Die Kopftuch Affäre

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piscator
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#31 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von piscator » Do 29. Jan 2015, 13:33

closs hat geschrieben:Moslems haben eine jahrtausende-alte arabische Tradition mit entsprechender Kultur (egal, ob wir diese mögen oder nicht).
Wo genau ist diese Jahrtausende alte arabische Tradition sichtbar und was bringt die den Menschen heute? Ich bin zurzeit in Agadir. Da gibt es weder Buchhandlungen noch Konzertsäle. Nochmals die Frage: Worin genau besteht die arabische Kultur und wie ist die sichtbar?
Russland ist ein Kultur-Titan in Sachen Literatur und Musik - es ist eine unglaubliche Leistung, dass dieses Land eine höhere Alphabetisierungsrate hat als die USA. Und Forschungs-Macht sind sie auch.
Das ist unbestritten, aber ich wage mal zu behaupten, dass die auf Frankreich und Deutschland genau so zutrifft. Also nochmals: Wo ist uns Russland kulturelle überlegen und warum ist dies in der russischen Gesellschaft nicht sichtbar?
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closs
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#33 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 14:00

Janina hat geschrieben:. Hitler war NICHT demokratisch legitimiert.
O-o. - Er war demokratisch gewählt und erhielt im Namen des Volkes durch das Parlament seine Ermächtigung.

Janina hat geschrieben: Und ein Ermächtigungsgesetz als demokratisch legitimiert zu bezeichnen, das dadurch zustande kam, dass die Opposition zusammengeschlagen und weggesperrt wurde
Stimmt - die KPD wurde verboten (übrigens auch in der BRD :devil: ). - Wenn bei der Abstimmung 1933 nur die NPD gesessen wären, würde ich Dir zustimmen - aber da war die SPD (die dagegen gestimmt hat) und ParteiEN, die dafür gestimmt haben - alles Volksvertreter. - Davon abgesehen: Das Volk selbst als Souverän hat sich ja drüber gefreut.

Janina hat geschrieben:Ich entwickele plötzlich viel Sympathie für Militärputsche.
Nachvollziehbar - wobei wir wieder beim Thema 1) und 2) wären.

Janina hat geschrieben:Aber NUR!
Da müssten wir drüber reden, was "Kultur" ist. - Einfach die Beschreibung dessen, was gerade so läuft? - Oder etwas, was man qualitativ festmachen kann?

Janina hat geschrieben:Dadurch ist in der menschlichen Kultur etwas völlig neues entstanden, nämlich die Befreiung des Geistes.
Aber auch Befreiung vom Geist kann dadurch entstehen.

Janina hat geschrieben:Wage, dich deines Geistes zu bedienen. Wage den Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Das ist exakt mein Vorwurf an unsere westliche Gesellschaft - die Ent-Geistung und das Eintreten in geistige Unmündigkeit durch massen-mediale Verdummung.

Wenn Du kulturgeschichtlich guckst, wann die besten literarischen und musikalischen Werke entstanden sind, wirst Du feststellen, dass dies meistens NICHT in der Demokratie war. - Und ob das un-demokratisch unterdrückte Volk innerlich unfreier war als unser westliches heute, wollen wir mal lieber nicht fragen - die Antwort könnte ernüchternd sein.

Trotzdem sind wir uns wirklich einig, dass Demokratie alternativlos ist - der Mensch MUSS lernen, mit seiner Freiheit umzugehen. - Allerdings darf man auch nicht Opfer in Gestalt von Ent-Geistung ignorieren, das viele dafür bringen, ohne um dieses Opfer zu wissen.

Janina hat geschrieben:Das technisch-zivilisatorische Niveau, das wir haben, ist doch ohne Aufklärung, die Freiheit des Geistes, Erfindungen zu machen, gar nicht denkbar.
Die Freiheit des Geistes hat es zu allen Zeiten und selbst unter Diktaturen gegeben - vielleicht sollte man zwischen äußerer und innerer Freiheit unterscheiden.

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#34 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 14:10

Janina hat geschrieben:Ich ziehe den Hut vor dem russischen Volk.
Ich auch.

piscator hat geschrieben:Worin genau besteht die arabische Kultur und wie ist die sichtbar?
Du wirst in Agadir auch die Lebens-, Familien- und religiöse Kultur kennenlernen können - die gibt es. - Es ist allerdings keine internationalisierte Kultur, die nach unseren Maßstäben (Konzerthaus, etc.) messbar wäre. - Im Grunde ist hier die Frage: Was ist eigentlich Kultur? - Ein anderes Wort für technische Zivisilation oder ein geistiges Gut?

piscator hat geschrieben:Wo ist uns Russland kulturelle überlegen und warum ist dies in der russischen Gesellschaft nicht sichtbar?
Selbst wenn das nicht unbedingt repräsentativ ist - vielleicht zeigt es trotzdem, was damit gemeint ist:

Ich habe mich immer gewundert, dass in Moskau und St.Petersburg Theater-, Konzert-, Opernaufführungen oft auf 19:00 h terminiert sind. - Auf meine Frage wurde mir gesagt: "Bei uns ist es für jeden, der halbwegs etwas auf sich hält, wichtig und vor allem erstrebenswert, unsere Tolstois und Tschaikovskys und Schostakowitchs zu kennen. - Deshalb gehen viele einfachen Angestellten nach ihrer Arbeit noch mal schnell zu einer Aufführung, weil das für sie das Größte ist - man WILL gebildet sein". - Vergleiche das mal mit unserem westlichen Kulturbetrieb.

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#35 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von piscator » Do 29. Jan 2015, 14:35

closs hat geschrieben: Du wirst in Agadir auch die Lebens-, Familien- und religiöse Kultur kennenlernen können - die gibt es. - Es ist allerdings keine internationalisierte Kultur, die nach unseren Maßstäben (Konzerthaus, etc.) messbar wäre. - Im Grunde ist hier die Frage: Was ist eigentlich Kultur? - Ein anderes Wort für technische Zivisilation oder ein geistiges Gut?
Kultur muss im täglichen Leben der Menschen in irgendeiner Form messbar sein, dabei kann es sich um beispielweise eine reine Geisteshaltung handeln, aber auch um Regeln für den Umgang miteinander oder die allgemeine Gestaltung des Lebens. Und da finde ich in Agadir nichts besonderes, im Gegenteil. Natürlich gibt es (nicht in Agadir) historische Bauwerke en masse, aber die gibt es bei uns auch, wobei die Vielfalt bei uns deutlich höher ist. Ich erkenne bei den Menschen keine Philosophie als Leitbild für das Leben. Der Islam dominiert, lähmt, und das war es auch schon.
Ich habe mich immer gewundert, dass in Moskau und St.Petersburg Theater-, Konzert-, Opernaufführungen oft auf 19:00 h terminiert sind. - Auf meine Frage wurde mir gesagt: "Bei uns ist es für jeden, der halbwegs etwas auf sich hält, wichtig und vor allem erstrebenswert, unsere Tolstois und Tschaikovskys und Schostakowitchs zu kennen. - Deshalb gehen viele einfachen Angestellten nach ihrer Arbeit noch mal schnell zu einer Aufführung, weil das für sie das Größte ist - man WILL gebildet sein". - Vergleiche das mal mit unserem westlichen Kulturbetrieb.
Das mag ja sein, aber Hand aufs Herz: Ist das Leben in Russland deswegen erstrebenswert? Der enorme Gegensatz "reich gegen arm", das Fehlen von Infrastruktur außerhalb der Großstädte? Der Würgegriff der orthodoxen Kirche, die allgegenwärtige Korruption? Diese Art der Kultur scheint mir doch sehr stark segmentiert.
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#36 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 15:23

piscator hat geschrieben:. Ich erkenne bei den Menschen keine Philosophie als Leitbild für das Leben.
An wem liegt das? - Möglicherweise ist ihre Religiosität Leitbild für ihr Leben. - Es gibt einen christlichen Spruch: "Lebst Du auf das Einsammeln von Gütern hin oder auf ein seliges Sterben hin?" - Sicher ist beides das beste (und das Erleben der Fülle des Dasein ist christlicherweise ja ausdrücklich gewollt) - aber kann es nicht sein, dass Säkularität und Islam diesbezüglich Extreme sind und sich deshalb so bekämpfen?

piscator hat geschrieben: Ist das Leben in Russland deswegen erstrebenswert?
Im Zweifelsfall würde ich als materiell gerade so ausreichend Ausgestatteter lieber aus den Dir genannten Gründen in die USA als nach Russland ziehen - wiewohl mir die russische Kultur innerlich näher steht.

Und vergiss nicht: Das ist ein riesiges Land - da sind die Lebensgesetze anders. - Daran würde auch eine "lupenreine Demokratie" nichts ändern.

piscator hat geschrieben:Der Würgegriff der orthodoxen Kirche
Nee - der große Integrator. - Für die Russen ist die Orthodoxie das, was Russland zwischen St-Petersburg und Wladiwostok zusammenhält. - Russen sind religiöser als der Westen (ist ja auch kein Kunststück). - Wie arme Menschen fast immer religiöser sind als reiche - weil sie in Innerlichkeit gezwungen werden durch Not. - Das westliche System funktioniert nur, weil genug Geld da ist, um es zu füttern.

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#37 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von Janina » Do 29. Jan 2015, 15:34

piscator hat geschrieben:Ist das Leben in Russland deswegen erstrebenswert? Der enorme Gegensatz "reich gegen arm", das Fehlen von Infrastruktur außerhalb der Großstädte? Der Würgegriff der orthodoxen Kirche, die allgegenwärtige Korruption? Diese Art der Kultur scheint mir doch sehr stark segmentiert.
Ich denke mal, da jammerst du auf hohem Niveau. Der Würgegriff der Mullahs ist anderswo schlimmer, die Korruption ist in sandigen Gebieten so legendär, dass Russland dagegen goldener Westen ist.

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#38 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von piscator » Do 29. Jan 2015, 16:17

An wem liegt das? - Möglicherweise ist ihre Religiosität Leitbild für ihr Leben.
Ich denke eher, dass der Islam dazu benutzt wird, die Menschen an ihrer Entfaltung zu hindern. Schau dir das Beispiel der Saudis an, da dürfen die Frauen ohne männliche Begleitung nicht mal aus dem Haus. Das ist in meinen Augen keine Kultur, das ist .....
Es gibt einen christlichen Spruch: "Lebst Du auf das Einsammeln von Gütern hin oder auf ein seliges Sterben hin?" - Sicher ist beides das beste (und das Erleben der Fülle des Dasein ist christlicherweise ja ausdrücklich gewollt) - aber kann es nicht sein, dass Säkularität und Islam diesbezüglich Extreme sind und sich deshalb so bekämpfen?
Im Christentum gibt es den Spruch "ora et labora", außerdem leitet das Christentum den Menschen an, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im Islam betet am 5x am Tag und das war`s. Das ist nicht das Streben angesagt, sondern Fatalismus.
Nee - der große Integrator. - Für die Russen ist die Orthodoxie das, was Russland zwischen St-Petersburg und Wladiwostok zusammenhält. - Russen sind religiöser als der Westen (ist ja auch kein Kunststück). - Wie arme Menschen fast immer religiöser sind als reiche - weil sie in Innerlichkeit gezwungen werden durch Not. - Das westliche System funktioniert nur, weil genug Geld da ist, um es zu füttern.
Dann sollten wir mal fragen, warum der Westen Geld hat und erfolgreicher ist. Das haben wir mit dem Christentum zu verdanken. Außerdem sollte man die Frage stellen, warum es junge Leute aus dem arabischen Raum nach Europa zieht und keine gegenteilige Strömung zu erkennen ist? Ich kenne niemanden, der freiwillig nach Russland, Saudi-Arabien, dem Jemen oder nach Ägypten geht und wenn es beruflich denn sein muss, dann zählt man die Tage bis zur Rückkehr.
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#39 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 17:20

piscator hat geschrieben:Schau dir das Beispiel der Saudis an, da dürfen die Frauen ohne männliche Begleitung nicht mal aus dem Haus.
Unakzeptabel - das sind wir uns einig.

Schau Dir das Beispiel der Deutschen an, da gelten Frauen als rückständig, wenn sie jung Kinder bekommen. - Das ist aus anderer Sicht unakzeptabel.

Das soll keine direkter Vergleich sein, sondern nur darauf hinweisen, dass kulturelle Maßstäbe sehr unterschiedlich sein können. - Was glaubst Du, wie oft ich in der Bredouille war, wenn ein Chinese, Russe oder Moslem mich gefragt hat: Ist DAS (und dann kam irgendwas, was man aufgeschnappt hatte) bei Euch im Westen normal? - Ich musst dann oft sagen: Ja.

piscator hat geschrieben: außerdem leitet das Christentum den Menschen an, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen
Das macht der Islam auch. - Nur unterstellt man (im Idealfall) sein Handeln dem "Ad maiorem Dei gloriam" - verpflichtet sich also, sein Handeln dem (göttlichen) Gewissen zu unterstellen. - Insofern sind sich Christentum und Islam durchaus ähnlich.

piscator hat geschrieben:Im Islam betet am 5x am Tag und das war`s.
Woher willst Du das wissen? - Warum ist das Handels-, Handwerks- und Bank-Wesen der Araber so bekannt? - Auch Türken sind außergewöhnlich produktive Menschen. - Aber sie haten auf ihre Weise halt andere Rahmenbedingungen - und vielleicht mehr religiöse als materialistische Orientierung.

piscator hat geschrieben: Außerdem sollte man die Frage stellen, warum es junge Leute aus dem arabischen Raum nach Europa zieht und keine gegenteilige Strömung zu erkennen ist?
Weil man den materiellen Reichtum sieht, ihn haben will (auch Moslems sind verführbar), aber nicht die geistigen Opfer kennt, die man damit zu bringen hat. - Oder auch, wenn man Profi ist, dass man seine Kohle macht, sich aber geistig nicht verbiegen lässt.

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#40 Re: Die Kopftuch Affäre

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 18:11

closs hat geschrieben:Andererseits ist Kultur nicht demokratisch machbar.
Nicht nur, denn die wichtigste Komponente scheint mir der Pluralismus zu sein.

Rhetorische Frage: Warum war Baghdad im Mittelalter das Kulturzentrum der Welt und nicht Peking mit seinem Potential an Hirnmasse (Menschen)?
Weil Baghdad eine freiheitliche Regierung hatte, die zum Symbol der Meinungsfreiheit, und die Stadt zum Schmelztiegel unterschiedlicher Völker wurde, während Peking in einem Morast von Monarchie und Tradition erstickte: vereinfacht gesagt, es gab keine Befruchtung von Außen.

Columbus war Italiener. Um seine Entdeckung zu finanzieren wandte er sich erst an die Kaufleute seiner Heimatstadt Genua, dann an den spanischen König, und erhielt schließlich die Unterstützung Portugals. Die Entdeckung gelang also auf Grund der Pluralität und Rivalität eines geistig zersplitterten Europa. So was wäre in China undenkbar gewesen.

Dasselbe trifft auch auf die USA zu.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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