Geschlechterrollenbilder

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Ruth
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#21 Re: Geschlechterrollenbilder

Beitrag von Ruth » Mi 21. Mär 2018, 09:55

Magdalena61 hat geschrieben:Eine äußerliche Ähnlichkeit muß nicht zwingend eine Nachahmung charakterlicher Merkmale und negativer Verhaltensmuster der Eltern/ Vorfahren nach sich ziehen.

Ja, das stimmt. Bei mir entdecke ich aber immer mal beides. Anderseits verstehe ich heute, im Rückblick natürlich auch mehr die Beweggründe, warum meine Mutter so war, wie sie war.

Magdalena61 hat geschrieben:Bereits relativ früh legte ich für mich fest: Das und das finde ich gut.

Bei mir hat es länger gedauert, bis ich da differenzieren konnte. Vieles kam erst dadurch, dass ich an meinem eigenen Verhalten merkte, dass ich im Ansatz ähnlich wie meine Mutter gehandelt habe. Dann erst habe ich nach den Gründen dafür gesucht und für mich selbst Schlüsse gezogen.

Meine Mutter hat immer sehr stark den Anspruch weitergegeben, dass sie als Mutter quasi alles bestimmen darf und die Kinder sich immer unterordnen müssten. Notfalls auch gegen die eigene Überzeugung. Vieles wurde begründet mit der Bibel. Dem hatten wir Kinder dann kaum eine Möglichkeit, etwas dagegen zu setzen.

Magdalena61 hat geschrieben:eine Wertung kann man ja eigentlich gar nicht festlegen, weil die Lebensumstände der vorherigen Generation ganz andere waren als meine und meine Eltern vom Wesen her ganz anders gestrickt waren als ich.

Ja, das ist mir dann auch ziemlich bald klar geworden. Meine Eltern haben in einer wichtigen Phase die Kriege miterlebt. Und demnach, wie meine Mutter davon erzählt hat, hat das ihr Verhalten sehr geprägt, besonders die Ängste.

Magdalena61 hat geschrieben: Ich wollte einfach mich selbst sein.

Uns wurde oft gepredigt, dass es falsch sei, dem eigenen Willen nachzugeben. Man habe sich den Stärkeren unterzuordnen, und die eigene Befindlichkeit zurück zu stellen. Gott wolle das eben so. Er habe auch die Familienhierarchie so eingesetzt, wie sie bei uns praktiziert wurde. Die Frage, was denn meine Ideale wären, stellte sich für mich erst ziemlich viel später.

Ich erinnere mich noch an meinen ersten Anstoß, dass ich überhaupt einen eigenen Stil haben könnte. Da war ich Anfang zwanzig und bekam von Kollegen ein Geschenk, mit dem Kommentar, dass es zu meinem Stil passen würde. Ich erinnere mich noch, dass ich das erste Mal stolz war, einen eigenen Stil haben zu dürfen, der auch von außen berücksichtigt wurde.

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Magdalena61
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#22 Re: Geschlechterrollenbilder

Beitrag von Magdalena61 » Do 22. Mär 2018, 04:28

Ruth hat geschrieben:Meine Mutter hat immer sehr stark den Anspruch weitergegeben, dass sie als Mutter quasi alles bestimmen darf und die Kinder sich immer unterordnen müssten. Notfalls auch gegen die eigene Überzeugung. Vieles wurde begründet mit der Bibel. Dem hatten wir Kinder dann kaum eine Möglichkeit, etwas dagegen zu setzen.
O wei.
Gehorchen mussten wir auch. Oder, genauer gesagt: Wir wurden frühzeitig auf Gehorsam dressiert, notfalls mit Schlägen. Das war in den 60ern so üblich.
Meine Eltern waren aber keine Bibelchristen. Vater überhaupt nicht, der stand der Kirche distanziert gegenüber. Mutter ging mit uns Kindern am Sonntag öfter zum Gottesdienst (katholisch). Später bin ich alleine gegangen. Weil ich wollte.
Mit der Bibel oder Gott haben sie uns nicht gedroht. Ihre Erziehung nahmen sie auf ihre eigene Kappe.
Magdalena61 hat geschrieben:Bereits relativ früh legte ich für mich fest: Das und das finde ich gut.
Bei mir hat es länger gedauert, bis ich da differenzieren konnte. Vieles kam erst dadurch, dass ich an meinem eigenen Verhalten merkte, dass ich im Ansatz ähnlich wie meine Mutter gehandelt habe. Dann erst habe ich nach den Gründen dafür gesucht und für mich selbst Schlüsse gezogen.
Über das Verhältnis zu meinen Eltern habe ich mir wenig Gedanken gemacht.
Als Kind sieht man das relativ nüchtern: Dieses ist halt so, und das andere mag ich nicht, finde es ungerecht etc.
Niemals hätte ich es gewagt, an den Grundfesten zu rütteln und mit meinen Eltern über ihre Lebensgestaltung zu streiten. Die Eltern hatten das Sagen, und als Kind passte man sich an. Man konnte sich bestenfalls Freiräume suchen, die niemanden störten und möglichst nichts kosteten.
Geld für die Ausbildung von Talenten; für teure Ausbildungen der Kinder war nicht da. Zumindest nicht für meine ältere Schwester und mich. Alles ging drauf für die Träume meines Vaters, die später scheiterten.

Durch den frühen Tod meiner Mutter trat eine Änderung ein. Die beiden jüngeren Geschwister konnten höher qualifizierte Berufe erlernen; wurden finanziert.
Das finde ich heute noch ungerecht, aber ich versuche, mich nicht darüber zu ärgern.
Meine Eltern haben in einer wichtigen Phase die Kriege miterlebt.
Meine auch. Beide waren Jahrgang 1935.
Und demnach, wie meine Mutter davon erzählt hat, hat das ihr Verhalten sehr geprägt, besonders die Ängste.
Wie jemand die Flucht und den Neuanfang als "Neigschmeckter" (unerwünschter Fremdling im Schwabenland) verkraftete und kompensierte, das hing auch von der Persönlichkeit des Einzelnen ab.
Meine Mutter war neun Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter und drei (jüngeren) Geschwistern Ostpreußen unter großer Gefahr für Leib und Leben verlassen musste. Es fiel ihr aber nicht im Traum ein, den Krieg und die damit verbundenen Traumata als "Entschuldigung" oder Rechtfertigung für Fehlverhalten (Sünde) heran zu ziehen. Sie war da eher pragmatisch und filterte Situationen nach brauchbaren Elementen.
Das mache ich auch :) .
Uns wurde oft gepredigt, dass es falsch sei, dem eigenen Willen nachzugeben. Man habe sich den Stärkeren unterzuordnen, und die eigene Befindlichkeit zurück zu stellen. Gott wolle das eben so. Er habe auch die Familienhierarchie so eingesetzt, wie sie bei uns praktiziert wurde.
Fehlt nur noch die "Rute". "Gott will das so".
Es mag sein, dass sie es nicht besser wussten.
Was den "Willen Gottes" anbelangt, so gibt es da einen großen Gestaltungsspielraum.
Die Grundlagen sind klar und nachvollziehbar. Aber die Methoden, mit denen Eltern arbeiten, um ihre Ziele zu erreichen, sind nicht "rein biblisch", sind es vermutlich niemals gewesen, sondern gesellschaftsorientiert und haben sich glücklicherweise in den letzten 40, 50 Jahren verändert.
Man macht sich mehr Gedanken über die Gefühle der Kinder. Man kommandiert sie nicht nur herum, sondern versucht, sie zu verstehen.
.... und bekam von Kollegen ein Geschenk, mit dem Kommentar, dass es zu meinem Stil passen würde. Ich erinnere mich noch, dass ich das erste Mal stolz war, einen eigenen Stil haben zu dürfen, der auch von außen berücksichtigt wurde.
Gott weiß, was das Kind/ der Teenie fühlte/ durchmachte. Und Er versteht.

Alle Dinge müssen den Jüngern zum Besten dienen, sagt Gott. Auch eine Kindheit, die nicht optimal verlief. Man kann sich das vielleicht nicht wirklich vorstellen, wenn man zurückdenkt.
Vieles war doch einfach überflüssig, denkt man. Hätte nicht sein müssen.
Die Zeit war so. Deswegen auch die Gegenkultur der 68er... und eine Abspaltung davon: Weg von der Heuchelei, der spießbürgerlichen Doppelmoral, dem Rüstungswahnsinn, dem Terror... die Suche nach einem lebenswerten Leben.... Katmandu.... Chrischona...

Es ist wichtig, sich mit der Vergangenheit zu versöhnen, auch mit der Erinnerung. Man muß nicht alles akzeptieren/ gut finden. Man kann bei seiner gewachsenen Meinung bleiben, wenn diese begründet ist, und das ist sie meistens. Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Wenn man damit aufhört, den Eltern Vorwürfe zu machen, weil man akzeptiert, dass Gott uns eine fehlerhafte Welt und unzulängliche Eltern zumutete und eventuell noch zumutet, tritt eine innere Entspannung ein.

Weil man nichts mehr verbessern muß, kein (tatsächliches) Recht mehr einklagen muss. Man kann die anderen sich selbst sein lassen. Wenn sie ein übergriffiges Verhalten nicht unterlassen wollen, kann man sich distanzieren.

So lange man gegen die Ungerechtigkeit rebelliert, obwohl man doch nichts mehr daran verändern kann, ist man an die Sünde des anderen gebunden.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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