Agent Scullie hat geschrieben:A priori haben Ethik und Religion erstmal gar nichts miteinander zu tun. Weder setzt Ethik irgendeiner Weise Religion voraus, noch ist Religion in erster Linie eine ethische Lehre. Religion ist erst einmal ein metaphysisches Konzept, kein ethisches
Friede sei mit Dir
Du ahnst sicher schon, wie meine Antwort dazu sein wird: ich denke sehr wohl, dass Religion, Moral und Ethik zusammen gehören, denn einzig und allein die Religion gibt den moralischen und spirituellen Wertvorstellungen eine metaphysische Verankerung und schützt sie so vor der Beliebigkeit. Außerdem ist sie rein vom Menschen her gesehen notwendig, denn das Ziel aller Religion ist das Heil des Menschen: in diesem Leben und auch weit darüber hinaus. Sowohl das innere Heil (Seelenfrieden), als auch das äußere Heil im Sinne einer gerechten Gesellschaft. Da der Mensch jedoch ein gebrochenes Wesen ist, besteht die Gefahr, dass Religion verfälscht wird und dadurch zu einer Ursache von Unheil. „
Tantum religio potuit suadere malorum“, sagte darum der römische Dichter Lukrez: Zu soviel Unheil konnte die Religion Anlaß geben (De rerum natura 1, 101) es ist leider so, dass Menschen selbst mit einem ad maiorem Dei gloriam auf den Lippen schlimmste Verbrechen begehen können.
Da der Mensch ein gebrochenes Wesen ist, gibt es die Gefahr der Deformation der Religion, so wie es auch die Gefahr des Missbrauchs der Wissenschaft gibt. Eine Schutzvorkehrung ist der Dialog zwischen Wissenschaft und Religion, wodurch die Möglichkeit der gegenseitigen kritischen Hinterfragung gegeben ist, sie erleuchten sich gegenseitig den Weg und inspirieren sich zu Höchstleistungen. Die wissenschaftliche Methode kann vollkommen amoralisch angewandt werden. Im Gegensatz dazu vermittelt die Religion eine moralische Orientierung, vermittelt eine spirituelle Lebensweise und gibt Antworten auf existenzielle Fragen:
Wer bin ich? Woher komme ich? Was ist der Sinn und das Ziel meines Seins? Wie sieht ein glückliches und erfülltes Leben aus und was können wir tun, um dort hin zu gelangen?
Aus diesem Grund ist sie m.E. notwendig und unverzichtbar, denn sie dient der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins oder sogar der Erschaffung eines neuen (veredelten) Menschen („
Der neue Mensch ist das ganze Evangelium“, sagte Karl Barth ~ alle Christen kennen die Rede vom alten und neuen Menschen) Ich zitiere dazu Udo Schaeffer:
Sie alle (die Religionen) waren die Entstehungsursache für ein substantiell neues Denken, für einen genuin neuen Menschentypus, für die Umgestaltung von Gesellschaften und für den Aufstieg großer, glanzvoller Kulturen[...]Die Krise unserer abendländischen Zivilisation, die große Denker wie Friedrich Nietzsche, Oswald Spengler, Karl Jaspers, Arnold Toynbee angekündigt haben, ist zu einer Überlebenskrise der Menschheit geworden. Ohne geistige Erneuerung, ohne Religiosität, kann sie, wie ich glaube, nicht überwunden werden.
Wozu Religion? (Mai 2008)