Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

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sven23
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#21 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von sven23 » Sa 22. Aug 2015, 16:56

closs hat geschrieben: Trotzdem: Die Grundaussage Sloterdjiks finde ich richtig und vor allem dringend notwendig.
Die Überschrift "Zensur" gefällt mir nicht, unter der das eingeordnet wird. Es stimmt ja nicht, daß es keine kontroversen Diskussionen gibt. Manchmal beobachtet man ja gerade das Gegenteil, indem wegen politischer Korrekheit und Ausgewogenheit auch konträre Positionen zu Wort kommen. Manche haben Probleme mit zuviel Ausgewogenheit, weil sie sich dann im Meinungsdschungel nicht mehr zurecht finden. Sie mögen lieber Vorgekautes, das für sie leichter verdaulich ist.
Wenn es wirklich Themen gibt, die tabuisiert werden, dann gibt es bestimmte Gründe dafür. Aber weil es keine Zensur gibt, kann in einer Zivilgesellschaft auch niemand daran gehindert werden, über angebliche Tabus zu sprechen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#22 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von closs » Sa 22. Aug 2015, 17:19

sven23 hat geschrieben:Die Überschrift "Zensur" gefällt mir nicht, unter der das eingeordnet wird.
Es ist sicherlich keine gesetzliche Zensur in dem Sinne, dass der Staat Informationskontrolle betreiben würde - insofern hast Du recht. - Aber es gibt etwas Gesellschafts-Immanentes, was dem nahe kommt.

sven23 hat geschrieben:Sie mögen lieber Vorgekautes, das für sie leichter verdaulich ist.
Das kommt schon näher ran. - "Vorgekaut" wird heute durch Dos and Donts, die in aller Regel NICHT hinterfragt werden. - Nichts gegen Dos and Donts - sie können Orientierung geben wie Bräuche auch. - Aber man hat unterm Strich den Eindruck, dass man heute mehrheitlich vorzieht, Meinungen zu vertreten statt sie zu haben.

Das Bild mit der "Schere im Kopf" trifft's wahrscheinlich am besten. - Keine Informationskontrolle, aber eine Selbst-Beschneidung durch Übernahme der PoCo in ihrer Eigenschaft als Corporate-Identity-Herzstück der Gesellschaft: Wer dazu gehören will, hält sich daran.

Rembremerding
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#23 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von Rembremerding » Mo 24. Aug 2015, 08:16

Der WDR nimmt eine Sendung von "hart aber fair" von Plasberg aus der Mediathek, die Gender-Mainstreaming, Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter zum Thema hatte. Die Begründung: Die Sendung wurde dem Thema nicht gerecht, der Moderator agierte polemisch und dogmatisch.
Dabei kam es neben den üblichen Schlägen unter die Gürtellinie, welche die Sendung ja eher fördert und provoziert, zu guten Beiträgen des Grünen Hofreiter, der die Vorteile und Errungenschaften der Gleichstellungsdebatte hervorhob und Frau Kelle, die sich gegen die Gleichschaltung der Geschlechter aussprach. Die hübsche Frau Thomalla wandte ein, dass sie oftmals von Frauen Diskriminierung erfahre, weil "sie nur mit ihrem Gesicht punkte".
Trotzdem war gerade für Frauenrechtlerinnen und Vertretern des Genderismus die Sendung "zu einseitig", weshalb Druck auf den WDR ausgeübt wurde, die Sendung aus der Mediathek zu löschen. Man kommt deshalb zu dem Fazit: "Wenn die Gender-Front schlecht abschneidet, wird es aus dem Netz gelöscht"
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/m ... 64991.html

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#24 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von closs » Mo 24. Aug 2015, 10:42

Rembremerding hat geschrieben:Man kommt deshalb zu dem Fazit: "Wenn die Gender-Front schlecht abschneidet, wird es aus dem Netz gelöscht"
Wenn das stimmt, was Du da sagst, ist es ein Skandal. - Es würde zeigen, dass die PoCo (= Meinungs-Macht) die Rolle der RKK im Mittelalter immer mehr übernimmt.

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#25 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von Rembremerding » Mo 24. Aug 2015, 11:20

closs hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Man kommt deshalb zu dem Fazit: "Wenn die Gender-Front schlecht abschneidet, wird es aus dem Netz gelöscht"
Wenn das stimmt, was Du da sagst, ist es ein Skandal. - Es würde zeigen, dass die PoCo (= Meinungs-Macht) die Rolle der RKK im Mittelalter immer mehr übernimmt.
Dieses Fazit stammt natürlich von einer Genderkritikerin.
Bleiben wir aber bei Frau Kelle, die gegen die Gleichschaltung der Geschlechter plädiert. Sie wird deshalb als homophob und Rechtspopulistin diffamiert. Anfang des Jahres musste sie aufgrund massiven Protests von Podiumsdiskussionen wieder ausgeladen werden.
Am 21. 08. sollte sie bei der Frauenunion in Düsseldorf in einer Schulaula einen Vortrag halten. Wieder wurde der Veranstalter unter Druck gesetzt die Veranstaltung abzusagen. "Der geplante Auftritt Kelles an einer Schule in Nordrhein-Westfalen setzt ein gefährliches Symbol für Ausgrenzung und gegen Vielfalt in Düsseldorf und Nordrhein-Westfalen" schreibt der LSVD (Lesben- und Schwulenverband Nordrhein-Westfalen) in einer Stellungnahme zur Genehmigung des Auftrittes von Birgit Kelle durch das Schulverwaltungsamt Düsseldorf. Siehe:
http://nrw.lsvd.de/
Hier ein Link zur "unverfänglichen" BILD, der Deutschen Volkszeitung:
http://www.bild.de/regional/duesseldorf ... .bild.html

Auch aufgrund einer Online-Petition und dem Eingreifen der Bundestagsabgeordneten Sylvia Pantel fand diese Veranstaltung übrigens doch statt. Frau Prantel sagte dazu: „Wir leben in einem freien Land! Frau Kelle ist eine anerkannte Autorin, die in vielen TV-Sendungen auftritt. Nur weil einige eine andere Meinung als sie haben, darf ein städtisches Amt doch nicht die ganze Veranstaltung in Frage stellen!“.
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#26 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von Rembremerding » Di 25. Aug 2015, 10:22

Auch in Österreich kommt es zu verbaler Gewalt gegen Andersdenkende.
Der Journalist Florian Klenk hat zahlreiche Politik- und Justizskandale in seiner Zeitschrift "Falter" aufgedeckt. Unter anderem stellte er ins Web ein Video mit Polizeigewalt. Die Zeitung wird als "Bolschewikenblattl" beschimpft und Klenk als "Polizistenhasser".

Boulevardmedien und Politik spielen in Österreich immer wieder zusammen. Nachdem Klenk über illegale Parteienfinanzierung bei der rechtspopulistischen FPÖ berichtet hatte, wird er im Boulevardblatt "Krone" verleumdet.
Die hasserfüllten Kommentare unter dem Artikel zeigen, dass diese mittlerweile zur beängstigenden Gewohnheit geworden sind. Im politischen Diskurs gilt: Hetze gegen Menschen mit anderen Meinungen. So schrieb ein anonymer Poster an den Journalisten Klenk: "Ich wünsche dir das es dir so geht wie meinem freund das die BRAVEN VERBECHER DIR links und rechts ins KNIE eine KUGEL verpassen und dann keine polizei zu hilfe kommt."

Klenk hat inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Dazu Klenk: "Ich fühle mich nicht wirklich angegriffen. Aber immer mehr Journalisten haben Angst, werden persönlich bedroht. Es könne nicht angehen, dass Rechtsradikale ihre Kritiker nach dem Motto jagten: "Wir wissen, wo du wohnst!" Deshalb die Strafanzeige als zivile Gegenwehr: "Wir finden auch heraus, wo du wohnst!"
http://www.sueddeutsche.de/medien/boule ... -1.2619283
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closs
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#27 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von closs » Di 25. Aug 2015, 17:28

Rembremerding hat geschrieben:Auch in Österreich kommt es zu verbaler Gewalt gegen Andersdenkende.
Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass es zu PoCo-Pogromen kommen könnte.

Munro
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#28 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von Munro » Sa 21. Apr 2018, 15:45

Die "Political Correctness" ist ein Fluch der neueren Zeit.
Jean Paul Getty:
Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, aber nicht die Schürfrechte.

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#29 Re: Zensur durch Political Correctness/Die Macht von Netzwerken

Beitrag von Novas » Sa 21. Apr 2018, 17:54

Rembremerding hat geschrieben:Jüngst durfte ein Beitrag bei "Aktenzeichen xy" nicht gesendet werden, weil der mutmaßliche Täter eine schwarze Hautfarbe hat.
Medien unterschlagen Nachrichten von mutmaßlichen Tätern, die Muslime sind. Das sind nur zwei Beispiele, wie sogenannte "political Correctness" Informationen filtert. Gerne wird dabei die Wortendung -phob angehängt, bei all dem, was nicht "politisch korrekt" ist, um Andersdenkende zu kriminalisieren.

Doch wer bildet heutzutage die politisch korrekte Mainstream-Meinung?
Es gibt nämlich auch die entgegengesetzte Strömung.

Der Publizist Wolfgang Storz hat in diesem Zusammenhang rechte Netzwerke untersucht: https://www.otto-brenner-shop.de/upload ... rfront.pdf
Er kommt zu dem Schluss, dass es in naher Zukunft zu einer Demontage einer qualifizierten Öffentlichkeit und damit der Demokratie kommen wird. Dies vor allen, weil Information gleichsam totalisiert und potenziell jeder zum medialen Informationskanal werden kann. So verschwindet die Öffentlichkeit, weil jeder seinen diffusen Meinungskosmos als Öffentlichkeit präsentiert oder jedem Vertrauen schenkt, der ihn umwirbt. So sind kontroverse Debatten und Quellenüberprüfungen in solchen Pseudo-Öffentlichkeiten nicht mehr vorgesehen.
Die sorgfältiger Studie von Storz hat aber auch ihre Grenzen. Sie beruht auf einer recht schmalen empirischen Basis, die weiterreichende Schlüsse nicht zulässt, und ihr theoretischer Rahmen bleibt unklar.

Untersucht hat Storz jene Netzwerke und Medien (siehe etwa Kopp-Verlag, das Magazin "Compact" oder "Querfront"), die sich jenseits von links und rechts verstehen, die für die aktuelle Politik des Kremls und für die AfD werben, gegen die EU, Israel und die Westorientierung der BRD Stimmung machen oder Religion und Glauben grundsätzlich verneinen. Anderseits warnen sie jedoch vor dem „moralisch-kulturellen Zerfall“ der Demokratie durch Zuwanderung von Muslimen und des Sexualunterrichts in den Schulen und infolge des Abbaus nationaler Souveränität.
Es werden also hanebüchene Mixturen aus ideologischen Schlagwörtern verwendet, die als Markenzeichen von „Populismus“ gelten. Stets werden unterschiedliche Perspektiven, Interessen, Motive und Werte aus dem politischen Diskurs ausgeblendet und durch polemische Parolen ersetzt, die so zu Feinderklärungen werden.

Es entsteht eine Selbstausgrenzung solcher Netzwerke aus dem medialen Betrieb, die der Identitätsstiftung für das Zielpublikum dient sowie deren Mobilisierung (PEGIDA etc.), aber auch um Aufmerksamkeit zu erlangen. Andererseits versucht die "political correctness" in der Medienlandschaft Themen zu verschweigen, die tatsächliche Probleme aufdecken könnten. Also eine Art Valium, um willige Kosumenten zu formen.

Prüfen wir also noch oder haben wir schon zu allem unsere Meinung, die dann natürlich politisch korrekt oder endlich "Klartext" ist?

Servus :wave:


Ein sehr guter Beitrag. Aber hat nicht jede Gesellschaft, jede soziale Gruppe und jedes Individuum eine bestimmte Idee von politischer Korrektheit? Wir verhandeln nur darüber, welche gültig ist. Auch jene, die sich darüber beklagen, wollen ihre eigene Version von Korrektheit politisch realisiert sehen. Allerdings verstehe ich, was Du sagen willst. Beispielsweise spricht kaum jemand mehr über „Klassenkampf“, obwohl er global gesehen sehr lebendig ist. Der neue Klassenkampf: Die wahren Gründe für Flucht und Terror (Slavoj Žižek)


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