Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Politik und Weltgeschehen
Pluto
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#1 Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Pluto » Do 30. Apr 2015, 19:39

Am 10. Januar 2015 twitterte Naina Kümmel: Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen. "Ich hatte mich an dem Tag damit beschäftigt, was ich nach dem Abi machen möchte", erzählt die Schülerin. "Also: Möchte ich von zu Hause ausziehen? Und was kommen da für Pflichten auf mich zu? Und dann ist mir aufgefallen, dass ich davon wirklich wenig weiß."
Dass sie damit eine deutschlandweite Debatte über das Schulsystem auslösen würde, damit hatte die Abiturientin nicht gerechnet.
[...]
Dominik Riem ist ein guter Schüler, im Leistungskurs hat er Mathematik, seine Abi-Vornote ist 0,9. Selbst er sagt: "Einige Fragen haben mich überrascht. Ich würde sagen, wir haben in der Schule nicht so ganz praktische Fragen."
[...]
stern TV hat sich deshalb mit Oberstudiendirektor Franz Peter Wirtz und Kommunikationswissenschaftler Dr. Peter Kruck einen Test überlegt und das Studiopublikum gegen Abiturienten antreten lassen...
[Quelle: Wie Abiturienten auf das echte Leben vorbereitet werden]
Eine interessante Frage.


Werden in der Schule (Gymnasium) falsche Akzente gesetzt?
Sollten Schulen den Kindern mehr praktisches Wissen vermitteln?
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closs
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#2 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von closs » Do 30. Apr 2015, 20:23

Pluto hat geschrieben:Werden in der Schule (Gymnasium) falsche Akzente gesetzt?
Es sollten je nach Schultyp UNTERSCHIEDLICHE Akzente gesetzt werden. - Dies war aus meiner Sicht vor 50 Jahren besser, weil man damals noch zwischen "Bildung" und "Ausbildung" unterschieden hat.

Damals gab es (in Bayern) 9% Abiturienten, weil die Universitäten als Zugangskriterien auch Bildungs-Kriterien hatten - man erinnere sich, dass damals auch Ärzte ein "Studium Generale" haben mussten. - Wer anspruchsvolle technische Berufe (etwa Ingenieur) ausüben wollte konnte auch über die Fachoberschulen an Fachhochschulen gehen.

Heute haben wir ca. 50% Abiturienten :devil: - man strebt sogar 60% an - und spricht sogar bei dieser Gruppe von "Akademikern" - also eine komplette Entwertung dieses Begriffs. - Weiterhin hat man den Unterschied zwischen "Bildung" und "Ausbildung" abgeschafft - man nennt jetzt alles "Bildung". - Das führt natürlich zu einem sprachlichen Kuddelmuddel.

Insofern ist auch Deine Frage schwer zu beantworten. - Denn wenn das Gymnasium heute ein 60%-Ort sein soll, gibt es eigentlich keinen Unterschied mehr zu dem, was man früher "Volkssschule" genannt hat. - Insofern habe ich tatsächlich keine Antwort.

Nida-Rümelin hat übrigens festgestellt (ZEIT letzte Woche), dass der BA-Abschluss in vielen Fällen nicht einmal zur Studien-Befähigung ausreicht - auf gut deutsch: Wer vor 50 Jahren ein Abitur hatte, war studienbefähigter (= in der Lage, ein Studium zu BEGINNEN!!!) als einer, der heute ein BA absolviert, also seine "Studien"-Karriere abschließt und sich damit Akademiker nennen kann. - Tohubahohu.

jsc
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#3 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von jsc » Do 30. Apr 2015, 21:09

Hallo,

ich glaube nicht, dass das Mädchen diesen Spruch "erfunden" hat, weil ich den zumindest ähnlich schon vor Jahren mal auf einer englischen Website (Meme) gelesen habe. Das Gefühl scheint also schon länger zu bestehen. Es gibt nichts neues unter der Sonne...

Gruß

2Lena
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#4 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von 2Lena » Fr 1. Mai 2015, 12:07

Pluto hat geschrieben:Werden in der Schule (Gymnasium) falsche Akzente gesetzt?
Sollten Schulen den Kindern mehr praktisches Wissen vermitteln?

Meine Großmutter und meine Mutter haben schon gestöhnt, als sie die Hausaufgaben sahen. Ihre lakonische Antwort war: "Ich könnte das nicht ..." Das hat natürlich nur angespornt. Es steckte so viel Bewunderung für die "hohe Wissenschaft" drin.

Anders verlief das mit meiner Enkelin. Als ich die Hausaufgaben sah, packte mich einfach nur die Wut. Der ganze Familienrat, einschließlich studierte Doktoranden, muss sich treffen, um das ausgeklügelte pädagogische System zu bewältigen, das frühere Generationen nur mit Schiefertafel und Griffel hinbekamen. Das waren auch keine Dummis.

Nun gebe ich ab und zu "eigenen" Nachhilfeunterricht. Wenn sie selbstgeschneiderte Röcke (mit neun Jahren!) vorlegt, zeige ich Nahtsysteme. Das lernt man in der Schule nicht. Ich mache auf die Zusammenhänge in der Natur aufmerksam. Das lernt man in der Schule nicht. Die sitzen nur in Klassenzimmern. Ich drehte mit ihr einen Puppenfilm. Das lernt man in der Schule nicht. Dort kommen die Kinder zum Zuhören hin. Die Puppen aber durften sprechen und ihre Sachen erzählen.

Die Mutter lernt ihr Kochen. Das lernt man in der Schule nicht. Sie nimmt sie auf Reisen mit. Das geht nicht mit Schulen. Sie spielt mit ihr Flöte und Zither. Das kommt in der Schule nicht vor. Wer darf dort schon lustige eigene Reime entwickeln?

Im allgemeinen Wahn der Berufstätigkeit glaubte man, die Kinder in die Schule stecken, durchprügeln bis zum Abitur, das reicht schon zum Leben ... Doch dann sitzen fertige Akademiker in den Arbeitsämtern auf der Wartebank. Sie nehmen nach viel Entbehrungen als studierter Betriebswirt schießlich eine Stelle, die früher Leute mit achtjähriger Volksschule hatten.

Die heutigen "Bildungsgespräche" sind nicht allein ein Problem der Schulen, sondern die Vorstellung der Gesellschaft, die ein "Idol" hochgejubelt hat. Das hat (gestützt von ein bisschen Kapitel) entsprechende Früchte. Die Früchte kamen halt:
Riesige Maschinen, große Bankbauten und Versicherungen - kaum noch Gärten, voll Musik.

Die Vielzahl der technischen Leistungen braucht natürlich eine umfangreiche Ausbildung und auch eine entsprechende Pflege der Erfahrung. Doch das sind nur einige Spezialgebiete.

Bei dem Allgemeinwissen aus den Schulen wären die Meisten - schon bei heutiger Lebensweise - im Falle einer Naturkrise oder eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs - nicht in der Lage mit dem zu überleben oder auch nur ganz wenig von der Kultur den nächsten Generationen weiterzugeben.

Pluto
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#5 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Pluto » Fr 1. Mai 2015, 12:14

2Lena hat geschrieben:Bei dem Allgemeinwissen aus den Schulen wären die Meisten - schon bei heutiger Lebensweise - im Falle einer Naturkrise oder eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs - nicht in der Lage mit dem zu überleben oder auch nur ganz wenig von der Kultur den nächsten Generationen weiterzugeben.
Da stimme ich dir ohne Vorbehalt zu.
Es gibt nur noch ganz wenige Menschen die in der Lage sind, sich allein von der Natur zu ernähren und erhalten. Wir sind sozusagen Gefangene der modernen Kultur und Technik.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Salome23
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#6 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Salome23 » Fr 1. Mai 2015, 12:46

Pluto hat geschrieben: Es gibt nur noch ganz wenige Menschen die in der Lage sind, sich allein von der Natur zu ernähren und erhalten.
Andersrum: Was wäre, wenn alle es tun würden, also rein sich von dem ernähren und erhalten, was die "Natur" hervorbringt(nicht der Mensch erfindet oder heranzüchtet)

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#7 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Pluto » Fr 1. Mai 2015, 13:09

Salome23 hat geschrieben:Was wäre, wenn alle es tun würden, also rein sich von dem ernähren und erhalten, was die "Natur" hervorbringt(nicht der Mensch erfindet oder heranzüchtet)
Dann wäre die ganze Kultur des Menschen "futsch".
Die Meisten (Weicheier) würden sterben und die wenigen Überlebenden würden wieder zu Sammlern und Jägern.

Nein... du hast Recht Salome, es ist eine Utopie. Neulich sagte Jemand, ein Europäer braucht 1500 Quadratmeter Land und sich zu ernähren. Das klingt nicht nach viel, ist aber bei den prognostizierten 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050, mehr als die Erde an bebaubarem Land zu bieten hat.

Doch zurück zum Thema...

An den Schulen und Hochschulen werden schon immer falsche Akzente gesetzt. Dort werden Akademiker regelrecht "gezüchtet".
Von dem was ich an der Uni gelernt habe konnte ich in meinem Arbeitsleben nur sehr wenig wirklich einsetzen. Das lernte ich erst, als ich meine erste richtige Stelle bekam.
Trotzdem bereue ich nicht studiert zu haben. Das Wichtigste was ich dort gelernt habe, waren die Techniken des Suchens nach Informationen die Wissen schaffen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#8 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Salome23 » Fr 1. Mai 2015, 13:20

Pluto hat geschrieben:Dann wäre die ganze Kultur des Menschen "futsch".
Oder die vorhandenen Ressourcen kürzester Zeit futsch- bedenke die momentane Anzahl der Menschen weltweit...
Die Natur ist nicht in der Lage, ihren Produktionsrhytmus dem Menschen anzupassen-da hilft der Mensch zur Zeit auf seine Art nach , wie etwa Massentierhaltung.
Aber wir könnten umsteigen und zum Allesfresser mutieren= die Jungen meiner Katzen fressen, die Tauben auf dem Dach fressen, Grillen und Käfer panieren (sehr proteinreich) Ameisenjagd(fürs Frühstück) usw.

Pluto
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#9 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Pluto » Fr 1. Mai 2015, 13:41

Salome23 hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dann wäre die ganze Kultur des Menschen "futsch".
Oder die vorhandenen Ressourcen kürzester Zeit futsch- bedenke die momentane Anzahl der Menschen weltweit...
Die Natur ist nicht in der Lage, ihren Produktionsrhytmus dem Menschen anzupassen-da hilft der Mensch zur Zeit auf seine Art nach , wie etwa Massentierhaltung.
Vergiss nicht die industriell hergestellten Düngemittel.

Salome23 hat geschrieben:Aber wir könnten umsteigen und zum Allesfresser mutieren
Wir sind doch schon "Allesfresser". Aber das reicht nicht. Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, vor allem in die Richtung Ressourcen einzusparen. Es gibt in der Natur Proteinquellen die wir noch nicht angezapft haben. Z. Bsp. sind Insekten eine sehr Proteinhaltige Nahrung. Dazu gibt es hier schon einen Extra-Thread.

Salome23 hat geschrieben:= die Jungen meiner Katzen fressen,
Stimmt. :devil:
Wenn wir uns aber mit Insekten begnügen, können wir das Essen deiner Kätzchen eine Weile hinauszögern. Aber irgendwann wird Schluss sein, dann wird Darwin Recht gehabt haben, als er sagte:

  • Es besteht eine konstante Tendenz allen beseelten Lebens, sich so weit zu vermehren, daß die verfügbare Nahrung nicht ausreicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Salome23
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#10 Re: Lehrt man an den Schulen das Falsche?

Beitrag von Salome23 » Fr 1. Mai 2015, 13:48

Pluto hat geschrieben: Aber irgendwann wird Schluss sein,...
Nicht, wenn sich das Verhalten der Menschheit ändern würde und diese ihren Verstand mal benützen würde...
Darwin hatte wohl erahnt, dass dies nie eintreffen würde :geek:
Selbst Jesus Lehre konnte diesbezüglich nichts bewirken...
Der "Teufel" hat sogar manchem Amish den Kopf verdrehn können, so dass diese vom Wege abkamen :mrgreen:

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