Richard Wagner und Buddha

Literatur, Malerei, Bildhauerei
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Demian
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#1 Richard Wagner und Buddha

Beitrag von Demian » So 15. Dez 2013, 16:44

Ein interessanter Artikel über die buddhistischen Einflüsse im musikalischen Werk von Richard Wagner.

"Prof. Dr. Michael von Brück war anläßlich des 200. Geburtstag von Richard Wagner am Goethe-Institut San Francisco zu Gast. Sabine Erlenwein hat ihn für uns nach seinem in Kooperation mit LIEDER ALIVE! stattgefundenen und höchst erfolgreichen Vortrag „Wagner and Buddhism“ interviewt.

In welchen seiner Opern hat Wagner der buddhistischen Weisheit Ausdruck gegeben? Anders gefragt, wie hat Richard Wagner buddhistische Ideen in Musik übersetzt?

Der Buddhismus ist also vor allem im Tristan präsent, auch im Parsifal, auch im Ring, dort aber eher versteckt. Wagners Thema ist die Transfiguration der Liebe, die eine bestimmte Frau begehrt, in ein über-bewußtes Erkennen der Alleinheit mit allen Wesen. Das ist so bei Kundry und Parsifal, noch mehr bei Tristan und Isolde. Die beiden Paare verschmelzen ineinander, dabei erkennen sie, wer sie in Wirklichkeit sind, nämlich Repräsentanten der Einheit jenseits der Gegensätze. Tristan singt, dass er nicht mehr Tristan sei, sondern Isolde. Isolde singt, dass sie nicht mehr Isolde sei, sondern Tristan. In dieser magischen Nacht der Liebe werden die Gegensätze aufgehoben. Dies geschieht durch den Tod hindurch. Der Höhepunkt der Liebe ist schon immer als „le petit mort“ thematisiert worden, das kündigt sich bereits in der Dichtung der Troubadore im 13. Jh. an. Hier ist es ausgereift. Isolde singt in ihrer Transfiguration am Schluß: „Ohne Nennen, ohne Trennen, neu Erkennen, neu Entbrennen; ewig, endlos, einbewußt.“ Dieses „einbewußt“ ist die Erkenntnis. Sie führt zu dem, was Schopenhauer die „Mitleidsethik“ genannt hatte. Es ist die Erkenntnis, dass der andere Mensch nicht wirklich ein anderer ist, sondern dass alle Lebewesen zutiefst miteinander verbunden sind. Daß die individuelle Identität bloßer Schein ist. Daß sich hinter all dem Getrennten und Widersprüchlichen der Lebenserfahrung ein nicht-dualer Bewußtseinsraum erschließen kann, der eben der Höhepunkt des Glücks, der Erfüllung, der Befreiung ist. Das ist Schopenhauers und Wagners Lesart des Buddhismus. Hier sehen sie den Boden für eine natürliche Begründung der Ethik."

Um einen direkten Bezug zu unserer Veranstaltung herzustellen: Was haben gerade die „Wesendonk-Lieder“ mit Buddhismus zu tun?


Die Wesendonck-Lieder sind im Umfeld des Tristan entstanden, nämlich 1857-1858. Während Wagner am Tristan schrieb, dichtete Mathilde im Nebenhaus die Lieder. Sie übergab die Texte ihrem Geliebten Richard, und der setzte sie oft noch am selben Abend in Musik um. Besonders die Lieder „Im Treibhaus“ und „Träume“ sind buddhistisch geprägt. Mathilde und Richard wollen die Zeit anhalten und alles Begehren überwinden, so dass sich Sein in Sein finden kann, eine Einheit jenseits von Raum und Zeit. Dies wäre die Spur des Ewigen. „Träume“ enthält das Tristan-Thema des „Allvergessens, Eingedenkens“. Eine Bewußtseinserfahrung jenseits von Raum und Zeit, die Überwindung oder Einheit der Gegensätze. Natürlich findet sich das auch in der neu-platonisch gefärbten christlichen Mystik (bei Nikolaus von Kues die „coincidentia oppositorum“). Aber Wagner findet das eben in dem von Schopenhauer interpretierten Buddhismus. Für ihn sind Mystik und Buddhismus eins.

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