Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Politik und Weltgeschehen
closs
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#31 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Mi 13. Mai 2015, 00:06

Pluto hat geschrieben: Tatsächlich ist Ethik bereits unter Tieren vorhanden
Aber nur dann, wenn man "Ethik" so definiert, dass Tiere darunter sein können. - Und schon sind wir in den ungeklärten Grundsatzfragen über Begriffe wie Geist, Ethik, Moral, Bewusstsein,etc., deren Definition darüber entscheidet, welche Weltanschauungen bedienbar sind. - Wir diskutieren nach wie vor über (Denk-)Systeme - und vielleicht geht es ja gar nicht anders.

Pluto
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#32 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Pluto » Mi 13. Mai 2015, 00:14

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Tatsächlich ist Ethik bereits unter Tieren vorhanden
Aber nur dann, wenn man "Ethik" so definiert, dass Tiere darunter sein können.
Ich verstehe den Punkt nicht. Es hat absolut nichts mit der Definition zu tun.
Man kann die genau gleichen Muster entdecken. Egoismus, Nächstenliebe, Gruppenzusammengehörigkeit, soziale Kompetenz, Xenophobie...
Nenne mir eine ethische Regel, und ich geb dir dass Gegenstück in der Tierwelt.

closs hat geschrieben:Und schon sind wir in den ungeklärten Grundsatzfragen über Begriffe wie Geist, Ethik, Moral, Bewusstsein,etc.,
Puh...! Das sind viele Themen. Bleiben wir mal bei Ethik und Moral.

closs hat geschrieben:deren Definition darüber entscheidet, welche Weltanschauungen bedienbar sind.
Moral und Ethik haben mit Weltanschauung nichts zu tun.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#33 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Mi 13. Mai 2015, 00:56

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe den Punkt nicht. Es hat absolut nichts mit der Definition zu tun.
Doch - schon - aber das ist ja kein Mangel. - Deine Beispiele für "Ethik" beziehen sich auf gruppen-dynamische Prozesse: Was passiert in der Gruppe und wie geht man so damit um, dass die Gruppe als Ganzes funktioniert. - Das ist voll ok und entspricht dem Gedanken des staatlichen Ordnungs-Auftrags.

Verständnisfrage: Passen Begriffe wie "Feindesliebe" in den Begriff der Ethik?

Pluto hat geschrieben:Bleiben wir mal bei Ethik und Moral.
Tun wir auch - sonst haben wir das Thread-Thema in nullkommanix gesprengt. - Mit ging es lediglich um den Hinweis, dass wir innerhalb eines definierten Claims diskutieren, der abgeschirmt ist von universalen Fragestellungen.

Pluto hat geschrieben:Moral und Ethik haben mit Weltanschauung nichts zu tun.
Doch - schon - bei Kannibalen kann es ethisch/moralisch ok sein, Gruppen-Mitglieder zu verspeisen. - Bei anderen Gruppen kann es ethisch/moralisch ok sein, Menschenopfer zu bringen. - Bei wieder anderen Gruppen kann es moralisch/ethisch sein, Honosexualität als norm-konform zu verstehen. - Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

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Savonlinna
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#34 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Savonlinna » Mi 13. Mai 2015, 01:23

closs hat geschrieben: Lassen wir mal das Christentum als solches weg und schauen auf Röm. 2,14, wo im Grunde steht: "Wer Gott hat, braucht keine Bibel". - Das gälte durchaus auch für das von Pluto zitierte "innere Gesetz".
Die Schwierigkeit für mich ist, dass manche Christen das, was mein inneres Gesetz verbietet, für erlaubt halten.
So ist mein inneres Empfinden klar und deutlich bezüglich Krieg:
Was dort geschieht, ist Mord.
Als ich das in einem Essay schrieb, wurde das von einem katholischen Theologen zensiert, es wurde ausgebessert. 'Das Töten im Krieg sei kein Mord, sondern einfach nur Töten.'
Ich habe, wie man mich kennt, dagegen einen Aufstand gemacht, mit dem Ergebnis, dass der Essay nicht veröffentlicht wurde.

Darum glaube ich nicht daran, dass die eigenen inneren Gesetze mit denen der Bibel oder gar der Theologen übereinstimmen.
Dennoch denke ich, dass das Gebot "Du sollst nicht töten" uns sensibilisiert hat dafür, welche inneren Gesetze wir haben.
Einverstanden?

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Savonlinna
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#35 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Savonlinna » Mi 13. Mai 2015, 01:38

Pluto hat geschrieben: Nenne mir eine ethische Regel, und ich geb dir dass Gegenstück in der Tierwelt.
"Der Mensch soll über sich hinaus schaffen".
Und nun Du: das Gegenstück in der Tierwelt?

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#36 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Mi 13. Mai 2015, 02:09

Savonlinna hat geschrieben:Die Schwierigkeit für mich ist, dass manche Christen das, was mein inneres Gesetz verbietet, für erlaubt halten.
Diese Schwierigkeit habe ich ebenfalls.

Savonlinna hat geschrieben:Darum glaube ich nicht daran, dass die eigenen inneren Gesetze mit denen der Bibel oder gar der Theologen übereinstimmen.
Eigentlich gibt es ja gar nicht DIE Bibel, sondern verschiedene Schriften aus AT und NT, die zudem im Widerspruch zueinander stehen können.

In diesem Sinne glaube ich, dass es wichtige Bibel-Aussagen gibt, die universal sind und mit den inneren Gesetzen übereinstimmen - etwa 1.Kor. 13 und Bergpredigt. Aber das ist nicht DIE Bibel.

Das nächste Problem: Der Begriff "innere Gesetze" wird ja willkürlich besetzt. - Wenn man fragen würde, was innere Gesetze sind, würde man eine Zusammenfassung des eigenen ethischen Systems hören - und dazu könnte auch Töten im Krieg gehören. - Mit anderen Worten: Der Begriff "innere Gesetze" ist jeweils subjektiv verankert.

Savonlinna hat geschrieben:Dennoch denke ich, dass das Gebot "Du sollst nicht töten" uns sensibilisiert hat dafür, welche inneren Gesetze wir haben.
Einverstanden?
Ja. - Mehr ist nicht drin.

Das führt zur Frage, was die Bibel eigentlich ist: Gesetz-Geber oder Gesetz-Erinnerer. Nach Röm. 2,14 ("Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz") ist sie eine Erinnerer. - Eigentlich müssten die Menschen die Bibel danach abklappern, welche Stellen sie an ihr der menschlichen (geistigen!!!) Natur eigenes "inneres Gesetz" erinnern.

Das funktioniert aber dann nicht,
a) wenn man sich selbst als Tabula Rasa ("geistiger Tod") versteht, die durch die Bibel-Gesetze erst gedeckt werden müsse (so sehen es einige Denominationen) - oder umgekehrt,
b) wenn das "innere Gesetz" bereits ersetzt wurde durch menschen-gemachte Wert-Systeme (freie Marktwirtschaft - Kommunismus - etc). und nicht universal frei ist.

Mit anderen Worten: Es funktioniert eigentlich nur in einem selbst - oder halt auch nicht. - Eine öffentliche Debatte über System-Bespiegelungen hinaus ist wahrscheinlich nicht möglich.

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Savonlinna
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#37 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Savonlinna » Mi 13. Mai 2015, 03:00

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Darum glaube ich nicht daran, dass die eigenen inneren Gesetze mit denen der Bibel oder gar der Theologen übereinstimmen.
Eigentlich gibt es ja gar nicht DIE Bibel, sondern verschiedene Schriften aus AT und NT, die zudem im Widerspruch zueinander stehen können.
Das bin doch eigentlich sonst ich immer, die darauf hinweist? ;)

closs hat geschrieben:In diesem Sinne glaube ich, dass es wichtige Bibel-Aussagen gibt, die universal sind und mit den inneren Gesetzen übereinstimmen - etwa 1.Kor. 13 und Bergpredigt. Aber das ist nicht DIE Bibel.
Ich glaube nicht, dass es universale Gesetze gibt.
Das Gewissen der Menschen verfeinert sich mit den Jahrhunderten, und damit entstehen andere innere Gesetze. Und in verschiedenen Kulturen gibt es ebenfalls ganz unterschiedliche "Gewissen" - auch wenn es zu "Gewissen" keinen Plural gibt. :)

closs hat geschrieben:Das nächste Problem: Der Begriff "innere Gesetze" wird ja willkürlich besetzt. - Wenn man fragen würde, was innere Gesetze sind, würde man eine Zusammenfassung des eigenen ethischen Systems hören - und dazu könnte auch Töten im Krieg gehören. - Mit anderen Worten: Der Begriff "innere Gesetze" ist jeweils subjektiv verankert.
Geeenau!
Aber ich setze das Gewissen nicht gleich mit dem, was man bewusst akzeptiert oder nicht akzeptiert.
Man kann furchtbar unter etwas leiden, worüber sich die eigene Ethik wundert.
Und umgekehrt, leider auch umgekehrt. Die eigene Ethik wundert sich, dass man unter Geschehen X nicht leidet.

Andererseits habe ich auch kein Indiz dafür gefunden, dass "Gewissen" universal ist. Es ist nicht mal universal in mir selber, es hat sich durch meine Lebensepochen hindurch verändert.

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#38 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Mi 13. Mai 2015, 09:04

Savonlinna hat geschrieben:Das Gewissen der Menschen verfeinert sich mit den Jahrhunderten, und damit entstehen andere innere Gesetze.
Hier stehen teleologische und der evolutionäre Erklärung gegenüber (wie üblich).

Dass das Gewissen in jeder Zeit vom Menschen anders besetzt wird, glaube ich auch. - Während Du jedoch darin eine evolutionäre Entwicklung ohne festen Bezugspunkt zu erkennen scheinst, deute ich teleologisch - also mit festem Bezugspunkt. - Außerdem glaube ich nicht, dass sich das Gewissen mit der Zeit verfeinert - dies klänge nach Fortschritt - , sondern dass es mal näher, mal ferner dem Ideal ist.

Und schon sind wir in einer platonischen Diskussion - der Universalienstreit wird wohl nie enden.

Savonlinna hat geschrieben: Es ist nicht mal universal in mir selber, es hat sich durch meine Lebensepochen hindurch verändert.
Das, was ich in mir Gewissen nenne, ändert sich ebenfalls - da sind wir uns einig. - Aber doch nicht, weil das Gewissen nicht universal wäre, sondern weil man mal näher, mal ferner diesem universalen Anspruch steht.

Meinst Du wirklich, dass Kant mit seinem "inneren Gesetz" ein floatendes Gesetz meint? - Und wie ist das eigentlich mit Kindern: Sind sie nicht alle gleich, bis sie von ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld geprägt werden?

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#39 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Mi 13. Mai 2015, 09:15

closs hat geschrieben: Heute wachsen die jungen Menschen damit auf, dass es "normal" ist, wenn man ein Mobile oder einen Laptop oderoder hat.

ja, ist es. An vielen Gymnasien oder Berufsschulen heisst es auch "das Skript könnt ihr euch vom Link XY herunterladen" oder auch "dieser Aufsatz muss am Computer geschrieben und ausgedruckt werden, Buchstabengrösse Arial 12, Breite des Rands 2 cm, etc". Es IST normal. und wird vorausgesetzt.

- Auch verwahrt man sich dagegen, im Winter mit Holz zu heizen oder in einem Zimmer mit Apfelkisten als Möbel zu leben

nicht, dass man sich verwahrt, aber wie will man im durchschnittlichen Plattenbau mit Holz heizen, auch wenn man's wollte? Man kann ja schwerlich mitten im Wohnzimmer ein Feuerchen anfachen...

Heute ist der Gesellschafts-Druck (eigentlich ist es ja kein Leistungs-Druck) für die jungen Menschen weitaus höher als früher - und dafür verdient die Generation meiner Kinder mein ehrliches Mitgefühl - sie tun mir eigentlich leid. - Wie will man da eine positive Bildungs-Atmosphäre schaffen?

Bildung ist ein Luxusphänomen; Nicolas Nassim Taleb schreibt in "Antifragility", dass Bildung (also formelle Schulbildung für viele) nicht die Ursache von Wohlstand ist, sondern die Folge davon.

Ein Bekannter von mir bemerkte auch mal, treffend meiner Meinung: die so lange Schulzeit dient unter anderem dazu, dass die Jungen erst später in den Arbeitsmarkt eintreten und somit nicht so schnell den älteren die Stellen wegnehmen, bzw darum konkurrenzieren.

Wir leben nun mal in einer Gesellschaft mit massiver Überproduktion - inklusive der ganzen Umweltverschmutzung, die das mit sich bringt - wir brauchen NICHT mehr harte Arbeit. Wir leben nicht mehr zu 99% als Bauern und haben Angst davor, dass der Regen heute eine Missernte und Hunger für das ganze nächste Jahr bedeutet! Wir sind produktiv geworden, sprich wir können alles, was notwendig ist, mit viel weniger Arbeitszeit herstellen.

gruss, barbara

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#40 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Mi 13. Mai 2015, 09:16

closs hat geschrieben:Aber nicht unbedingt deswegen, weil "der" Chinese so gepolt ist, sondern weil man dort in der selben Aufstiegsphase ist wie wir vor 50 Jahren. - Das kann auch bei uns wieder mal kommen.

Damit eine solche Phase wieder kommen kann, müsste erst mal aller Wohlstand kaputt gehauen werden. Ein Krieg könnte zB dafür sorgen - aber ich meine, es gäb intelligentere Lösungen, NEUE Lösungen.

gruss, barbara

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