Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Politik und Weltgeschehen
ThomasM
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#1 Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von ThomasM » Do 15. Jan 2015, 12:22

Ein netter Artikel über ein gesellschaftliches Paradoxon

http://www.zeit.de/zeit-magazin/2015/01 ... pitalismus
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#2 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Do 15. Jan 2015, 17:01

ThomasM hat geschrieben:Ein netter Artikel über ein gesellschaftliches Paradoxon
Das könnte daran liegen, dass die Menschen unter Kapitalismus nicht den Handwerks-Betrieb und den Mittelstand meinen, sondern Banken und Konzerne. Dann ist das Paradoxon ziemloich entschärft.

Abischai
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#3 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Abischai » Do 15. Jan 2015, 23:15

Die "liberale" Ansicht, völlig freie Märkte würde sich allein regulieren, ist bedauerlicher Glaube an Selbstheilungskräfte in der Wolfsnatur des Menschen, es ist konsequent zu Ende gedachtes Evolutionsdenken auf gesellschaftlichem Gebiet, was ich als Christ entschieden ablehne.

Und dieser Glaube an den Markt und die Umsetzung dieses Glaubens = Kapitalismus. Und dieser Kapitalismus ist menschenverachtend, gottverachtend, egoistisch etc.
Ich halte nicht viel von Karl Marx, aber sein Satz: "ab 300% Profit wird Kapital kühn..." hat schon was...

Wenn heute und hier jemand den "Kapitalismus" verteidigt, dann meint er sicher den sozialen Anteil der trotz Kapitalismus noch nicht ganz in den Boden getreten worden ist.
Wir sind das gewöhnt und können hier besser leben als in Rotchina. Wer also den Kap. verteidigt, weiß offenbar nicht, was das eigentlich ist.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

Novas
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#4 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Novas » Fr 16. Jan 2015, 08:03

Was ist mit dem Satz: "Glücklich die, welche die Armut wählen". (Matthäus 5, 3) aus geistlichér Perspektive gemeint? Das ist, meiner Ansicht nach, keine geistlose Trennung zwischen "reich" und "arm". Gemeint ist, dass die Leere des Habens in die Fülle des Seins verwandelt werden kann. Im Wunsch, dass Gerechtigkeit herrschen möge, werden die ersten Atemzeichen einer neuen Menschheit sichtbar. Der Wunsch ist naturgemäß dort besonders stark, wo ein Verlangen nach Heilung und Veränderung existiert.

Es gibt das Gleichnis vom verlorenen Sohn, der zum Vater heim kehrt, nachdem er sein ganzes Geld, sein Erbe verprasst hatte und gescheitert war und als Bettler und Schweinehirte leben musste. Aus Sicht der Welt ein Versager. Doch als er zum Vater heimkehrt, da ist er so froh darüber, dass er ihn sofort neu einkleidet und ein Fest veranstaltet, um die Liebe zu feiern.

Deshalb ist die Erzählung vom verlorenen Sohn - biblisch gewendet - auch die Erzählung von der Liebe des Vaters, die erst jetzt in der völligen Offenheit des Sohnes Platz findet, weil er alles versucht und alles verloren hatte, was sein "Ego" für wichtig hielt. Der Vater reagiert nicht im Schema von "Arm" und "Reich", "ich bin Besser" und "Du bist Schlechter", sondern in der Liebe, die die ganze Zeit den Sohn erwartet hat und ihn sofort mit offenen Armen empfängt.

Das Evangelium zeigt uns eine neue Perspektive: die wirklich Armen sind jene, die zwar viel Haben, aber wenig sind. Und diejenigen, die auch dann viel sind, wenn sie wenig haben, sind wahrhaft reich. Das sind (christlich gesprochen) die Kinder Gottes, mit denen wirkliche Freiheit und Heilung in die Welt kommt. Denn sie kennen den Geist der Liebe, der das Leben erst wirklich heil, lebendig und bedeutungsvoll macht.

Novas
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#5 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Novas » Fr 16. Jan 2015, 08:49

closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Ein netter Artikel über ein gesellschaftliches Paradoxon
Das könnte daran liegen, dass die Menschen unter Kapitalismus nicht den Handwerks-Betrieb und den Mittelstand meinen, sondern Banken und Konzerne. Dann ist das Paradoxon ziemloich entschärft.
So ist es. Dass die Bibel Armut und arme Menschen nicht glorifiziert, sieht man an Christus - man nannte ihn einen "Fresser" und "Säufer", weil er das Leben auch in vollen Zügen genießen konnte. ;) Dennoch gilt die erste Seligpreisung der Armut, sie ist die Schwelle, über die wir ins "Reich Gottes" gelangen, denn der Baum des Lebens muss sich von seinen Wurzeln her erneuern, im Geist derer, die Veränderung ersehnen und sie wirklich zu schätzen wissen. Sie ist die Bedingung seiner Möglichkeit.

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stan
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#6 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von stan » Fr 16. Jan 2015, 12:11

Hallo!

@Abischai: mal abgesehen davon, dass sein Religions-Statement auch was hat, dass das Kapital kühn wird, gilt für 200% Profit. Ab 300% gibt es lt. Marx kein Verbrechen, welches d. Kapital nicht begeht, um diesen Profit zu erzielen.

Tschüß

Stefan

michaelit
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#7 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von michaelit » Fr 16. Jan 2015, 13:12

Es gibt die Armut die sich normal und richtig anfühlen kann, und die Armut die auszehrt und schlimmes Leiden bedeutet. Ich bin ja in der ehemaligen DDR aufgewachsen und wir hatten vom Wohlstand her ungefähr die Hälfte von dem was wir heute haben. Und es lief gut damit, ganz ohne Verklärung kann ich sagen daß wir meistens gut drauf waren und ein gutes Leben hatten. Ganz konkret gesehen macht es viel aus ob ich jeden Tag eine Tafel Milka essen kann wenn ich das will, oder ob ich nur zu Weihnachten mal eine kriege. Genauso eigentlich mit vielen anderen Lebensmitteln und Konsumartikeln. Denn eigentlich muß Konsum ja auch irgendwie gefeiert werden damit er etwas taugt. Auch von der Religion her, man muß richtig empfangen, wenn man es nur nebenbei ißt und Mangel gar nicht mehr kennt und wenn es dann nichts Besonderes mehr gibt wird es öde und schal im Leben. Ich denke darauf nahm auch Jesus Bezug, er sprach gegen Ungerechtigkeiten und wollte keine totale Armut für uns, aber so materiell überfließend reich wollte er uns auch nicht haben. Da wird man nur fett und griesgrämig davon. Und eventuell sogar krank und depressiv.

R.F.
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#8 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von R.F. » Fr 16. Jan 2015, 13:19

Wirtschaftliche Ungerechtigkeit ist nur wenig davon abhängig, ob die Wirtschaft einer Gesellschaft mehr kapitalistisch oder sozialistisch organisiert ist...

Wer macht sich schon Gedanken über die Herkunft der 100 bis 200 Billionen Dollar Schulden der USA? Oder die Großbritanniens oder die Frankreichs, deren Höhe kaum bekannt ist (gemeind sich öffentliche und private Schulden)? Die genannten Länder haben nach dem letzten Weltkrieg recht schnell die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erkannt. Und auch die Leistungsbereitschaft der Deutschen...Napoleon Bonaparte wunderte sich über die deutsche Eigenart, das zu glauben, was die Obrigkeit sagt. Selbst der Hinweis van Rompuys auf die im Grunde systemwidrige “Steuervermeidung”, was in europäischen Ländern zu Mindereinnahmen in Höhe von rd. einer Billion Euro/ Jahr führt, blieb in deutschen Medien weitgehend ohne Resonanz. Das Wort “Lügenpresse” trifft die heutige Lage recht deutlich.

Selbstverständlich wissen die Regierungen auch von den Unmengen von in Drittländern angelegten Geldes, dessen Erträge in keiner europäischen Steuererklärung erscheinen, wodurch Steuern also nicht etwa “vermieden”, sondern hinterzogen werden...

Das Grundübel aller Gesellschaften, ob kapitalistisch oder sozialistisch ausgerichtet, beschreibt Jakobus:

Jakobus 5,1-6 (Schlachter):

Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über das Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault und eure Kleider sind zum Mottenfraß geworden; euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird gegen euch Zeugnis ablegen und euer Fleisch fressen wie Feuer. Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen!
Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euch die Felder abgemäht haben, der aber von euch zurückbehalten worden ist, er schreit, und das Rufen der Schnitter ist dem Herrn der Heerscharen zu Ohren gekommen! Ihr habt euch dem Genuss hingegeben und üppig gelebt auf Erden, ihr habt eure Herzen gemästet wie an einem Schlachttag! Ihr habt den Gerechten verurteilt, ihn getötet; er hat euch nicht widerstanden.

Jakobus gibt in wenigen Worten wieder, wozu die Volkswirtschaftslehre ganze Bibliotheken braucht, um Studenten von dieser Grundtatsache abzulenken...

Übrigens: Wäre auch nur die Hälfte des von Deutschen ins Ausland verbracht Geld hier geblieben, ein jeder Mitbürger wäre um etwa 150.000 Euro “reicher”. Arbeitslosigkeit und Armut wären in Deutschland Fremdwörter...

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sven23
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#9 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von sven23 » Fr 16. Jan 2015, 16:15

Zum Kapitalismus und der gößer werdenden Schere zwischen arm und reich ein Literaturtip von Thomas Piketty "Das Kapital", das für großes Ausehen gesorgt hat, weil es auch von Nobelpreisträgern als lesenswert empfohlen wurde.

Die Sendung "Scobel" nimmt sich des Themas an:

http://www.3sat.de/mediathek/index.php? ... &obj=48744
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

JackSparrow
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#10 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von JackSparrow » Fr 16. Jan 2015, 22:23

Abischai hat geschrieben:Die "liberale" Ansicht, völlig freie Märkte würde sich allein regulieren, ist bedauerlicher Glaube an Selbstheilungskräfte in der Wolfsnatur des Menschen
Ich glaube das ergibt sich aus rein mathematischen Gründen.

Wir sind das gewöhnt
Wir sind an Privateigentum gewöhnt, und Privateigentum ist Kapitalismus.

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