seeadler hat geschrieben:
aber ich kann nicht sagen, ob jenes oder das andere System oder sich gar beide Systeme voneinander entfernen. Ebenso kann ich auch nicht behaupten, dass sich nur das eine beschleunigt bewegt, oder gar beide,
Genau das ist die Grundaussage der Relativitätstheorie.
In Bezug auf Geschwindigkeiten ist das die spezielle Relativitätstheorie (Die Geschwindigkeit hängt ab von dem Bezugssystem, das ich wähle) und in Bezug auf Beschleunigungen ist das die allgemeine Relativitätstheorie.
seeadler hat geschrieben:
Und .... ich kann auch nicht sagen, dass sich die beiden Systeme selbst bewegen, oder sich lediglich der Raum zwischen ihnen vergrößert, und dies mit den genannten Eigenschaften.
Doch im Prinzip kann ich das sagen.
Lassen wir mal die Beschleunigung weg und konzentrieren uns auf den Fall, dass nur eine Geschwindigkeit zwischen zwei Systemen (sagen wir unserer Sonne und einer Galaxie) vorliegt.
Angenommen, ich bin in der Lage, die Entfernung zwischen den beiden Systemen mit einem Maßstab (z.B. dem wohlbekannten Zollstock) zu messen. Das mache ich zu einem Zeitpunkt t1 und einem Zeitpunkt t2. Ich stelle fest, dass ich zum Zeitpunkt t1 die Entfernung x1 messe und zum Zeitpunkt t2 die Entfernung x2.
Nun ist es ganz einfach.
Sind x1 und x2 verschieden, dann haben sich die beiden Systeme selbst bewegt. Das sollte dich nicht überraschen, denn das ist die Definition von Geschwindigkeit als Entfernungsänderung pro Zeitänderung.
Sind x1 und x2 gleich, dann haben sie sich nicht selbst bewegt. Wieso kann das denn vorkommen?
Nun, wenn sich der Raum zwischen den beiden Systemen vergrößert, dann vergrößert sich der Maßstab, mit dem ich Entfernung messe, in demselben Maß. Also werde ich keinen Unterschied in der Entfernung messen. Wenn sich der Raum ausdehnt, ändern sich die Entfernungen nicht.
Um den letzten Punkt klar zu machen, mache folgendes Experiment:
Blase einen Luftballon etwas auf und markiere zwei Punkte. Dann mache zwischen den beiden als Maßstab Striche, z.B. sind die Punkte drei Striche voneinander entfernt.
Jetzt blase den Luftballon weiter auf. Danach prüfe, wieviele Striche die beiden Punkte voneinander entfernt sind. Es sind immer noch drei! Mein Maßstab hat sich mit ausgedehnt.
Dass ein stärker aufgeblasener Luftballon "größer" ist, kann ich nur feststellen, wenn ich einen Maßstab nehme, der außerhalb des Luftballons existiert. Aber das ist das Problem mit dem Universum. Ich habe nichts, was außerhalb des Universums existiert.
Der letzte Punkt mag dich verblüffen, denn in den populären Darstellungen wird so getan, als würde sich die Entfernung zwischen den Systemen auf Grund der Ausdehnung des Universums vergrößern. Das stimmt aber nicht.
Das Problem liegt daran, dass ich die Entfernung zwischen der Sonne und einer weit entfernten Galaxie gar nicht direkt messen kann. Ich habe gar keinen Zollstock.
Das, was ich messe ist die Rotverschiebung des Lichts. Und da gibt es zwei Sorten:
- Rotverschiebung aufgrund der sich selbst bewegenden Systeme (Dopplereffekt)
- Rotverschiebung aufgrund der Ausdehnung des Raumes (kosmologische Rotverschiebung)
Hier liegt der Knackpunkt. Die Ausdehnung des Raumes erzeugt eine Rotverschiebung des Lichts, obwohl sich die Entfernung gar nicht ändert.
Wenn ich nun eine Rotverschiebung messe, dann ist die sehr schwierige Frage, welcher Anteil an der Rotverschiebung ist kosmologisch und welcher Anteil ist Dopplereffekt? Das lässt sich anhand einer einzelnen Messung NICHT beantworten.
Die Antwort kommt durch Vergleich. Messe ich eine ganze Menge von Galaxien, dann werden sich deren Bewegung alle unterscheiden, die Ausdehnung des Raumes ist aber für alle dieselbe. Solche Vergleiche hat man gemacht und dadurch den Anteil extrahieren können, der kosmologischen Ursprungs ist. Das ist eine recht mühsame und langwierige Arbeit
seeadler hat geschrieben:
Ich halte es also für sehr gewagt, zu behaupten, man wisse heute ganz genau, dass das Universum expandiert, und dafür gab es bereits einen Nobelpreis....
Ich hoffe, ich habe dir klargemacht, dass Physiker nicht dumm sind und sehr kritisch. Die Ausdehnung - und sogar die beschleunigte Ausdehnung - ist das beste Modell, was aktuell existiert, was die Messergebnisse reproduziert. Und das ist nicht nur eine einzelne Messung, sondern eine Sammlung von tausenden von Messungen.
Und ich hoffe, ich habe dir klargemacht, dass die Vergabe von Nobelpreisen ernst zu nehmen ist.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.