Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Dann solltest du angeben können, welches das richtige Vorverständnis ist. Also, welches ist das richtige Vorverständnis?
Falsche Frage - meine Aussage ist phänomenisch gemeint: "Bei-richtigem-Vorverständnis-sind-dementsprechende-Aussagen-in-Bezug-auf-das, was-der-Fall-ist". --- Was glaubst Du, wie happy ich wäre, wenn ich dazu eine Garantie geben könnte! - Und weil ich weiß, dass sich da jeder verhebt, ziehe ich den poly-hermeneutischen Ansatz vor = ich relativiere Aussagen im Sinne von: "WENN folgendes .... Vorverständnis richtig ist, DANN ist folgendes ... wahr". - Das tust Du NICHT, sondern pochst auch ein VERFAHREN ("Wissenschaft"), als ob diese ein inhaltliches Vorverständnis ersetzen könne.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Wenn man in den Geisteswissenschaften nicht weiß, welches das richtige Vorverständnis ist (warum sollte das so sein???), dann gibt es nach DEINER Aussage also keine Wahrheit in den Geisteswissenschaften.
Es kann Wahrheit geben, aber nur dann, wenn ein Vorverständnis genau DAS ist, das zu dem, was der Fall ist, passt. - Genau das weiß man aber oft NICHT. --- Man sagt also etwas, was wahr ist, wenn der vorgeschaltete Glaube ("Vorverständnis") richtig ist - was man nicht weiß. - Niemand WEISS, ob Jesus nur ein Wanderprediger, der im Sinne der Zeit gemeint hat, oder ob er göttlich war und einen Paradigmenwechsel zum damaligen Glauben verkündet hat, . Deshalb weiss NIEMAND, ob er sich irrte oder nicht - man kann nur das eine oder andere glauben.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Weiß man in den Geisteswissenschaften also nur
manchmal, was das richtige Vorverständnis ist,
oft aber nicht?
Pragmatisch ist das so - richtig. --- Wenn man das Vorverständnis hat, dass die Quellenkritik per HKM zu führen ist, würde ich dies als "richtiges Vorverständnis" bezeichnen. - Wenn man das Vorverständnis hat, dass Jesus nur menschlich oder auch göttlich war, weiß man nicht, was das richtige ist. ---- Deshalb nagelt die Päpstliche Bibelkommission die HKE auf Bereiche fest, deren Vorverständnis falsifiziert werden kann - in allem anderen sieht sie die Gefahr der hermeneutischen Kontaminierung.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Wann weiß man in den Geisteswissenschaften denn, was das richtige Vorverständnis ist und wann weiß man es nicht?
Was schreibst du da eigentlich für ein wirres Zeug?!?
Das ist nicht wirr, sondern sollte Dir die Grenzen Deines Systems vor Augen führen.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Aber es gibt nach deiner eigenen Aussage keine Wahrheit, wenn man in den Geisteswissenschaften nicht weiß, welches Vorverständnis das richtige ist. Exakt das hast du gerade geschrieben!
Ich habe etwas anderes geschrieben.
1) Es gibt Wahrheit als ontische Größe: "Vor 2000 Jahren ist etwas live geschehen und Jesus hat sich folgendes ... dabei gedacht".
2) In Geisteswissenschaften gibt es ebenfalls Wahrheit, aber man weiß nicht, wo, da man nicht weiß, welche Vorannahme die richtige ist - s.o. "Naherwartungs-Beispiel".
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
In welchen Fällen weiß man es denn und in welchen Fällen nicht?
Pragmatisch habe ich oben zwei Beispiele gegenübergestellt. - Natürlich kannst Du jetzt kommen und ausführen, dass auch das Vorverständnis, dass die HKE das richtige Vorverständnis bei Quellenkritk habe, falsch sein kann - wenn Du radikal-skeptizistisch sein willst. - Dann gibt es KEINEN Fall. ---- Persönlich sehe ich das nicht radikal-skeptizistisch, sondern teile zwischen "falsifizierbare" und "nicht-falsifizierbare" Vorverständnisse. ---- Wenn Du das bei Wahrung der Substanz strukturell anders sagen kannst, schließe ich mich Dir gerne an.
Das Vorverständnis, die HKE-Methodik sei die richtige bei Quellenkritik, ist falsifizierbar. --- Das Vorverständnis, dass Jesus nur Mensch oder auch göttlich sei, ist NICHT falsifizierbar.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Ein Aussage, die aussagt, dass es grundsätzlich keine Wahrheit gibt, kann wohl kaum für sich beanspruchen, eine wahre Aussage zu teffen!
Das ist doch gar nicht die Aussage. - Die Aussage ist, dass es Wahrheit gibt, die Wahrnehmung dazu aber nur wahr ist, wenn sie aus dem richtigen Vorverständnis interpretiert wird. - Das Problem: WAS das richtige Vorverständnis ist, ist nicht nachweisbar, wenn es sich um nicht-falsifizierbare Vorverständnisse handelt.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑Do 7. Nov 2019, 19:40
Wenn du denkst, das geht doch, dann musst du schon erklären, wie eine Aussage, die explizit aussagt, dass es grundsätzlich keine Wahrheit gibt, wahr sein kann ...!???
Davon abgesehen, dass ich etwas anderes gesagt habe, nämlich was ich eben nochmal dargestellt habe, gebe ich Dir formal-logisch recht - im Grunde sind wir hier bei der Geschichte:
"Ein Kreter sagt: 'Alle Kreter lügen' ". --- Das sind logische Aporien, die doch eher zeigen, dass sich auch Logik in sich selber verheddern kann - oder nicht?
Das Problem, das ich bei DEINEM Wahrheits-Begriff sehe, ist dessen System - und nicht Universalitäts-Anspruch, während ich "Wahrheit" als großen Inhalt und nicht nur als Verfahrensgröße verstehe.