Der Panpsychismus und die Evolution des Bewusstseins

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Demian
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#1 Der Panpsychismus und die Evolution des Bewusstseins

Beitrag von Demian » Sa 16. Aug 2014, 05:46

"In den Upanishaden, wird Brahman, die Quelle des Kosmos (wörtlich "das, aus dem alles wächst") zu Atman ("das, was scheint") dem Wesen des Bewusstseins. Und in den ersten Zeilen des Dhammapada, erklärt der Buddha: "Alle Dinge entstehen im Geist, sie sind unseres mächtigen Geistes Schöpfung." Eine solche Sicht ist der aktuellen wissenschaftlichen Weltsicht völlig fremd, obwohl sie in vielen metaphysischen Systemen weit verbreitet ist. Die Welt, die wir sehen, ist so offensichtlich materiell, dass jede Andeutung, dass sie vielleicht mehr Gemeinsamkeiten mit dem Mind hat, schnell damit abgelehnt wird, dies hätte "keine Grundlage in der Realität". Allerdings stellt sich bei näherer Betrachtung dieser alternativen Weltsicht heraus, dass sie nicht in Konflikt steht mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft - nur mit ihren Vorannahmen. Darüber hinaus führt diese Sicht zu einem neu verzauberten Bild des Kosmos."

[...]

Panpsychismus
Ervin Laszlo hat die These des Panpsychismus aufgestellt: die Hypothese, dass Bewusstsein nicht spezifisch nur bei Menschen oder höheren Tieren oder sogar Kreaturen mit Nervensystem vorkommt. Es ist in allem. Er gibt sich Mühe, darauf hinzuweisen, dass dies nicht impliziert, dass einfachere Systeme Gedanken oder Gefühle hätten, oder eine der sonstigen geistigen Funktionen, die wir mit Bewusstsein gleichsetzten. Es heißt nur, dass die Kapazität für Bewusstsein besteht, in irgendeiner Form, sei es noch so schwach. Selbst ein bescheidenes Bakterium hat einen Schimmer von dem inneren Licht - vielleicht nur ein Milliardstel des inneren Lichtes, das wir kennen, aber eben nicht überhaupt nichts.
Das aktuelle wissenschaftliche Paradigma geht vom genauen Gegenteil aus - Materie selbst ist völlig gefühllos, ist völlig frei von der Fähigkeit zur Erfahrung. Das Bewusstsein entstehe erst mit der Entwicklung von komplexen Nervensystemen. Das Problem mit dieser Ansicht - David Chalmers „schwieriges Problem des Bewusstseins" - ist zu erklären, wie bewusste Erfahrung jemals aus unbewusster Materie entstehen kann. Warum läuft nicht alle neuronale Verarbeitung "in der Dunkelheit"?
Ervin argumentiert, dass die einzig vertretbare Antwort sei - auch wenn sie ein Gräuel für die aktuelle wissenschaftliche Weltsicht ist - dass die Fähigkeit zur inneren Erfahrung nicht plötzlich, wie von Geisterhand auftaucht, sobald ein bestimmtes Maß an Komplexität entstanden ist. Sondern das Potenzial für die innere Erfahrung ist schon immer dagewesen. ( Quelle: Alles ist Bewusstsein )

Pluto
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#2 Re: Der Panpsychismus und die Evolution des Bewusstseins

Beitrag von Pluto » Sa 16. Aug 2014, 12:13

Demian hat geschrieben:Panpsychismus
Ervin Laszlo hat die These des Panpsychismus aufgestellt: die Hypothese, dass Bewusstsein nicht spezifisch nur bei Menschen oder höheren Tieren oder sogar Kreaturen mit Nervensystem vorkommt. Es ist in allem.
Ervin Laszlo hat diese These neu aufgegriffen und verfeinert. Allerdings wurde die Idee in den letzten 2500 Jahren öfter von Menschen wie Thales von Milet, Platon, Spinoza oder Hume vertreten.
Demian hat geschrieben:Selbst ein bescheidenes Bakterium hat einen Schimmer von dem inneren Licht - vielleicht nur ein Milliardstel des inneren Lichtes, das wir kennen, aber eben nicht überhaupt nichts.
Ja, das ist bekannt.
Am Beispiel relativ großer Einzeller wie die Amöbe, ist zu erkennen, dass sie trotz fehlendem Nervensystem sich in Richtung auf Nahrung hin bewegt, und vor Gefahren flieht. Selbst Licht beeinflusst die Amöbe. Die Frage ist, wie nennt man solche Fähigkeiten bei einem Bakterium? Bewusstsein, Instinkt, Wahrnehmung oder lediglich chemische Affinität?
Laszlo unterstellt einer Amöbe ein Bewusstsein, aber ist das rational wirklich nachvollziehbar?

Demian hat geschrieben:Das aktuelle wissenschaftliche Paradigma geht vom genauen Gegenteil aus - Materie selbst ist völlig gefühllos, ist völlig frei von der Fähigkeit zur Erfahrung. Das Bewusstsein entstehe erst mit der Entwicklung von komplexen Nervensystemen. Das Problem mit dieser Ansicht - David Chalmers „schwieriges Problem des Bewusstseins" - ist zu erklären, wie bewusste Erfahrung jemals aus unbewusster Materie entstehen kann.
Chalmes ist eine bekannte Größe. Seine Fragestellung geht auf das Sinnen von Leibniz zurück, der es nicht fertig brachte, die Möglichkeit anzuerkennen, dass Bewusstsein eine nichtlineare emergente Eigenschaft der Komplexität des ZNS (Zentralen Nerven-System) sein könnte. Chalmers beschreibt in seinem Buch das Problem des fehlenden "Gewissen Etwas" sehr gut, schafft es aber nicht ein einziges Mal auf über 300 Seiten, zu beschreiben was dieses "Etwas" sein könnte — Schade.

Demian hat geschrieben:Ervin argumentiert, dass die einzig vertretbare Antwort sei - auch wenn sie ein Gräuel für die aktuelle wissenschaftliche Weltsicht ist - dass die Fähigkeit zur inneren Erfahrung nicht plötzlich, wie von Geisterhand auftaucht, sobald ein bestimmtes Maß an Komplexität entstanden ist. Sondern das Potenzial für die innere Erfahrung ist schon immer dagewesen.
Ich verstehe nicht warum das ein "Gräuel für die Wissenschaft" sein sollte.
Die Fähigkeit zu Bewusstsein muss IMO sogar sein, sonst gäbe es Kreaturen wie uns Menschen gar nicht (vgl. Anthropisches Prinzip).
Allerdings ist dies nur ein Beweis, dass Bewussstsein in hinreichend komplexen Systemem entstehen kann, nicht aber für die These eines selbstständigen ewig existenten, allgegenwärtigen Bewusstseins.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Demian
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#3 Re: Der Panpsychismus und die Evolution des Bewusstseins

Beitrag von Demian » Sa 23. Aug 2014, 07:38

Pluto hat geschrieben:Die Frage ist, wie nennt man solche Fähigkeiten bei einem Bakterium? Bewusstsein, Instinkt, Wahrnehmung oder lediglich chemische Affinität? Laszlo unterstellt einer Amöbe ein Bewusstsein, aber ist das rational wirklich nachvollziehbar?

Der Panpsychismus unterstellt, dass es verschiedene Bewusstseinsgrade gibt, nicht aber wirklich tote Materie. Ein Kriterium für den Bewusstseinsgrad ist die „Nichttrivialität“, aber es gibt keine wirklich ersichtliche Grenze zwischem „bewusstem“ und vermeintlich „bewusstlosen“. Es ist nicht verständlich, weshalb plötzlich ein qualitativer Sprung von toter Materie zu lebendigem Bewusstsein stattfinden sollte – sehr viel verständlicher, ethisch vertretbarer und sinnvoller, finde ich die Sichtweise, dass es wirklich tote oder bewusstlose Materie gar nicht gibt – das würde auch unsre Ehrfurcht vor und unsre Zugehörigkeit zum Leben stärken, die in unsrem heutigen materialistischen Weltbild viel zu kurz kommt.

Ich verstehe nicht warum das ein "Gräuel für die Wissenschaft" sein sollte.

Nicht für die Wissenschaft, aber für unsre teilweise sehr geistlose und lebensfeindliche, materialistische Denkweise und Gesellschaftsordnung. Menschen brauchen sinnvolle und lebensbejahende Weltbilder.

Allerdings ist dies nur ein Beweis, dass Bewussstsein in hinreichend komplexen Systemem entstehen kann, nicht aber für die These eines selbstständigen ewig existenten, allgegenwärtigen Bewusstseins

Soetwas "beweist" der Panpsychismus auch nicht, denn er ist ein metaphysisches Modell m.E. ein Postulat der Vernunft, denn ich lebe lieber in einer Gesellschaft, in der absolut alles - Steine, Flüsse, Bäume und Berge - respektvoll behandelt werden, als Menschen, Tiere oder Pflanzen wie tote Dinge. ;)

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#4 Re: Der Panpsychismus und die Evolution des Bewusstseins

Beitrag von JackSparrow » Mi 10. Sep 2014, 19:17

Demian hat geschrieben:Der Panpsychismus unterstellt, dass es verschiedene Bewusstseinsgrade gibt, nicht aber wirklich tote Materie.
Hat ein Helium-Atom einen höheren oder einen niedrigeren Bewusstseinsgrad als ein Wasserstoff-Atom?

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