Ich ist nicht Gehirn

Philosophisches zum Nachdenken
Hemul
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#61 Re: Ich ist nicht Gehirn

Beitrag von Hemul » Mi 10. Feb 2016, 19:52

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:Wäre unser Körper unserem Willen unterworfen, würde die gesamte Spezies aussterben. Wir würden dann sogar aufs Essen verzichten, da uns ohne jedes Hungergefühl die Nahrungsbeschaffung sicherlich irgendwann langweilig werden würde.
Natürlich gibt es körperliche Zwänge, aber auch freie Willensentscheidungen. So habe ich entschieden, Dir auf Deinen Beitrag zu antworten. ;)
Richtig Halman!
Wir haben die freie Wahl, aber NICHT den freien Willen.
Wieso hast Du keinen freien Willen? Wer oder was hindert Dich daran etwas zu tun oder es zu unterlassen? :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Thaddäus
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#62 Re: Ich ist nicht Gehirn

Beitrag von Thaddäus » Mi 10. Feb 2016, 19:57

JackSparrow hat geschrieben: Ja, durchaus. Ohne Sprache könnte man sich weder irgendwelche Dinge über sich selbst einreden, noch könnte man von irgendjemand anderem gesagt bekommen, man sei gerade "bei Bewusstsein". Man wüsste quasi überhaupt nichts über irgendwas.
Welche evolutionär-biologische Funktion erfüllt die Fähigkeit des Menschen, sich über seine biologischen Zwänge bewusst zu sein - und sich über sie auch hinweg setzen zu können?
Die Erfindung des Kondoms, der Anti-Babypille und des Diaphragmas sind anti-evolutionär und anti-biologistisch. Deiner biologistischen Logik nach müssten diese segensreichen Erfindungen verboten werden. (Wird dir aber nicht mehr gelingen, weil die Menschen offenbar gerne bumsen, ohne damit in Gefahr zu laufen, sich zu vermehren).
Die Erfindung deines Biologismus selbst, als eine Form der wissenschaftlichen Theoriebildung, hat nichts mit Biologie zu tun und ist mit deren Begrifflichkeit auch nicht zu fassen. Was immer du schreibst ist keine Biologie, sondern allenfalls Biologie-Theorie. Was du selbst hier also an biologistischen Ansichten vertrittst, gehört gerade nicht zur Biologie des Menschen, es sei denn, du interpretierst deine verkopft-biologistischen Ansichten, die du mit Verve vertrittst, als Sublimation deines nicht erfüllten Sexualtriebes, was - nach Freud - in der Tat Kultur erst erschafft. Äh, - aber auch das - ich korrigiere mich selbst - wäre immer noch keine Biologie.

JackSparrow hat geschrieben: Was sind Emotionen wie Angst, Wut oder Eifersucht denn anderes als Instinkte, die sich in bestimmten Situationen einstellen, weil der Körper sie für biologisch sinnvoll hält. Da wir in einer verweichlichten Gesellschaft voller Heuchler leben, kann man mit den eigenen Instinkten heutzutage leider kaum noch irgendwas anfangen, außer ihre Existenz eben so gut wie möglich abzustreiten.
Niemand bestreitet das Vorhandensein von Instinkten auch beim Menschen. Immerhin ist er ein evolutionär gewordenes Wesen, welches sich über Jahrhundertausende auf seine Instinkte verlassen können musste. Seitdem das Volumen seines Gehirns aber explodiert ist, spielen die Instinkte des Menschen eine immer geringere Rolle für ihn. Es ist der Geist des Menschen selbst, der ihn seiner Natur entfremdet. Und das ist eine Erfindung der Natur selbst. Ob sie sich evolutionär durchsetzen wird, kann man vermutlich erst in einer Million Jahren sicher abschätzen. Bis dahin hast du aber zur Kenntnis zu nehmen, dass die Evolution Wesen hervorgebracht hat, welche sich einer natürlichen Evolution gerade dadurch entziehen, dass sie sich selbst z.B. durch genetische Manipulation und schlichte Eugenik optimieren oder degenieren können.
Das ist die unmittelbare Widerlegung jedes simplen Biologismus.

JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Der Mensch lebt nicht mehr ausgeliefert einer Natur. Stattdessen schafft er sich Kultur!
Der Hirsch nutzt sein Geweih, um den Weibchen zu imponieren; der Pfau nutzt seine Schwanzfedern, um den Weibchen zu imponieren; und der Mensch nutzt seine Kultur, um den Weibchen imponieren. Würden Statussymbole keine Rolle spielen, würden wir heute noch in Tierfellen rumlaufen. Wie heißt es doch: "If a man could fuck in a cardboard box he wouldn't buy a house."
Du vergisst offenbar, dass es auch Weibchen gibt. Ein Mann wird für mich nicht dadurch attraktiver, dass er Modallogik beherrscht. Er ist aber auch nicht schon darum attraktiv, dass er sich vor mir aufbaut und mir sein Geweih zeigt. :lol:

JackSparrow
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#63 Re: Ich ist nicht Gehirn

Beitrag von JackSparrow » Mi 10. Feb 2016, 22:31

Thaddäus hat geschrieben:Welche evolutionär-biologische Funktion erfüllt die Fähigkeit des Menschen, sich über seine biologischen Zwänge bewusst zu sein - und sich über sie auch hinweg setzen zu können?
Aufgrund ihres leistungsfähigen Gehirns können Menschen die Reaktionen anderer Menschen teilweise abschätzen und zukünftige Ereignisse teilweise vorausberechnen. Solche Berechnungen werden mit einbezogen, wenn ein Mensch seine biologischen Zwänge erfüllt. Würden sich Menschen über die biologischen Zwänge hinwegsetzen, wären sie weder an Nahrungsaufnahme noch an Fortpflanzung interessiert und ihr Leben würde jeglichen Sinn verlieren. Die Menschheit würde aussterben.

Die Erfindung des Kondoms, der Anti-Babypille und des Diaphragmas sind anti-evolutionär
Vorher regulierte sich das Bevölkerungswachstum durch rein evolutionäre Mechanismen, zum Beispiel durch tödliche Infektionskrankheiten. Mit zunehmendem medizinischem Fortschritt und Erfindung der Impfung müssen solche Mechanismen eben künstlich erzeugt werden, indem man beispielsweise durch Kondome eine Befruchtung unterbindet. Insofern sind Verhütungsmethoden nur eine weitere Art von natürlicher Selektion.

Deiner bilogistischen Logik nach müssten diese segensreichen Erfindungen verboten werden.
Wenn man bedenkt, dass vor 200 Jahren vielleicht nur 1 von 5 Kindern die Pubertät erreichte, gleichen sich die Vorteile schnell wieder aus.

Ein Mann wird für mich nicht dadurch attraktiver, dass er Modallogik beherrscht. Er ist aber auch nicht schon darum attraktiv, dass er sich vor mir aufbaut und mir sein Geweih zeigt.
Wenn mehrere Männchen anwesend sind, die sich gern mit dir paaren würden, muss für dich wohl irgendeine Art von Auswahlkriterium existieren, um den passendsten Partner feststellen zu können. Das wird dann wohl derjenige sein, der am extrovertiertesten ist und am wenigsten den Eindruck macht, dir imponieren zu wollen...

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Halman
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#64 Re: Ich ist nicht Gehirn

Beitrag von Halman » Mi 10. Feb 2016, 23:15

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Unser Frontalhirn ist allerdings im Stande ein Veto einzulegen.
Nein, ich würde sagen, da fängt der neurozentristische Unsinn schon an. Nicht dein Frontalhirn legt ein Veto ein. Das kann es gar nicht. Dein Frontalhirn ist nur ein Gewebelappen hinter deiner Stirn. DU legst ein Veto ein oder eben keines und DU bist eindeutig nicht identisch mit deinem Frontalhirn. ;)
Ohne mein Frontalhirn hätte ich nicht meine Identität, welche Du mir zurecht zuschreibst. Natürlich wirkt das Frontalhirn bei Entscheidungen mit anderen Hirnregionen zusammen, der Wille ist eine komplexe, neurologische Funktion. Das Gehirn erzeugt die neurologischen Erregunsmuster, welche unsere Gedanken und unseren Geist hervorbringen. Dazu gehören auch das unbewusste Bereitschaftspotenzial und die bewusste „Veto-Option“.
Der Diplom-Phsychologe Werner Eberwein bemerkt hierzu:
Das vierte und meines Erachtes schlagende Gegenargument stammt von Libet selbst. Er stellte nämlich fest, dass seine Versuchspersonen auch noch 450 Millisekunden nach dem Auftreten des Bereitschaftspotenzials und bis 100 Mllisekunden (also 1/10 Sekunde) vor der Fingerbewegung sich noch einmal umentscheiden konnten, den Knopf also nicht zu drücken. Dies Rückzugsmöglichkeit im letzten Moment bezeichnete Libet als „Veto-Option“ und wies darauf hin, dass diese beweise, dass der menschliche Wille sehr wohl frei sei. Es ist ja absolut nachvollziehbar, dass, wenn ein Mensch sich z.B. einmal entschieden hat den Abzug einer Pistole zu drücken, er sich innerhalb eines so kurzen Zeitrahmens von einer Zehntelsekunde schwer noch einmal umentscheiden kann. Da die Veto-Option aber auch 450 Millisekunden nach (!) Auftreten des Bereitschaftspotentials noch möglich ist, kann das Bereitschaftspotential logischerweise die Entscheidung nicht determiniert haben.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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