Wird die Philosophie unterschätzt?

Philosophisches zum Nachdenken
Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#391 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 16:09

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Andere Existenzen findet man nicht.
Im naturalistischen Sinne ist das richtig.
Das ist in JEDEM Sinn richtig.
Nun ist deine Äußerung: "Das ist in JEDEM Sinn richtig" offenbar nicht im naturalistischen Sinn richtig, denn sie ist ja keine naturwissenschaftliche Aussage, sondern eine Zustimmung zu SilverBullets These: "Andere Existenzen findet man nicht", die wiederum keine naturwissenschaftliche These ist, sondern eine ontologische, die auf naturwissenschaftliche Weise weder widerlegbar noch beweisbar ist, sondern nur auf philosophische. ;)

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#392 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Pluto » Mo 4. Jan 2016, 16:39

Thaddäus hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Im naturalistischen Sinne ist das richtig.
Das ist in JEDEM Sinn richtig.
Nun ist deine Äußerung: "Das ist in JEDEM Sinn richtig" offenbar nicht im naturalistischen Sinn richtig, denn sie ist ja keine naturwissenschaftliche Aussage...
Wie so oft...

What can be asserted without proof can be dismissed without proof. - [Christopher Hitchens]

Aber du kannst ja gerne versuchen den Nachweis zu bringen, dass es mehr als einen Sinn, oder wie closs es immer wieder formuliert, mehr als das eine System in der Welt gibt. Wenn du es tust, dann denke an Carl Sagans Worte:

Außergewöhnliche Behauptungen bedürfen außergewöhnlicher Belege.

Ich wünsche viel Spaß bei der (philosophischen) Beweisführung. ;)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#393 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » Mo 4. Jan 2016, 16:46

Pluto hat geschrieben:What can be asserted without proof can be dismissed without proof.
Dieses geradezu religiöse Dogma führt allenfalls zu Bequemlichkeit.

Im Grunde sagst Du, dass der Wahrnehmungs-Horizont des Menschen Maßstab dafür ist, was sein kann und was nicht. - Genau das habe ich mehrfach als anthropozentristisch kritisiert.

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#394 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von ThomasM » Mo 4. Jan 2016, 17:23

Pluto hat geschrieben: Wie so oft...

What can be asserted without proof can be dismissed without proof. - [Christopher Hitchens]

Außergewöhnliche Behauptungen bedürfen außergewöhnlicher Belege.
Lieber Pluto:
Könntest du bitte einen experimentellen Nachweis dafür bringen, dass diese beiden außergewöhnlichen Behauptungen korrekt sind?

Du wirst feststellen, dass das unmöglich ist.
Der Nachweis von Behauptung 1 scheitert daran, dass All-Behauptungen nicht nachweisbar sind.
Der Nachweis von Behauptung 2 scheitert daran, dass "außergewöhnlich" nicht definiert ist.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#395 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Pluto » Mo 4. Jan 2016, 17:25

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Wie so oft...

What can be asserted without proof can be dismissed without proof. - [Christopher Hitchens]

Außergewöhnliche Behauptungen bedürfen außergewöhnlicher Belege.
Lieber Pluto:
Könntest du bitte einen experimentellen Nachweis dafür bringen, dass diese beiden außergewöhnlichen Behauptungen korrekt sind?
Es sind eben philosophische Aussagen. Als Solche brauchen sie keinen Nachweis.

Du wirst feststellen, dass das unmöglich ist.
Nichts ist unmöglich. - [Toyota]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#396 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von SilverBullet » Mo 4. Jan 2016, 17:34

Thaddäus hat geschrieben:Wenn Pluto "eine Codierung bereitgestellt" (was immer das heißen soll), die "in meiner Wahrnehmung in Bedeutungszusammenhänge umgewandelt und als Gedanke verstanden wird", wie du schreibst, dann äußert er in meiner - wie auch in seiner eigenen Wahrnehmung und deiner übrigens - ganz offensichtlich einen Gedanken!
Z.B. Text und Sprache sind Codierungen, d.h. ein System muss selbst die grundlegenden Mechanismen bereitstellen, um die Zusammenhänge zu rekonstruieren.

Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten.

Vor diesem Hintergrund kann man z.B. bei literarischen Figuren nicht von wirklicher Existenz sprechen.
Sie existieren nicht als Objekte und sie wirken auch nicht auf Wahrnehmung ein.
Es ist hierbei immer die Wahrnehmung selbst, die die Bedeutungszusammenhänge aufbauen und dann eine Reaktion darauf generieren muss.

Thaddäus hat geschrieben:Könntest du vielleicht mal erklären, wie du hier über Plutos Gedanken (also seine obige Aussage) selbst die Aussage treffen kannst, er gehöre "tatsächlich nicht zur Wirklichkeit", wenn er nicht zu Wirklichkeit gehört?
Wenn du dich damit befassen würdest, aus was Gedanken hergestellt werden können, dann müsstest du das nicht fragen.

Mich wundert es nicht, dass du dir nicht erklären kannst, wie ich zu meinen Aussagen komme, denn du verwendest zum einen den philosophischen Anspruch der Denkgültigkeit und zum anderen die Alltagssprache, als Grundlage.

Zuerst einmal muss man festhalten, dass weder die Philosophie, noch die Alltagssprache, noch Duden, noch Wiki den „Übergang von Gehirn zu Bewusstsein“ kennen.
D.h. diese „Serie von Experten“ taugt schon mal rein gar nichts.

Des Weiteren spreche ich (wie ich schon angedeutet habe) nicht vom „Vorhandensein eines Gedankens“ oder vom „Haben eines Gedankens“, sondern ich spreche vom Verstehen des „Habens eines Gedankens“.

Den Unterschied erkennt man vielleicht nicht sofort, aber er ist gewaltig:
Beim „Vorhandensein/Haben“ liegt tatsächlich ein Gedanke vor (aus was auch immer ein Gedanke gemacht sein soll).
Beim „Verstehen des Habens“ liegt nicht der Gedanke vor, sondern die Verstehzusammenhänge laufen ab, sozusagen: die Wirkung, also eine Reaktion, wie wenn gerade ein Gedanke durchgeführt worden wäre.

In beiden Fällen kommt es dazu, dass Duden, Wiki, Alltagssprache und Philosophie ihre Entwürfe genauso aufstellen, wie du es angeführt hast.

Die zweite Variante ist aber viel raffinierter, weil hier keine existierenden „phänomenalen Inhalte“ benötigt werden, sondern ein Verstehablauf, der auf Basis von Bedeutungszusammenhängen stattfindet -> aktives Gehirn.

Das ist sozusagen eine „Universalreduktion des Bewusstseins auf die Möglichkeiten des Gehirns“.
Das kann man auf alle rätselhaften „Mental-Dinge“ anwenden (Farben, Schmerzen, Emotionen, Ich usw.).

Mit diesem „Trick“ benötigt man keine tatsächlich existierenden Phänomene mehr, sondern kann durch reine Verstehzusammenhänge (Überzeugungen) die bekannten Reaktionen stattfinden lassen.
Letztlich müssten hierfür algorithmische Abläufe ausreichen, d.h. das Gehirn mit der neuronalen Verschaltung und den elektrischen Impulsen müsste bereits alles sein, was dazu notwendig wäre.

Anstatt also die Inhalte des Bewusstseins als existent vorauszusetzen, sage ich, das Verstehen läuft ohne Existenzen ab.
Ein „Gedanke“ taucht dann im Verstehen nur als Ergebniszusammenhang „Ich habe gerade den Gedanken XYZ“ auf, wobei die eigentliche Auswertung rein neuronal vollzogen wird. D.h. das Gehirn führt komplexe Berechnung aus einer Vielzahl von Neuronalbedingungen, die über konkrete Schwellenwerte und Vernetzung der jeweiligen Bedeutung innerhalb der Gehirnzusammenhänge entsprechen, durch, kommt zu einem stabilen Zustand und verarbeitet das Ergebnis als „das Haben eines Gedankens“ (virtuell).
Existenziell unterscheidet sich dann das Verstehen des „Habens eines Gedankens“ nicht vom Verstehen des „Sehens einer Farbumgebung“ (wenn man die unterschiedliche neuronale Aktivität als „gleiche Existenz“ betrachtet). Hierfür müssen keine Gedanken, keine Farbumgebung existieren.

Selbstverständlich handelt es sich hierbei um eine Vermutung und ich kann die Berechnung des Verstehens nicht herstellen.
Ich kann aber genauso wenig die Steuerung der Muskulatur so herstellen, wie sie durch ein Gehirn durchgeführt wird – beachte: hierbei vermutet niemand irgendwelche phänomenalen Zusammenhänge, sondern man geht von Berechnungen aus.
(D.h. die Vermutung, dass sehr raffinierte Berechnungen zu Grunde liegen, ist nicht einfach aus der Luft gegriffen)

Wenn ich aber richtig liege, dann ist ein Gedanke nicht existent, sondern es handelt sich letztlich um einen reinen Auswertungsablauf innerhalb einer Datenverarbeitung, d.h. elektrische Impulse und eine Neuronalverschaltung sind existent – mehr nicht.
(Nun könnte man diese Abläufe prinzipiell als „Gedanken“ bezeichnen, aber hat dann auch ein Computer Gedanken?)

Dadurch ergibt sich die eigenartige Situation, dass aus „Sicht der Verstehzusammenhänge“ (also „im Verstehen“) zwar eine Interaktion mit der existierenden Umwelt stattfindet, aber „das Verstehen“ selbst, dennoch keine existierende Einheit, also nicht Teil der Wirklichkeit ist.

Meine Vermutung habe ich schon mehrere Male dargestellt, aber wenn ich sage, dass man einen Schritt zurück machen, also eine Lösung im „Herstellen des Verstehens“ suchen sollte, dann kommt von dir die Behauptung: „das braucht man nicht“.

Thaddäus hat geschrieben:Das heißt Silverbullet: auch, wenn du neue Definitionen des Begriffs Gedanke hier treffen und einführen möchtest, musst du auf die obigen Begriffsbestimmungen stets zurückgreifen. Du kannst gar nicht anders!
Mir geht es nicht um die Definition, sondern um die Realisierung über ein aktives Gehirn.

Thaddäus hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Im naturalistischen Sinne ist das richtig.
Das ist in JEDEM Sinn richtig.
Nun ist deine Äußerung: "Das ist in JEDEM Sinn richtig" offenbar nicht im naturalistischen Sinn richtig, denn sie ist ja keine naturwissenschaftliche Aussage, sondern eine Zustimmung zu SilverBullets These: "Andere Existenzen findet man nicht", die wiederum keine naturwissenschaftliche These ist, sondern eine ontologische, die auf naturwissenschaftliche Weise weder widerlegbar noch beweisbar ist, sondern nur auf philosophische.
Falsch, ich habe keine These aufgestellt, sondern die Tatsache beschrieben, dass man keine anderen Existenzen findet.
Es handelt sich hierbei um eine Aussage über den aktuellen Stand der Dinge: man sucht und hat auch schon viel gesucht, aber man findet nichts.
Meine Aussage ist also ganz einfach widerlegbar, indem du aufzeigst, wann, wo, was gefunden wurde (philosophische Aktivitäten sind nicht notwendig)

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#397 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Jan 2016, 17:52

Pluto hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Das ist in JEDEM Sinn richtig.
Nun ist deine Äußerung: "Das ist in JEDEM Sinn richtig" offenbar nicht im naturalistischen Sinn richtig, denn sie ist ja keine naturwissenschaftliche Aussage...
Wie so oft...

What can be asserted without proof can be dismissed without proof. - [Christopher Hitchens]
Da hat Hitchens auch nicht lange nachgedacht, als er diese Aussage formulierte ...

Das heißt dann nämlich, dass auch diese These Hitchens, nach der alles, was ohne Beweis behauptet wird, auch ohne Beweis abgelehnt werden kann, - ohne Beweis abgelehnt werden darf, denn Hitchens behauptet sie ja ohne Beweis!
:lol: ;)

Pluto hat geschrieben: Ich wünsche viel Spaß bei der (philosophischen) Beweisführung. ;)
Schon passiert ... ;)
QED

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#398 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Di 5. Jan 2016, 07:41

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn Pluto "eine Codierung bereitgestellt" (was immer das heißen soll), die "in meiner Wahrnehmung in Bedeutungszusammenhänge umgewandelt und als Gedanke verstanden wird", wie du schreibst, dann äußert er in meiner - wie auch in seiner eigenen Wahrnehmung und deiner übrigens - ganz offensichtlich einen Gedanken!
Z.B. Text und Sprache sind Codierungen, d.h. ein System muss selbst die grundlegenden Mechanismen bereitstellen, um die Zusammenhänge zu rekonstruieren.

Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten.
1. Welche physikalischen Gegebenheiten? Die Pixel auf dem Bildschirm und die physikalischen Ereignisse auf subatomarer Ebene in den Neuronen oder in den Rezeptoren auf meiner Retina?
2. Offensichtlich existieren nicht nur physikalische Gegebenheiten. Denn was sollen die physikalischen Gegebenheiten deines Verständnisses des Wörtchens "existieren" sein in deinem Satz (S1) "Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten" im Unterschied zu meinem Verständnis des Wörtchens "existieren" in demselben Satz? Worin unterscheiden sich also die physikalischen Gegebenheiten in deinem Gehirn von den physikalischen Gegebenheiten in meinem, wo wir doch offensichtlich unterschiedliche Auffassungen davon haben, was das Wörtchen "existieren" in deinem Satz bedeutet!

Ich nehme die einzig mögliche konsistent-physikalistische Antwort auf 2. vorweg (nämlich die identitätstheoretische Erklärung), weil mir das sonst zu lange dauert - und widerlege sie auch gleich!

Da du oben die Aussage (S1) triffst, nur die physikalischen Gegebenheiten existieren letztlich, bist du also Physikalist.
Da sich deine Auffassung der Bedeutung des Wörtchens "existieren" in c von meinem Verständnis der Bedeutung des Wörtchens "existieren" in (S1)unterscheidet, musst du annehmen, dass sich dein Gehirn in einem physikalischen Zustand A befindet, wenn du obigen Gedanken (S1) denkst, während sich mein Gehirn in einem physikalischen Zustand B befindet, wenn ich (S1) lese und denke (denn wir fassen die Bedeutung mind. eines Wortes je anders auf).
Das heißt, das Gehirn jedes Menschen, der (S1) so auffasst wie du, muss sich exakt im physikalischen Zustand A befinden und das Gehirn jedes Menschen, der (S1) so auffasst wie ich, muss sich exakt im physikalischen Zustand B befinden.

Nun hat die Hirnforschung aber festgestellt, dass die Aktivitätsmuster der Gehirne von Menschen, die eine exakt gleiche Aufgabe lösen, sehr unterschiedlich sind. Ja, es gibt sogar keine zwei absolut identischen Aktivitätsmuster, obwohl die Probanden identische Aufgaben lösen sollen. Wesentliche Unterschiede ergeben sich dabei z.B. zwischen Männern und Frauen, aber auch unter den Männern und unter den Frauen.

Dies bedeutet: obwohl identische Aufgaben bewältigt werden sollen, befinden sich die Gehirne in völlig unterschiedlichen physikalischen Zuständen! Und dies bedeutet wiederum, dass sich eben nicht alle Gehirne, die (S1) wie du in der Bedeutung von A auffassen und nicht alle Gehirne, die (S1) in der Bedeutung von B auffassen, im exakt gleichen physikalischen Zustand befinden!

Das heißt, die Hirnforschung selbst widerlegt deine physikalistische Identitätsannahme, dass jedes Gehirn eines Menschen, der A denkt oder A tut in demselben physikalischen Zustand befinden muss. Das heißt, es gibt eine physikalische Multirealisierbarkeit der Zustände A und B.

SilverBullet hat geschrieben: Vor diesem Hintergrund kann man z.B. bei literarischen Figuren nicht von wirklicher Existenz sprechen.
Da du mit wirklicher Existenz materielle Existenz meinst, liegst du offensichtlich falsch. Zahlen sind nun einmal nicht materiell, es gibt sie aber wirklich. Umgekehrt gibt es Tische, die immateriell werden können, z.B. wenn man von seinem Küchentisch träumen sollte. ;)

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#399 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von ThomasM » Di 5. Jan 2016, 08:46

Pluto hat geschrieben: Es sind eben philosophische Aussagen. Als Solche brauchen sie keinen Nachweis.
Und warum forderst du dann von closs Nachweise für seine philosophischen Aussagen?
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#400 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von SilverBullet » Di 5. Jan 2016, 17:38

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten.
1. Welche physikalischen Gegebenheiten? Die Pixel auf dem Bildschirm und die physikalischen Ereignisse auf subatomarer Ebene in den Neuronen oder in den Rezeptoren auf meiner Retina?
Die Existenz von Text, in Form von physikalischen Gegebenheiten, liegt in Materiezusammenhängen vor, die das Licht zu einem Muster ablenken.

Die Existenz von Sprache, in Form von physikalischen Gegebenheiten, liegt in wellenförmigen Druckunterschieden vor.

Ich gehe mit 100prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass diese Gegebenheiten unabhängig von Wahrnehmung existieren und auf Wahrnehmung einwirken
=> sie sind wirklich existent.

Thaddäus hat geschrieben:2. Offensichtlich existieren nicht nur physikalische Gegebenheiten.
Nein, ich erkenne da keine „Offensichtlichkeit“.

Thaddäus hat geschrieben:Denn was sollen die physikalischen Gegebenheiten deines Verständnisses des Wörtchens "existieren" sein in deinem Satz (S1) "Bei Text und Sprache existieren letztlich nur die physikalischen Gegebenheiten" im Unterschied zu meinem Verständnis des Wörtchens "existieren" in demselben Satz? Worin unterscheiden sich also die physikalischen Gegebenheiten in deinem Gehirn von den physikalischen Gegebenheiten in meinem, wo wir doch offensichtlich unterschiedliche Auffassungen davon haben, was das Wörtchen "existieren" in deinem Satz bedeutet!
Das „Verstehen“ liegt nicht in Form von physikalischen Gegebenheiten vor.
Dennoch existiert „Verstehen“ auch nicht alternativ („immateriell“) dazu.

Ich sage ja gerade, dass das Verstehen nur virtuell stattfindet, also durch einen Ablauf.
Aus den Zusammenhängen im Ablauf ergeben sich die Verstehfunktionen.

Die physikalischen Gegebenheiten des Gehirns legen diesen Ablauf fest.
-Anzahl der Neuronen
-Verschaltung der Neuronen
-Schwellenwerte in den Neuronen
-Versorgung mit Botenstoffen/Nährstoffen
-zeitliches Verhalten der Neuronen
-Regulation durch die Gliazellen
(bestimmt gibt es noch weitere physikalische Faktoren, wie z.B. die Qualität der Sinnesorgane)

Das bedeutet: in all diesen Dingen unterscheiden sich unsere Gehirne. Dazu kommt noch, dass sich das Verstehen des obigen Satzes, bei dir und mir aus unterschiedlichen Ablauf-Situationen heraus entwickelt.

Diese Vielfalt ergibt ohne Probleme zwei unterschiedliche Verstehansätze.

Thaddäus hat geschrieben:Ich nehme die einzig mögliche konsistent-physikalistische Antwort auf 2. vorweg (nämlich die identitätstheoretische Erklärung), weil mir das sonst zu lange dauert - und widerlege sie auch gleich!

Da du oben die Aussage (S1) triffst, nur die physikalischen Gegebenheiten existieren letztlich, bist du also Physikalist.
„Physikalist“ ist ein philosophischer Begriff, mit dem ich mich nicht weiter beschäftigt habe – somit kann ich nichts dazu sagen.

Da du mir aber die Behauptung einer Identitätsaussage zuordnest, kann ich darauf reagieren:
Es ist falsch.
Ich behaupte nicht, dass das Verstehen als physikalische Gegebenheit vorliegt.

„Verstehen“ sehe ich als Funktionalität in den Zusammenhängen von bestimmten Berechnungsabläufen.
Ich vermute, dass man mit Datenverarbeitungs-/Schaltabläufen die speziellen Verstehfunktionen, die als „das Bewusstsein“ bezeichnet werden, stattfinden lassen kann.
Die physikalische Realisierung dieser Datenverarbeitung sehe aber selbst nicht als „das Verstehen“ an.

=> keine Identität.

Thaddäus hat geschrieben:Da sich deine Auffassung der Bedeutung des Wörtchens "existieren" in c von meinem Verständnis der Bedeutung des Wörtchens "existieren" in (S1)unterscheidet, musst du annehmen, dass sich dein Gehirn in einem physikalischen Zustand A befindet, wenn du obigen Gedanken (S1) denkst,
Nein, wenn ich „Zustand“ höre, dann kräuseln sich mir eher die Haare.

Ich habe bereits geschrieben, dass es bei der (von mir) vermuteten Virtualität nicht möglich ist, die Zeit anzuhalten und zu sagen „da ist das Verstehen“.

Das Verstehen ergibt sich aus einem zeitlich fortlaufenden Ablauf.
Deshalb nenne ich es „Verstehanimation“ und nicht „Verstehzustand“.

Thaddäus hat geschrieben:Das heißt, das Gehirn jedes Menschen, der (S1) so auffasst wie du, muss sich exakt im physikalischen Zustand A befinden und das Gehirn jedes Menschen, der (S1) so auffasst wie ich, muss sich exakt im physikalischen Zustand B befinden.
Einen weiteren Menschen, der einen Zusammenhang exakt so auffasst, wie ich, kann es im Grunde nicht geben, weil die physikalischen Gegebenheiten (siehe oben) einen derart gigantischen Möglichkeitsraum aufspannen, dass es selbst bei einem identischen Klon, der wenige Sekunden vor dem Experiment, mit mir als Vorlage angefertigt werden würde, auf Grund der anderen Position im Raum zu einer leichten Abweichung in der Gehirnarbeit kommen würde.

Ein Mensch dessen Gehirn exakt so arbeitet wie meines, muss mein Leben gelebt haben und es darf bis zum Abschluss des Experimentes zu keinerlei Situationsunterschieden kommen.

=> so einen Menschen gibt es nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Nun hat die Hirnforschung aber festgestellt, dass die Aktivitätsmuster der Gehirne von Menschen, die eine exakt gleiche Aufgabe lösen, sehr unterschiedlich sind. Ja, es gibt sogar keine zwei absolut identischen Aktivitätsmuster, obwohl die Probanden identische Aufgaben lösen sollen. Wesentliche Unterschiede ergeben sich dabei z.B. zwischen Männern und Frauen, aber auch unter den Männern und unter den Frauen.

Dies bedeutet: obwohl identische Aufgaben bewältigt werden sollen, befinden sich die Gehirne in völlig unterschiedlichen physikalischen Zuständen! Und dies bedeutet wiederum, dass sich eben nicht alle Gehirne, die (S1) wie du in der Bedeutung von A auffassen und nicht alle Gehirne, die (S1) in der Bedeutung von B auffassen, im exakt gleichen physikalischen Zustand befinden!

Das heißt, die Hirnforschung selbst widerlegt deine physikalistische Identitätsannahme, dass jedes Gehirn eines Menschen, der A denkt oder A tut in demselben physikalischen Zustand befinden muss. Das heißt, es gibt eine physikalische Multirealisierbarkeit der Zustände A und B.
1.
Ich vertrete keine physikalistische Identitätsannahme
2.
Das, was du hier behauptest, kann die Neurowissenschaft nicht bestätigen, denn das Lösen der exakt gleichen Aufgabe hat nur wenig damit zu tun, welche Verstehzusammenhänge stattfinden. Die Neurowissenschaft hat kein Werkzeug, um den Verlauf des Bewusstseins auch nur annähernd so auszuwerten, wie die Aktivitäten das Gehirns – und das, obwohl das Gehirn nur sehr ungenau ausgewertet werden kann.

Ich garantiere, dass Menschen sehr unterschiedliche Lösungsstrategien haben und dass es selbst bei gleicher Strategie zu unterschiedlichen neuronalen Realisierungen sowie zeitlichen Abläufen kommt, so dass letztlich auch das Verstehen unterschiedlich abläuft.

Dein Argument sehe ich als eine philosophische Abstraktion an, die für wirkliche Experimente untauglich ist.

Für das Vergleichen von Verstehen ist entscheidend, dass die gleichen Bedeutungszusammenhänge, in der gleichen zeitlichen Abfolge stattfinden.

Dies kann man heute (leider) noch nicht einmal im Ansatz experimentell untersuchen.

Thaddäus hat geschrieben:Da du mit wirklicher Existenz materielle Existenz meinst, liegst du offensichtlich falsch. Zahlen sind nun einmal nicht materiell, es gibt sie aber wirklich. Umgekehrt gibt es Tische, die immateriell werden können, z.B. wenn man von seinem Küchentisch träumen sollte
Nein, Zahlen sind keine existierenden Objekte, sondern Bedeutungen, die nur von aktiven Wahrnehmungssystemen verwaltet werden können.
Von Zahlen geht somit keine Wirkung aus, denn es ist immer das Wahrnehmungssystem selbst, dass die Bedeutung herstellt und auf die jeweilige Situation reagiert.
Wichtig dabei ist, dass ein Wahrnehmungssystem die Bedeutung von Zahlen zuerst mühsam lernen muss.

„Geträumte Tische“ sind aus meiner Sicht ganz und gar nicht immateriell vorhanden, denn auch hierbei handelt es sich (für mich) nur um Bedeutungszusammenhänge, die ein Wahrnehmungssystem verwaltet.

Aus meiner Sicht führt kein Weg daran vorbei, dass du vorlegst, wie du Bedeutung herstellen würdest, so dass sich eine eigenständige, wirkliche Existenz ergeben könnte.

Bisher hast du hierzu noch nichts geliefert.

Antworten