Relativismuspoker

Philosophisches zum Nachdenken
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sven23
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#201 Re: Relativismuspoker

Beitrag von sven23 » Do 12. Mai 2016, 06:31

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber gerade im letzten Fall hat man dann ein riesiges Problem mit der fehlgeschlagenen Naherwartung.
Du setzt immer voraus, dass es überhaupt eine Naherwartung gab - genau das ist doch unplausibel, wenn Jesus der Messias/Gott war, was wir historisch doch nicht ausschließen können. - Geh davon aus, dass Jesus nicht im geringsten an eine "äußere" Naherwartung in Deinem Sinne gedacht hat, WENN er Messias/Gott ist - was ja auch Du nicht ausschließen kannst..
Und genau das ist der Fehler, wenn man das Pferd von hinten aufzäumt. Der Fehlschluss ist: Jesus ist der Sohn Gottes, ein Gott kann sich nicht irren, ergo kann er keine Naherwartung gehabt haben.
Die richtige Vorgehensweise ist aber: was sagen die Textquellen über den Protagonisten aus? Wurde in späteren Texten versucht, diesen Irrtum zu korrigieren, usw.



closs hat geschrieben: Es wird ja auch nicht so in der systematischen Theologie gesehen, weil man dort die Bibel einfach ganz einfach anders auslegt - nicht äußerlich, sondern innerlich - nicht auf ein Kommen Jesu nach seinem Tod hin, sondern auf seine immerwährende Präsenz seit seines Erscheinens. - Das sind ganz andere Kategorien, die mit "Deinen" äußeren Mutmaßungen überhaupt nichts am Hut haben.
Genau deshalb kann sie auch kein Instrument in der historischen Jesusforschung sein. Ich werde später noch darauf eingehen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#202 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 08:52

Münek hat geschrieben:An Deinem Fantasieprodukt ist NICHTS plausibel (= einleuchtend, auf Anhieb verständlich).
Willst Du Plausibilität davon abhängig machen, was einer kapiert?

Münek hat geschrieben:Meine Darstellung kannst Du - so Du lesewillig bist - der Bibel oder dem Katholischen Katechismus entnehmen.
Du musst doch die Bedeutung erkennen. - Wenn nicht, ist es tatsächlich eine Räuberpistole.

sven23 hat geschrieben:Die richtige Vorgehensweise ist aber: was sagen die Textquellen über den Protagonisten aus? Wurde in späteren Texten versucht, diesen Irrtum zu korrigieren, usw.
Davon abgesehen, dass man vieles in Textquellen ganz anders interpretieren kann als Du (auch das ist eine Frage der Epoche, die interpretiert - aber lassen wir das mal hier weg), kann die HKM nur nachforschen, ob ein Autoren-Irrtum später korrigiert wurde - hier geht es aber nicht um den Autoren, sondern Jesus.

sven23 hat geschrieben:Genau deshalb kann sie auch kein Instrument in der historischen Jesusforschung sein.
Einverstanden - aus meiner Sicht wäre der Kittel bereits geflickt, wenn die HKM sagt: "Neben anderen Zugängen zur Bibel haben wir UNSEREN Zugang: In der Folge tun wir so, als sei Jesus nicht als Messias/Gott zu interpretieren und spielen mal durch, das rauskommt, wenn man das tut - und weiterhin auf spirituelle Interpretationen verzichtet, sondern streng historisch-kritisch vorgeht".

Das Ergebnis ist dann: "SChau mal - wenn man die Quellen rein säkular in diesem Sinne interpretiert, kommt folgendes raus: ...". - Habe ich echt kein Problem damit. Problematisch wird es, wenn die HKM nicht deutlich macht, dass dies nur EIN Entwürf ist nach ihrem Motto "Was wäre, wenn", sondern als sei dies als vorrangige Wirklichkeits-Version ("So war es damals so gut wie sicher. Jesus hatte WIRKLICH eine Naherwartung und kann WIRKLICH nicht leiblich auferstanden sein") - wenn man also vergißt, dass dieser Approach EIN Annäherungs-Experiment ist an das, was war, und nicht notwendigerweise der Königsweg.

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#203 Re: Relativismuspoker

Beitrag von Pluto » Do 12. Mai 2016, 10:09

closs hat geschrieben:Willst Du Plausibilität davon abhängig machen, was einer kapiert?
Das MUSS man sogar. Anders geht es doch gar nicht.

closs hat geschrieben:aus meiner Sicht wäre der Kittel bereits geflickt, wenn die HKM sagt: "Neben anderen Zugängen zur Bibel haben wir UNSEREN Zugang: In der Folge tun wir so, als sei Jesus nicht als Messias/Gott zu interpretieren und spielen mal durch, das rauskommt, wenn man das tut - und weiterhin auf spirituelle Interpretationen verzichtet, sondern streng historisch-kritisch vorgeht".
Die HK sagt NICHTS darüber aus, ob Jesus sei nicht Gott. Sie forscht Ergebnisoffen und führt uns so zur Wahrheit. Wenn die systematische Theologie diese Ergebnisse nicht wahrhaben will, darf man nicht der HKM dafür die Schuld geben.

closs hat geschrieben:Problematisch wird es, wenn die HKM nicht deutlich macht, dass dies nur EIN Entwürf ist nach ihrem Motto "Was wäre, wenn", sondern als sei dies als vorrangige Wirklichkeits-Version ("So war es damals so gut wie sicher. Jesus hatte WIRKLICH eine Naherwartung und kann WIRKLICH nicht leiblich auferstanden sein") - wenn man also vergißt, dass dieser Approach EIN Annäherungs-Experiment ist an das, was war, und nicht notwendigerweise der Königsweg.
Der "Königsweg" ist doch GAR NICHTS anzunehmen. Und genau das macht die HKM.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#204 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 11:22

Pluto hat geschrieben:Das MUSS man sogar. Anders geht es doch gar nicht.
Also wäre Plausibilität abhängig von dem, was einer kapiert? Das hieße doch gerade, dass KEINE Konstante, sondern eine Variable wäre. - Da sehe ich einen objektiveren Weg:

Man definiere eine Perspektive mit den damit verbundenen Eigenschaften und leite danvon ab, was im Sinne dieser Perspektive plausibel ist. Unabhängig davon, wer davon was kapiert. - Ist das nicht besser?

Pluto hat geschrieben:Die HK sagt NICHTS darüber aus, ob Jesus sei nicht Gott.
Genau das tut sie methodik-immanent - das scheint mir der große Denkfehler zu sein. - Denn wenn die Methodik sagt, sie berücksichtige nur, was falsifizierbar sei, dann MUSS sie die historische Möglichkeit, dass Jesus Gott sei, als irrelevant ansehen, da dies grundsätzlich nicht falsifizierbar ist. - Aber eben historisch möglich: Jesus KANN der inkarnierte Gott sein und ist dann eine historische Größe.

Das ist KEINE Kritik an der HKM, sondern soll doch nur ihre selbst-gesetzten Grenzen aufzeigen.

Pluto hat geschrieben: Sie forscht Ergebnisoffen und führt uns so zur Wahrheit.
Das ist in dieser allgemeinen Formulierung unrichtig. - Sie ist lediglich ergebnisoffen innerhalb ihrer methodischen Möglichkeiten - sie könnte also prinzipiell nicht zum Ergebnis kommen, Jesus sei Gott, selbst wenn Jesus historisch Gott gewesen wäre. - Die HKM erbringt eine Wahrheit INNERHALB ihrer Möglichkeiten, die den Fall "Jesus ist Gott" gar nicht erfassen kann.

Pluto hat geschrieben:Wenn die systematische Theologie diese Ergebnisse nicht wahrhaben will, darf man nicht der HKM dafür die Schuld geben.
Die systematische Theologie sagt "Wir haben eine andere Perspektive. So wir Ihr, HKM, ausschließt, dass Jesus historisch Gott ist, glauben wir, dass Jesus historisch Gott ist. Wenn Ihr, HKM, also methodik-immanent ausschließen müsst, dass Jesus Gott ist, schließen wir methodik-intern aus, dass Jesus NICHT Gott ist".

Das ist wirklich dasselbe in Grün. - Und genau das scheint nicht erkannt zu werden. - Die systematische Theologie erkennt das natürlich und geht entspannt damit um: "Wir glauben Euch, HKM, dass Eure methodischen Ergebnisse Folge guter Arbeit sind". - Aber diese Ergebnisse können aus Sicht der systematischen Theologie (auch aus meiner Sicht) nicht Grundlage einer inhaltlichen Deutung der Bibel sein - stell Dir vor: "Wir untersuchen die Bibel unter der Prämisse, dass die Texte dort nichts mit Gott zu tun haben". - Das kann doch nicht Grundlage der Theologie sein - oder meinst Du das?

Pluto hat geschrieben:Der "Königsweg" ist doch GAR NICHTS anzunehmen. Und genau das macht die HKM.
Wie oben erläutert, ist dies genau der Denkfehler.

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#205 Re: Relativismuspoker

Beitrag von Pluto » Do 12. Mai 2016, 12:34

closs hat geschrieben:Man definiere eine Perspektive mit den damit verbundenen Eigenschaften und leite danvon ab, was im Sinne dieser Perspektive plausibel ist. Unabhängig davon, wer davon was kapiert. - Ist das nicht besser?
Ich sehe das als den schlechteren Weg.
Warum?
Du definierst Plausibilität nach deiner subjektiven Weltanschauung. Deshalb halte die Definition besser, die möglichst Viele als plausibel erachten.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die HK sagt NICHTS darüber aus, ob Jesus sei nicht Gott.
Genau das tut sie methodik-immanent - das scheint mir der große Denkfehler zu sein.
Wieso Denkfehler?
Du möchtest die Annahme Jesus sei Gott, voraus setzen und forderst alle müssten es so sehen wie du. Was du übersiehst, ist, dass es aber deine ganz private "rosarote Brille" ist.

closs hat geschrieben:Die systematische Theologie sagt "Wir haben eine andere Perspektive. So wir Ihr, HKM, ausschließt, dass Jesus historisch Gott ist, glauben wir, dass Jesus historisch Gott ist. Wenn Ihr, HKM, also methodik-immanent ausschließen müsst, dass Jesus Gott ist, schließen wir methodik-intern aus, dass Jesus NICHT Gott ist".
Das behauptest du immer wieder. Kannst du es auch überprüfbar belegen?

closs hat geschrieben:...stell Dir vor: "Wir untersuchen die Bibel unter der Prämisse, dass die Texte dort nichts mit Gott zu tun haben". - Das kann doch nicht Grundlage der Theologie sein - oder meinst Du das?
Natürlich nicht.
Aus meiner Sicht ist die Grundlage der HKM folgende:
"Die Bibel ist zunächst mal ein Text; lass uns schauen was uns dieser Text sagt, und vergleichen die Aussagen dann mit den geschichtlichen und archäologischen Fakten."
Dass diese Grundlage bei einigen systematisch orientierten Theologen auf Widerstand stößt ist verständlich. Aber mir scheint die Ablehnung in der Angst vor der Wahrheitsfindung zu liegen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der "Königsweg" ist doch GAR NICHTS anzunehmen. Und genau das macht die HKM.
Wie oben erläutert, ist dies genau der Denkfehler.
Ich weiß nicht ob ein Denkfehler liegt. Bisher ist es nur eine Behauptung von dir, ein Vorwurf an die HKM. Aber du kannst den Denkfehler weder belegen, noch irgendwie plausibel (ohne Weltanschauung) untermauern.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#206 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 16:51

Pluto hat geschrieben:Du definierst Plausibilität nach deiner subjektiven Weltanschauung.
Nein - nach einer intersubjektiv darstellbaren Perspektive.

Pluto hat geschrieben:Deshalb halte die Definition besser, die möglichst Viele als plausibel erachten.
Didaktisch vielleicht sinnvoll - aber philosophisch geht das nicht.

Man sollte aus meiner Sicht nicht danach orientieren, was viele Leute epochen-gemäß plausibel nennen, sondern Perspektiven-Grundlagen intersubjektiv definieren.

Pluto hat geschrieben:. Kannst du es auch überprüfbar belegen?
Genauso wenig, wie die HKM übeprüfbar belegen kann, dass Jesus nur Mensch ist.

Pluto hat geschrieben:Du möchtest die Annahme Jesus sei Gott, voraus setzen und forderst alle müssten es so sehen wie du.
Ganz und gar nicht: Ich will alle relevanten historischen Möglichkeiten beachtet sehen - wenn die Evangelien geschrieben wurden, weil Jesus der Messias/Gott ist, kann man nicht den Fall ausschließen, dass sie recht haben.

Pluto hat geschrieben:Aber mir scheint die Ablehnung in der Angst vor der Wahrheitsfindung zu liegen.
Da täuschst Du Dich wirklich - in der Theologie sieht man das wirklich entspannt, möchte allerdings nicht, dass eine Disziplin, die methodik-immanent ausschließt, dass Jesus der Messias/Gott ist, den Kern der Theologie ausmacht. - Man versteht die HKM tatsächlich mehrheitlich als Lieferanten wichtiger sprach-/geschichts-/sozial-/etc-wissenschaftlicher Erkenntniss. - HKM-Exegese ist für sie rein technische Exegese, die nichts mit substantiellen Fragestellungen der Bibel zu tun hat - so wie ein Zahntechniker eminent wichtig für den zahnarzt nicht, aber selbst kein Zahnarzt ist.

Pluto hat geschrieben:Aber du kannst den Denkfehler weder belegen, noch irgendwie plausibel (ohne Weltanschauung) untermauern.
Solange Du nicht erkennst, dass die HKM methodik-immanente Setzungen hat, hast Du recht.

Anton B.
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#207 Re: Relativismuspoker

Beitrag von Anton B. » Do 12. Mai 2016, 18:29

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Du bist der, der die Unterscheidung negiert und einen Anspruch erhebt, der nicht erfüllt werden kann.
Das verstehe ich überhaupt nicht. - Mein einziger Anspruch ist, dass man unterscheidet zwischen dem, was man (naturwissenschaftlich/sinnlich/geistig) wahrnimmt und was diesbezüglich "ist" - UND dass man lieber NICHTS zu wissen beansprucht, als falsche Ansprüche zu erheben. - Das reicht mir eigentlich.
"Wissen" bezüglich empirisch wahrnehmbaren Untersuchungsgegenständen bedeutet, vernünftig begründete Modelle als Voraussage für Beobachtungen anzunehmen. Das beinhaltet, keine absolute Wahrheit zu benennen und keine "echte" Wahrheit über das, was wahrnehmbar und intersubjektiv ist, vermitteln zu können. Du versuchst für den Begriff "Wissen", diesen Anspruch auf die absolute Wahrheit auszudehnen.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Dann sage uns auch, wie das erkannt werden soll.
Es gibt nur Annäherungen durch verschiedene Disziplinen/Methoden - man kann auch grottenfalsch damit liegen. - Es ist zwar schön, aber letztlich nicht entscheidend, ob etwas erkannt wird. Entscheidend ist, dass es "ist".
Dein Credo. Aber keine Deiner Aussagen dazu konnte zumindest mich dazu bewegen, irgendwas Hilfreiches für unsere Fragen hier darin zu sehen.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Warum denn? Wo doch der Anspruch, darzustellen, "wie es wirklich war", gar nicht erhoben wird.
Vielleicht ein Missverständnis - ich habe gemeint: "Kann man denn nicht sagen?" also im Sinne von "Man bricht sich doch keinen ab, wenn man es sagt:" --- Also nochmal in anderen Worten:

Aber man bricht sich doch keinen ab, wenn man sagt: "Bei unseren Annahmen ergibt sich mit unserer Methodik folgende Wirklichkeit - ob es wirklich so war, wissen wir nicht".

Das war wahrscheinlich ungeschickt von mir, weil das Fragezeichen erst ganz hinten kommt - ist es so verständlich?
War es auch vorher schon, denn genau so hatte ich Dich verstanden. Nur bin ich nicht der Meinung, es müsste andauernd gesagt werden: Aus der Wissenschaftstheorie lässt sich das für den, den es interessiert, leicht entnehmen. Wem soll ein Satz, wie

"Bei unseren Annahmen ergibt sich mit unserer Methodik die Existenz eines Erdenmondes mit diesen und jenen Eigenschaften - ob es wirklich so ist, wissen wir nicht

denn nutzen? Mit dem aufgeklebten Label "Wissenschaft" sind die Ansprüche geklärt.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Du hast noch immer nicht verstanden, was "Wissen" bedeutet.
Moment: Ich gehe dagegen an, dass "Wissen" als absolut dargestellt wird. - Frage jemanden auf der Straße: Für ihn ist Wissen "das ist so" und Glaube "naja, könnte vielleicht sein".
Dann greife das auf und widme Dich der Aufklärung, was Wissen und was Glaube ist. Das scheint mir sinnvoller zu sein, als zu Klagen und der ungerechten Welt mit neuen ultimativen Vereinheitlichungstheorien Beine machen zu wollen. Aber um aufzuklären, muss closs erstmal selber Wissen und Glaube verstehen.

closs hat geschrieben:(System-) Wissen ist aber eben NICHT "das ist so", sondern ein ernstzunehmender Versuch, sich dem "das ist so" mit qualifizierter Wahrnehmungs-Technik authentisch anzunähern. - Du meinst offensichtlich mit "Wissen" das, was ich "System-Wissen" nenne.
Ich kenne "philosophisch" nur "Wissen" im Sinne des tradierten Wissensbegriffes, wie er in jedem Philosophie-Lexikon beschrieben ist.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:... und damit die Brücke zu einer gemeinsamen Sicht von Glaube und Wissen sein kann! Geht nur so nicht.
Die Sicht sollte schon einvernehmlich sein können: Hier kritisch-rationalistisch Angehbares, dort spirituell-geistig Angehbares. - Das Untersuchte kann in beiden Fällen wirklich sein.
Wenn die Modelle der noch ordentlich darzustellenden closs'schen vereinheitlichten Erkenntnistheorie entspringen, vielleicht.

closs hat geschrieben:Die Methodik bleibt natürlich unterschiedlich, weil ein Stein anders untersucht werden kann als Gott. Daran ändert sich nichts.
Die Methoden, einen Stein zu untersuchen, begründen wir mit dem Wissen der fundamentalen Wissenschaften Physik und Chemie. Da setzen wir Stein-Modelle mit zusätzlichen Eigenschaften drauf, die durch Beobachtungen bewährt oder falsifiziert werden. Alles so, dass es vernünftig begründet wird. Das ist ist der Unterschied zu dem bisher gescheiterten Vorhaben, Gott als valide Theorie in die Wissenschaft einzubringen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Thaddäus
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#208 Re: Relativismuspoker

Beitrag von Thaddäus » Do 12. Mai 2016, 20:27

Anton B. hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Das verstehe ich überhaupt nicht. - Mein einziger Anspruch ist, dass man unterscheidet zwischen dem, was man (naturwissenschaftlich/sinnlich/geistig) wahrnimmt und was diesbezüglich "ist" - UND dass man lieber NICHTS zu wissen beansprucht, als falsche Ansprüche zu erheben. - Das reicht mir eigentlich.
"Wissen" bezüglich empirisch wahrnehmbaren Untersuchungsgegenständen bedeutet, vernünftig begründete Modelle als Voraussage für Beobachtungen anzunehmen. Das beinhaltet, keine absolute Wahrheit zu benennen und keine "echte" Wahrheit über das, was wahrnehmbar und intersubjektiv ist, vermitteln zu können. Du versuchst für den Begriff "Wissen", diesen Anspruch auf die absolute Wahrheit auszudehnen.
Genau so ist es.
Wie closs völlig korrekt selbst schreibt, versteht er es aber nicht. Leider hilft es auch nichts, ihm es vernünftig zu begründen, weil er dann zu der abenteuerlichen Erklärung Zuflucht nimmt, Logik, Plausibilität und vernünftiges Argumentieren seien bereits willkürliche Setzungen einer speziellen Weltanschauung. Dass er dabei selbstwidersprüchlich wiederum zumindest versucht, vernünftig und plausibel zu argumentieren, fällt ihm nicht auf. Noch viel weniger, dass es ihm nicht gelingt, plausibel und vernünftig zu argumentieren, da seine Überzeugung schon in sich inkonsistent ist.

Anton B. hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Es gibt nur Annäherungen durch verschiedene Disziplinen/Methoden - man kann auch grottenfalsch damit liegen. - Es ist zwar schön, aber letztlich nicht entscheidend, ob etwas erkannt wird. Entscheidend ist, dass es "ist".
Dein Credo. Aber keine Deiner Aussagen dazu konnte zumindest mich dazu bewegen, irgendwas Hilfreiches für unsere Fragen hier darin zu sehen.
Niemanden überzeugt clossens Argumentation, da sie erkennbar selbstwidersprüchlich und darum inkonsistent ist. Dazu muss man keine Philosophie studiert haben.
Historische Wissenschaft und natürlich auch die HKM versuchen gerade herauszufinden, was tatsächlich war. Closs setzt dagegen bloße spekulative Möglichkeiten als geschehene historische Wirklichkeiten und fordert, diese als historisch gesetzte Tatsachen exegetisch zu berücksichtigen. Es fällt ihm nicht auf, dass er damit historische Wissenschaft ad absurdum führt und hält das sogar noch für ein Ideal von "Ergebnisoffenheit". Da kann man als Wissenschaftler nur noch mit offenem Mund dastehen, da die wissenschaftlich streng verbotene principio principii von closs sogar noch in ein wissenschaftliches Ideal verkehrt wird. Die Ergebnisse historisch-kritischer Exegese werden in die Voraussetzungen von Exegese umgedeutet, was z.B. dazu führt, dass die historisch bestens belegbare Naherwartung Jesu ignoriert werden soll, weil der Gottessohn sich ja nicht irren kann, aber die Gottessohnschaft als Faktum gesetzt wird. Man soll also an das Gegenteil dessen glauben, was die HKM als wahrscheinlichste historische Tatsache rekonstruiert.
Clossens Position nur als "absurd" zu bezeichnen, ist bereits eine Verharmlosung.

Anton B. hat geschrieben:
closs hat geschrieben:(System-) Wissen ist aber eben NICHT "das ist so", sondern ein ernstzunehmender Versuch, sich dem "das ist so" mit qualifizierter Wahrnehmungs-Technik authentisch anzunähern. - Du meinst offensichtlich mit "Wissen" das, was ich "System-Wissen" nenne.
Ich kenne "philosophisch" nur "Wissen" im Sinne des tradierten Wissensbegriffes, wie er in jedem Philosophie-Lexikon beschrieben ist.
Closs ist weit davon entfernt zu verstehen, dass Wissen gerechtfertigte Meinung bedeutet im Unterschied zur ungerechtfertigten Meinung, die eben nur eine nicht-plausibel-begründbare Meinung darstellt.
Gerade ontologisch ist es natürlich völliger Quatsch, die bloße Möglichkeit eines historischen Ereignisses als gesetzte Wirklichkeit zu behaupten, um auf diese rein spekulative Setzung noch viel gewaltigere und weitreichendere spekulative Setzungen drauf zu setzen. Nach clossens Wirklichkeitsverständnis müssten historische Wissenschaft und HKM auch den möglichen Fall berücksichtigen, dass Odin das Geheimnis der Runen kennt und Thor seinen Hammer Mjöllnir schwingt.

P.S. Ich verabschiede mich mit diesem Post auf unbestimmte Zeit aus dem Forum, weil es jetzt zurück nach Buenos geht. Allen Foristen hier noch viel Spaß beim Diskutieren und Danke, dass ich mitdiskutieren durfte!

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Münek
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#209 Re: Relativismuspoker

Beitrag von Münek » Do 12. Mai 2016, 21:09

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Quellen geben leider nicht anderes her - es sei denn, Du unterstellst, Jesus habe es nicht so gemeint, wie er es dem Volk landauf landab gepredigt hat. Eine solche Unterstellung wäre an Absurdität nicht zu überbieten.
Du siehst es schon wieder als Faktum, dass Jesus "das nahe Gottesreich" so verstanden hat wie Du - und deshalb kommt es zu diesen absurden Situationen.
Vertreter der HKM gehen davon aus, dass Jesu Landsleute genau wussten, wovon dieser sprach. Der Begriff "Reich Gottes" bzw. "Gottesherrschaft" war ihnen geläufig; Jesus musste ihn dem Volk nicht erklären. Ich bringe gern entsprechende Zitate von den Neutestamentlern Theißen/Merz und Conzelmann/Lindemann, die ihre Auffassungen auch begründen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Und jetzt?
Immer dasselbe: Du interpretierst "das nahe Gottesreich", wie Du es verstehst, und unterstellst Jesus, er habe es genauso gemeint.
Ich unterstelle Jesus gar nichts. Deine Interpretation des Begriffs "Gottesreich" im Sinne eines im Inneren des Menschen befindlichen "Etwas" wird doch von niemandem geteilt. Sie passt auch gar nicht zu folgenden Äußerungen Jesu zu seinen Jüngern:

"Ich vermache euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat. Ihr sollt in meinem Reich mit mir
an meinem Tisch essen und trinken, und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten." (Lk. 22, 28)
"Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet
ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Tronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten." (Mt. 19,28)
"Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner
Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden.[/b] (Mt. 25,31).

Das ist nur eine kleine Auswahl ähnlicher Aussagen Jesu vom "Reich Gottes", die ganz gewiss nicht ein im Inneren des Menschen befindliches Gottesreich meinen. Na gut - ein Beispiel bringe ich noch: "Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler. Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich [= Gottesreich]. Ihr selbst geht nicht hinein; aber ihr lasst auch die nicht hinein, die hineingehen wollen." (Mt. 23,13)

closss hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzinger lehnt im Übrigen Deine These von einem "inneren" Gottesreich ausdrücklich ab.
Das ist doch ein ganz anderer Kontext - er legt Wert auf eine "äußere" Historizität Jesu und möchte sich abgrenzen gegen irgendeine Psycho-Religion.
Nee - da existiert kein anderer Kontext. Es geht immer noch um das von Jesus als nah herbeigekommen verkündigte"Reich Gottes". Dir passt nur nicht, dass Ratzinger Deine These eines "inneren" Gottesreiches ausdrücklich ablehnt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: "Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten". Und nun?
A-p-o-k-a-l-y-p-s-e !!!!!!
Huch :o . Was soll das denn jetzt? Lies Dir noch mal meinen Beitrag vom "Kommen Christi" durch, welches Du trotz gegenteiliger Aussagen in diversersen neutestamentliche Schriften (natürlich auch in der "Offenbarung des Johannes") sowie im christlichen Glaubensbekenntnis ablehnst.

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#210 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » Do 12. Mai 2016, 21:21

Anton B. hat geschrieben:"Wissen" bezüglich empirisch wahrnehmbaren Untersuchungsgegenständen bedeutet, vernünftig begründete Modelle als Voraussage für Beobachtungen anzunehmen. Das beinhaltet, keine absolute Wahrheit zu benennen
Das ist eine sehr inner-wissenschaftliche Definition, die insofern missverständlich sein kann, dass "Wissen" im Allgemeinen verstanden wird als "sicheres Faktum" und nicht als hypothetisches Modell. In diesem Sinne nämlich wäre auch Glaube ein Wissen - und genau das soll und kann es ja nicht sein. - Hier klaffen philosophisches und wissenschaftliches Verständnis auseinander.

Anton B. hat geschrieben:Aber keine Deiner Aussagen dazu konnte zumindest mich dazu bewegen, irgendwas Hilfreiches für unsere Fragen hier darin zu sehen.
Eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als das "Wissen" nichts als ein hypothetisches Modell der (sinnlichen, naturwissenschaftlichen/spirituellen) Wahrnehmung ist.

Anton B. hat geschrieben: Wem soll ein Satz, wie "Bei unseren Annahmen ..." denn nutzen?" :wave:
Es soll denen die Augen öffnen, die ihr hypothetisches Wissen (ich nenne es "System-Wissen") nach außen de facto als unverrückbares Faktum darstellen. Da nützt es nichts, dass man theoretisch einräumt, es sei nicht so - man tut so, als sei es so.

Ein Bsp. dafür ist die "leibliche Auferstehung Jesu" - diese könne nicht sein, da es gegen naturgesetzliche Prinzipien verstoße - der Text sei also historisch nicht glaubhaft. - Ich halte dies für einen gefährlichen Stockfehler - denn WENN es Gott gibt, pfeift er auf unser System-Wissen.

Anton B. hat geschrieben:Aber um aufzuklären, muss closs erstmal selber Wissen und Glaube verstehen.
Was Du unter "verstehen" verstehst, ist auch nur EIN Ansatz, EINE Perspektive. - Sieht man es ontologisch, gibt es kein Wissen - es ist eine Sprach- und Perspektiven-Frage.

Anton B. hat geschrieben:Ich kenne "philosophisch" nur "Wissen" im Sinne des tradierten Wissensbegriffes
Wenn Sokrates (angeblich) sagt "Ich weiss, dass ich nichts weiss", ist dies NICHT in Deinem Sinn gemeint, sondern ontologisch - auch das ist tradiert.

Anton B. hat geschrieben:Wenn die Modelle der noch ordentlich darzustellenden closs'schen vereinheitlichten Erkenntnistheorie entspringen, vielleicht.
Muss man diesen Umweg gehen? - Reicht nicht einfach normale Logik?

Anton B. hat geschrieben:Das ist ist der Unterschied zu dem bisher gescheiterten Vorhaben, Gott als valide Theorie in die Wissenschaft einzubringen.
Richtig. - Wer versucht denn, Gott als valide Theorie in die (Natur-) Wissenschaft einzubringen?

Das Problem ist doch folgendes:
Es ist ein qualitativer Zungenschlag dabei, wenn etwas "wissenschaftlich valide" ist - als sei man dann näher an der Wahrheit als über spirituelle Validität. Daraus wird dann der (agnostische/atheistische) Eigen-Glaube gestärkt, Religion sei "Einbildung" und nichts für wissens-seriöse Menschen.

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