Sind Computer intelligent?

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Andreas
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#141 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Andreas » Mi 29. Okt 2014, 00:10

closs hat geschrieben:Auf den ersten Blick scheint Chalmers Ansatz dahin zu gehen, wie man auf Basis des Materialismus dann doch wieder das gewisse Extra begründen kann
Nicht ganz, der Materialismus ist nach Chalmers falsch. Es geht um unterschiedliche Eigenschaften die er der Materie zugesteht- physische Eigenschaften und nichtpysische Eigenschaften.
Demzufolge ist es - im philosophischen Gedankenexperiment - a priori möglich, dass es Zombies gibt. Zombies stellen hierbei eine exakte (!) materielle Kopie eines gewöhnlichen Menschen dar, nur mit dem signifikanten Unterschied, dass sie kein (!) Bewusstsein haben. Da die Existenz eines Zombies a priori möglich ist, ist die angesprochene Notwendigkeit, welche der Materialismus voraussetzt, nicht zwingend. Also ist der Materialismus falsch.
Das dürfte in die Richtung gehen, die ThomasM angesprochen hat.
Hier gibt es nämlich ein Hierarchieproblem.
Die Welt ist hierarchisch aufgebaut und auf jeder Ebene der Komplexität gibt es neue Phänomene, neue Erscheinungen, die sich zumindest nicht einfach aus den vorhergehenden Hierarchieebenen ergeben.
Das kann ein reines Problem der Komplexität sein (z.B. der Übergang Elementarteilchen - Protonen/Neutronen - Atomkern), vielleicht steckt aber auch Emergenz dahinter.

Emergenz = Auftauchen von neuen Phänomenen auf der höheren Ebene, die sich nicht durch die Phänomene der niedrigeren Ebene erklären lassen.

closs
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#142 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von closs » Mi 29. Okt 2014, 00:11

Pluto hat geschrieben:Chalmers umgeht elegant das physikalische (perpetuum Mobile) Problem des cartesianischen Dualismus.
Wenn Descartes dementsprechend einen Fehlschluss gemacht haben SOLLTE, ändert das nichts an der Wucht seiner Erkenntnis. - Kann es sein, dass es dieses physikalische (perpetuum Mobile) Problem des cartesianischen Dualismus nur dann gibt, wenn man materialistisch ansetzt - also präjudiziert?

Pluto
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#143 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Pluto » Mi 29. Okt 2014, 00:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Chalmers umgeht elegant das physikalische (perpetuum Mobile) Problem des cartesianischen Dualismus.
Wenn Descartes dementsprechend einen Fehlschluss gemacht haben SOLLTE, ändert das nichts an der Wucht seiner Erkenntnis.
Du hast mich glaube ich, falsch verstanden.
Das "cogito" ist soweit voll Okay. Chalmers weiß, dass der cartesianische Dualismus (cogitans/externa) an sich tot ist, also postuliert er sein gewisses "Extra" und nennt es "The Hard Problem of Consciousness".

closs hat geschrieben:Kann es sein, dass es dieses physikalische (perpetuum Mobile) Problem des cartesianischen Dualismus nur dann gibt, wenn man materialistisch ansetzt - also präjudiziert?
Der cartesianische Dualismus verletzt den 2. Hauptsatz der Thermodynamik (Entropiesatz). Das ist Fakt.
Ob das dein Denken beeinflusst, kann ich nicht beurteilen.
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Andreas
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#144 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Andreas » Mi 29. Okt 2014, 00:32

Pluto hat geschrieben:Das "cogito" ist soweit voll Okay.
Das Cogito rechnet Chalmers wohl zu dem leichten Problem. Das Erlebnis (Qualia) ist das harte Problem. Also eher: "Ich leide/geniese, also bin ich."

Man könnte etwas salopp sagen, es geht ihm um das, was das ICH an die Materie bindet oder mit ihr verbindet. So hab ich das zumindest verstanden.

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#145 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Pluto » Mi 29. Okt 2014, 00:46

Andreas hat geschrieben:Das Erlebnis (Qualia) ist das harte Problem.
Nein. Sein Hauptproblem ist, wie er das "Extra" definieren soll.
Qualia lassen sich übrigens recht einfach erklären. Sie sind mentale Reaktionen auf körperliche iniziierte Empfindungen. Beispiel:
Die Schönheit eines Sonnenuntergangs erfassen wir mit den Augen. Das Bild erzeugt im Gehirn ein Wohlbefinden, was durch die Rückkopplung über die Sinne noch verstärkt wird, besonders dann, wenn noch andere wohltuende Reize hinzukommen.

Andreas hat geschrieben:Man könnte etwas salopp sagen, es geht ihm um das, was das ICH an die Materie bindet oder mit ihr verbindet. So hab ich das zumindest verstanden.
Das verstehe ich auch so. Dieses "Etwas", so meint Chalmers, sei der Ursprung des Bewusstseins, und nicht (wie du meinst), die Liebe. Liebe ist ein komplexes Gefühl wie viele andere auch (Wut, Freude, Hass...), die man genauso wissenschaftlich erfassen kann wie die "Qualia".
Bewusstsein ist aber auf einer anderen, höheren Ebene; es umfasst das ganze Gehirn gleichzeitig. Das macht Bewusstsein so schwer zu begreifen und zu modellieren.
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#146 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Andreas » Mi 29. Okt 2014, 00:58

Pluto hat geschrieben:Nein. Sein Hauptproblem ist, wie er das "Extra" definieren soll.
Qualia lassen sich übrigens recht einfach erklären.
Da lese ich was anderes.
David Chalmers hat 1995 den Ausdruck vom „schwierigen Problem des Bewusstseins“ (the hard problem of consciousness) geprägt. Darunter versteht er die Frage, warum es überhaupt Erlebnisgehalte – oder Qualia – gibt.

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#147 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von closs » Mi 29. Okt 2014, 08:23

Pluto hat geschrieben:Der cartesianische Dualismus verletzt den 2. Hauptsatz der Thermodynamik (Entropiesatz). Das ist Fakt.
Was Descartes sonst noch so alles von sich gegeben hat, weiss ich nicht. - Es wäre aber sehr, sehr gefährlich, würde man sich einreden, es könne keine geistige Existenz des Menschen unabhängig von seinem Daseins-Körper geben, weil es auf Basis eines Verständnisses x "Fakt" sei, dass dem nicht so sei. - Das klingt einmal mehr gefährlich nach Selbst-Immunisierung.

Pluto hat geschrieben:Sie sind mentale Reaktionen auf körperliche iniziierte Empfindungen.
Also doch eine materialistisch präjudizierte Geschichte.

Pluto hat geschrieben: Liebe ist ein komplexes Gefühl wie viele andere auch (Wut, Freude, Hass...)
Umgangssprachlich mag das so sein - spirituell ist "Liebe" etwas anderes.

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#148 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Pluto » Mi 29. Okt 2014, 10:14

closs hat geschrieben:Es wäre aber sehr, sehr gefährlich, würde man sich einreden, es könne keine geistige Existenz des Menschen unabhängig von seinem Daseins-Körper geben,
Warum gefährlich? :shock:
Ich verstehe wirklich nicht wie eine Erkenntnis der Natur für die menschliche Existenz gefährlich sein könnte. Wie erklärst du das?
Wenn etwas wirklich gefährlich war, dann der falsche Schluss aus dem cartesianische Dualismus, weil dies zu falschem Denken führte, und somit nachweislich für das Leid der vielen Patienten in den psychiatrischen Kliniken verantwortlich war.

closs hat geschrieben:weil es auf Basis eines Verständnisses x "Fakt" sei, dass dem nicht so sei. - Das klingt einmal mehr gefährlich nach Selbst-Immunisierung.
Das waren zwei wirklich große Herren (James Maxwell und Ludwig Boltzmann) die die statistischen Grundlagen für diesen Haputtsatz der Thermodynamik entwarfen. Bisher hat er sich jedenfalls in allen Lagen in der Natur bewährt.
Der gute Descartes wusste das einfach nicht, sonst hätte er seinen unmöglichen Dualismus nicht entworfen. Auch er war nicht unfehlbar. Aber die Menschen glaubten ihm, und so folgte das Leid der vielen Patienten in den Psychiatrien auf der Welt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Sie sind mentale Reaktionen auf körperliche iniziierte Empfindungen.
Also doch eine materialistisch präjudizierte Geschichte.
Hat mit Materialismus nichts zu tun, sondern basiert auf empirische Beobachtungen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Liebe ist ein komplexes Gefühl wie viele andere auch (Wut, Freude, Hass...)
Umgangssprachlich mag das so sein - spirituell ist "Liebe" etwas anderes.
Wirklich? :o Wie würdest du das begründen?
Wie kommst du auf die Idee, dass Liebe kategorial ein anderes Gefühl sein könnte, was einen besonderen Status verdient?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#149 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von ThomasM » Mi 29. Okt 2014, 10:27

Pluto hat geschrieben: Wie kommst du auf die Idee, dass Liebe kategorial ein anderes Gefühl sein könnte, was einen besonderen Status verdient?
Die Diskussion startete bei den Qualia, da ist Liebe nur ein Gefühl von vielen.

Wie willst du in einer materialistischen Welt zwischen einem, der ein Gefühl wirklich hat und einem, der nur so tut unterscheiden?
Das "nur so tut" ist ja gerade der Grund für die Konstruktion eines philosophischen Zombies. Der ist so konstruiert, dass er Qualia perfekt simuliert, aber keine Qualia hat.

Sind philosophische Zombies möglich, dann ist Qualia ein emergentes Phänomen, das sich nicht aus den materialistischen Gehirnstrukturen erklären läßt.

Gruß
Thomas
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#150 Re: Sind Computer intelligent?

Beitrag von Pluto » Mi 29. Okt 2014, 10:41

ThomasM hat geschrieben:Die Diskussion startete bei den Qualia, da ist Liebe nur ein Gefühl von vielen.
Eben. :)

Wie willst du in einer materialistischen Welt zwischen einem, der ein Gefühl wirklich hat und einem, der nur so tut unterscheiden?
Weil Qualia private Erlebnisse sind, ist das in der Tat schwierig.
You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time. - [Abraham Lincoln]

ThomasM hat geschrieben:Sind philosophische Zombies möglich, dann ist Qualia ein emergentes Phänomen, das sich nicht aus den materialistischen Gehirnstrukturen erklären läßt.
Ja. Dann wäre das so. Ich denke deshalb sind philosophische Zombies ausgeschlossen.
Die meisten unserer Gedanken sind Gedanken höherer Ordnung, dh. Gedanken über Gedanken. Laut dem Kognitions-Psychologen David Rosenthal, stets solche Gedanken nur als bewusste Zustände auf. Es bedarf also eines Bewusstseins um über Gedanken nachzudenken.

Gegenfrage:
Ist es möglich (oder gar wahrscheinlich), dass Computer, bei genügend hoher Komplexität ihrer Strukturen, eines Tages Bewusstsein erlangen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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