst weiß nichts von Naturfeindlichkeit.
Es waren eher Kleriker der Renaissance, Wegbereiter und Kinder der Aufklärung, die einen Abstand zwischen Natur, Schöpfung, Mensch und Gott zu erkennen glaubten. Mir fällt da besonders Nikolaus von Kues ein, der erst den Begriff der Unendlichkeit "erfand" und damit Gott für den Menschen als unerreichbar darstellte. Die logische Konsequenz daraus war, nun eher die endliche Schöpfung Gottes zu untersuchen, als Gottähnlichkeit in Moral und Streben zu erlangen. Damit beginnt erst eine gewisse Entseelung der Natur, bis hin zu ihrer Sezierung durch die Renaissancegelehrten.

Du hast recht, wenn Du Teile des Festtagskalenders oder etwa Maria (auch andere weibliche Heilige) mit dem einst vorherrschenden Mutterkult verbindest. Dies sind die äußeren Zeichen, die Natur und Lebenswirklichkeit dem Christentum einprägten. Deshalb ist die christliche Religion auch eine ganzheitliche Lebensschule, die sich nicht von der Natur und Kosmos abkoppeln will und kann.

Unterschieden davon wird aber der christliche Glaube an Gott und seinem göttlichen Sohn. Im Götterkult geht die spirituelle Bewegung vom Menschen hin zu den Göttern (die zudem durch Abstraktion bereits völlig vermenschlicht und entseelt wurden). Man nimmt, tut selbst, behält.
Gott jedoch kam in den Menschen, lässt sich für ihn töten, die Bewegung geht von Gott zum Menschen, darin hat der christliche Glaube in seinem Kern ein Alleinstellungsmerkmal. Man lässt sich beschenken, lässt wirken, gibt weiter.

So ist Kundalini Energie, die vom Menschen generiert, zu Göttlichem aufsteigen soll und kann. Prophetie oder Zungenrede ist jedoch Geist, vom göttlichen Geist geschaffen, der in den menschlichen Geist hinabsteigt.
So kann es beim Torontosegen oder einigen charismatischen Gemeinden geschehen, dass nichts von Gott, aber alles vom Menschen kommt. In diese Bewegungsrichtung muss dann aber erst all das dämonische oder Böse durchdrungen werden, das in der Psyche des Menschen (dem Unterbewusstsein, dem "Es") auf Beachtung wartet. Hier ist die Unterscheidung der Geister unabdinglich. Die Symptome mögen dieselben sein, aber Ursache und Wirkung eine völlig andere.

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Vitella
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#25 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Vitella » Fr 12. Sep 2014, 08:03

was ist eigentlich mit dieser Bibelstelle..?

Psalm 82,6..
Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1 Petrus 5:10

 

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#26 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Vitella » Fr 12. Sep 2014, 08:10

Rembremerding hat geschrieben: Und die Hl. Schrift selbst weiß nichts von Naturfeindlichkeit.

und die 7 Plagen...? oder so..?...ich bin sicher man findet noch weiter Naturfeindliches..

Rembremerding hat geschrieben: So ist Kundalini Energie, die vom Menschen generiert, zu Göttlichem aufsteigen soll und kann. Prophetie oder Zungenrede ist jedoch Geist, vom göttlichen Geist geschaffen, der in den menschlichen Geist hinabsteigt.

was meinst Du mit "vom Menschen generiert".?
Wo machst Du noch einen Unterschied von der Wirkung der Kundalini zu Zungenrede und ähnliches, was ja auch sehr umstritten ist.?
War nicht Jesus ein Beispiel wie erwachte KUndalini sich auswirkt.?!

Lohn für demütiges Beten:
http://www.bibelkritik.ch/hund/hund.htm
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
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Janina
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#27 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Janina » Fr 12. Sep 2014, 09:05

Simplicius hat geschrieben:Warum ist Schweden atheistisch, die Heimat des "Beschützers und Förderers des Protestantismus", nämlich Gustav II. Adolf?
Schweden kommt mir nicht atheistisch, aber dafür naturreligiös vor. Schweden ist voller Trolle, Wichte und Elfen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Baumgeist
https://de.wikipedia.org/wiki/Nisse
https://de.wikipedia.org/wiki/Tomte_Tummetott
http://schweden-mythologie.blogspot.de/ ... iesen.html

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Simplicius
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#28 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Simplicius » Fr 12. Sep 2014, 09:20

Hallo Janina,

Janina hat geschrieben: Schweden kommt mir nicht atheistisch, aber dafür naturreligiös vor. Schweden ist voller Trolle, Wichte und Elfen.

stimmt, Du hast natürlich recht, da habe ich mich blöd ausgedrückt (nicht-christlich = gottlos und somit atheistisch). Ich habe ja schon die Szenen nordischer Mythologie an norwegischen Stabkirchen erwähnt:

Wikipedia hat geschrieben: Da die Stabkirchen in den zweihundert Jahren nach der Übergangszeit vom Heidentum zum Christentum gebaut wurden, finden sich an ihr viele heidnische Elemente, zum Beispiel Abwehrzauber. Ebenso kommen in den Schnitzereien immer wieder Gottheiten, Personen und Gegenstände aus den mythologischen Erzählungen der nordischen Religion vor.

http://de.wikipedia.org/wiki/Stabkirche

Die heidnische Edda etwa wurde auch im christianisierten Island verfaßt, ganz offenbar war das Christentum dort aber nur de jure Staatsreligion, de facto haben weiter die Asen und Wanen regiert - bis heute.

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#30 Re: Wie sind die Götter entstanden?

Beitrag von Pluto » Fr 12. Sep 2014, 10:58

Janina hat geschrieben:Island hat sogar eine Elfenministerin.
http://www.zeit.de/2007/15/Stimmts-Geister
Lustig!
In einem Land dass sozusagen auf dem atlantischen Rift steht, sind solche Naturgeister halt schwer zu [d]übersehen[/d] überwinden.

Da sieht man wieder, wie hartnäckig sich alte Glaubensformen halten.
1000 Jahre... wer hätte das gedacht. :?
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