Was ist Ontologie?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#1 Was ist Ontologie?

Beitrag von Pluto » Sa 27. Sep 2014, 11:18

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: aber ganz kurz: Die Ontologie befasst sich mit dem Wissen von der Welt (Dinge, Systeme, Eigenschaften, usw.).
Sorry - kleine Präzisierung:

Die Ontologie (im traditionellen Sinn) beschäftigt sich mit jeglicher Art des Seins - egal ob materiell oder geistig. - Die naturalistische Ontologie (die Du vermutlich meinst) beschäftigt sich mit Dingen, Systemen, Eigenschaften, usw. der natürlichen Welt (also der Daseins-Welt).
Es gibt meines Wissens keine wirkliche Unterscheidung zwischen traditioneller und naturalistische Definition.

Wiki schreibt dazu:
Die Ontologie befasst sich mit einer Einteilung des Seienden und den Grundstrukturen der Wirklichkeit und der Möglichkeit.
Also im Grunde mit Erkenntnis.

Oder habe ich das falsch verstanden?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#2 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von closs » Sa 27. Sep 2014, 18:47

Pluto hat geschrieben:Oder habe ich das falsch verstanden?
So allgemein ausgedrückt ist das richtig - nur gibt es Anlass zu Misstrauen, dass "Wirklichkeit" rein materialistisch verstanden wird (also daseins-beschränkt) - dann ist die Aussage unzureichend.

R.F.
Beiträge: 6664
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:20

#3 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von R.F. » Sa 27. Sep 2014, 19:03

https://www.fbi.h-da.de/fileadmin/perso ... ologie.pdf

Zitat aus obigem Link:

Philosoph:
So viel jedoch vorneweg: Innerhalb der Philosophie gibt es keine einheitliche Systematik zum Begriff der Ontologie. Die Sichtweisen der Philosophen sind so verschiedenartig wie das Sein des Seienden betrachtet werden kann.
- - -
Informatiker:
Das gilt genauso für die Informatik. Ich habe allein zehn wesentliche Definitionen von Ontologie recherchiert. Sie unterscheiden sich teilweise deutlich.

Psychologe:
Wenn wir von Begriffen reden, sind zwei Arten auseinanderzuhalten. Persönliche Begriffe beruhen auf persönlichem Wissen eines Menschen. Sie dürfen nicht mit konventionellen Begriffen gleichgesetzt werden – beide sind nicht identisch oder deckungsgleich.

Walter Theimer verwendet den Begriff “Ontologie” bzw. “Ontologisierung” mehrfach in seinem Buch “Die Relativitätstheorie”. Erst im Zusammenhang mit weiteren Ausführungen wird etwas klarer, welche Gegebenheiten er unter diesem Begriff subsumiert:

Im ontologischen Stadium, in das die Relativitätstheorie nun tritt, werden Längen- und Zeitverschiebungen, die in den Gedankenexperimenten auftreten, ohne weiteres zu realen Naturvorgängen erklärt. Das Gedankenexperiment wird einem wirklichen Experiment gleichgestellt. Dieser Frevel an der naturwissenschaftlichen Methode sollte eigentlich ein weiteres Eingehen auf Einsteins Behauptungen verbieten. Mit Gedankenexperimenten kann man, wenn man sie entsprechend einrichtet und ihre inneren Widersprüche geschickt verbirgt, schließlich alles beweisen. Eben um solches Phantasieren auszuschließen, beharrt die Naturwissenschaft so streng auf dem wirklichen Experiment als Grundlage aller Erkenntnis.*)

*) Walter Theimer: Die Relativitätstheorie. Graz 2005, S. 54.

Der durchschnittliche Leser kann höchstens erahnen, was genau Theimer mit dem “ontologischen Stadium” sagen will. Doch sind Beispiele weit geeigneter als Definitionen, den Begriff “Ontologie” zu klären bzw. einzugrenzen...

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#4 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von Pluto » Sa 27. Sep 2014, 19:49

R.F. hat geschrieben:https://www.fbi.h-da.de/fileadmin/perso ... ologie.pdf
Zitat aus obigem Link:
Philosoph:
So viel jedoch vorneweg: Innerhalb der Philosophie gibt es keine einheitliche Systematik zum Begriff der Ontologie. Die Sichtweisen der Philosophen sind so verschiedenartig wie das Sein des Seienden betrachtet werden kann.
- - -
Informatiker:
Das gilt genauso für die Informatik. Ich habe allein zehn wesentliche Definitionen von Ontologie recherchiert. Sie unterscheiden sich teilweise deutlich.

Psychologe:
Wenn wir von Begriffen reden, sind zwei Arten auseinanderzuhalten. Persönliche Begriffe beruhen auf persönlichem Wissen eines Menschen. Sie dürfen nicht mit konventionellen Begriffen gleichgesetzt werden – beide sind nicht identisch oder deckungsgleich.
Was die Problematik ziemlich gut beschreibt...
Im modernen Sinn, bezieht sich Ontologie generell auf Existenz, sowohl im Dasein wie auch im metaphysischen Sein.

Walter Theimer verwendet den Begriff “Ontologie” bzw. “Ontologisierung” mehrfach in seinem Buch “Die Relativitätstheorie”. Erst im Zusammenhang mit weiteren Ausführungen wird etwas klarer, welche Gegebenheiten er unter diesem Begriff subsumiert:
Im ontologischen Stadium, in das die Relativitätstheorie nun tritt, werden Längen- und Zeitverschiebungen, die in den Gedankenexperimenten auftreten, ohne weiteres zu realen Naturvorgängen erklärt. Das Gedankenexperiment wird einem wirklichen Experiment gleichgestellt. Dieser Frevel an der naturwissenschaftlichen Methode sollte eigentlich ein weiteres Eingehen auf Einsteins Behauptungen verbieten. Mit Gedankenexperimenten kann man, wenn man sie entsprechend einrichtet und ihre inneren Widersprüche geschickt verbirgt, schließlich alles beweisen. Eben um solches Phantasieren auszuschließen, beharrt die Naturwissenschaft so streng auf dem wirklichen Experiment als Grundlage aller Erkenntnis.*)
*) Walter Theimer: Die Relativitätstheorie. Graz 2005, S. 54.
Man soll Verstorbene nicht schlechtreden, aber der gute Herr Theimer hat offenbar die RT in seinem ganzen Leben nicht verstanden.

Edit:
Kleine Korrektur: Walter Theimer starb 1983. Sein Buch erschien 1977; Die Ausgabe 2005 war ein Nachdruck.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#5 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von closs » Sa 27. Sep 2014, 21:00

R.F. hat geschrieben:Die Sichtweisen der Philosophen sind so verschiedenartig wie das Sein des Seienden betrachtet werden kann.
Guter Satz. :thumbup:

Pluto hat geschrieben:Im modernen Sinn, bezieht sich Ontologie generell auf Existenz, sowohl im Dasein wie auch im metaphysischen Sein.
Das klingt lobenswert - nur: Wie will die moderne Welt überhaupt "metaphysisches Sein" zulassen können?

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#6 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von Pluto » Sa 27. Sep 2014, 21:30

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Im modernen Sinn, bezieht sich Ontologie generell auf Existenz, sowohl im Dasein wie auch im metaphysischen Sein.
Das klingt lobenswert - nur: Wie will die moderne Welt überhaupt "metaphysisches Sein" zulassen können?
Wie man metaphysisches Sein" zulassen kann, ist genau die Frage die es zu erörtern gilt. :)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#7 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von closs » Sa 27. Sep 2014, 21:55

Pluto hat geschrieben:Wie man metaphysisches Sein" zulassen kann, ist genau die Frage die es zu erörtern gilt.
Auf welcher Basis? - Auf Basis des Kritischen Rationalismus Poppers oder (bspw.) der Dialektik Hegels oder dem "Cogito ergo sum" von Descartes?

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#8 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von Pluto » Sa 27. Sep 2014, 23:20

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie man metaphysisches Sein" zulassen kann, ist genau die Frage die es zu erörtern gilt.
Auf welcher Basis? - Auf Basis des Kritischen Rationalismus Poppers oder (bspw.) der Dialektik Hegels oder dem "Cogito ergo sum" von Descartes?
Naja...
Descartes...
Sein Dualismus wurde von Gilbert Ryle bereits 1949 falsifiziert.
Eine Philosophie die für eindeutig falsch erklärt wurde, sollten wir sicherlich nicht nehmen.


Hegel...
Bertrand Russell[78] bezeichnete Hegels Philosophie als „absurd“, seine Anhänger würden das jedoch nicht erkennen, weil Hegel sich so dunkel und verschwommen ausdrücke, dass man sie für tiefgründig halten müsse.
Weiter kritisiert Russell, Hegel habe nicht begründet, warum die menschliche Geschichte dem rein logischen „dialektischen“ Prozess folge und warum dieser Prozess auf unseren Planeten und die überlieferte Geschichte beschränkt sei.
Weiterhin spottete Russell, Hegel sei überzeugt gewesen, der Philosoph in der Studierstube könne mehr von der wirklichen Welt wissen als der Politiker oder Naturwissenschaftler. Angeblich habe Hegel einen Beweis, dass es genau sieben Planeten geben müsse, eine Woche vor der Entdeckung des achten veröffentlicht.
[ Quelle ]
Was bleibt uns also übrig, wenn der Staub der Zeit sich legt, als uns an den Kritischen Rationalismus vom Popper zu halten? ;)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#9 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von closs » Sa 27. Sep 2014, 23:55

Pluto hat geschrieben:Sein Dualismus wurde von Gilbert Ryle bereits 1949 falsifiziert.
Schau doch mal seine Schule an - Wittgenstein, analytische Philosophie, etc. - Da falsifiziert man innerhalb SEINES Systems. - Das wittgensteinsche "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" heisst auch: Alles, was wir analytisch (also zerlegend) nicht konkret benennen können, ist irrelevant. - Mit anderen Worten: Der Dualismus ist substantiell natürlich NICHT falsifiziert - er ist lediglich innerhalb der Logik der analytischen Philosophie ("Wiener Schule" - und vor allem viele Engländer!!) falszifizert.

Pluto hat geschrieben:Was bleibt uns also übrig, wenn der Staub der Zeit sich legt, als uns an den Kritischen Rationalismus vom Popper zu halten?
So einfach geht es NICHT. :lol: - Hegel wäre auch etwas über Russell eingefallen - und dann wäre der KR vom Tisch?

Spürst Du nicht die Einengung, die hier passiert? - Man mache die Wahrnehmung zum Maßstab der Philosophie - schalte alles aus, was nicht im Sinne des KR greifbar ist - und bezeichne den Rest als "Wirklichkeit". - Das kann man als Marketing-Mensch, Verkäufer oder PR-Spezialist machen - aber nicht, wenn einem die Wahrheit des Seins wirklich am Herzen liegt. - Zur Ehrenrettung Poppers: So viel ich weiß, hat er erkannt, dass er "nur" für Falsifizierbares zuständig ist und sich darauf beschränkt - das ist ok.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#10 Re: Was ist Ontologie?

Beitrag von Pluto » So 28. Sep 2014, 00:34

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Sein Dualismus wurde von Gilbert Ryle bereits 1949 falsifiziert.
Schau doch mal seine Schule an - Wittgenstein, analytische Philosophie, etc. - Da falsifiziert man innerhalb SEINES Systems. - Das wittgensteinsche "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen" heisst auch: Alles, was wir analytisch (also zerlegend) nicht konkret benennen können, ist irrelevant. - Mit anderen Worten: Der Dualismus ist substantiell natürlich NICHT falsifiziert - er ist lediglich innerhalb der Logik der analytischen Philosophie ("Wiener Schule" - und vor allem viele Engländer!!) falszifizert.
Immer sind die Engländer schuld! :lol:

Die Weltanschauung spielt im Fall von Descartes keine Rolle. Der große Verdients Ryles war, Descartes Irrtum zu offenbaren.
Nun kann endlich vielen psychiatrisch Kranken geholfen werden. Dieser Grund allein reicht IMO aus, um Descartes zu disqualifizieren.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was bleibt uns also übrig, wenn der Staub der Zeit sich legt, als uns an den Kritischen Rationalismus vom Popper zu halten?
So einfach geht es NICHT. :lol:
Doch. Genau so einfach ist das. Bis ich die Kritik von Russel las, hatte ich keine Ahnung, dass Hegels Dialektik niemals wirklich erwiesen wurde. Auch hier scheinen wir es also mit einem fürchterlichen treibsandigen Boden zu tun haben.

closs hat geschrieben:Spürst Du nicht die Einengung, die hier passiert? - Man mache die Wahrnehmung zum Maßstab der Philosophie - schalte alles aus, was nicht im Sinne des KR greifbar ist - und bezeichne den Rest als "Wirklichkeit".
Genau. Das nennt man Fortschritt in der Philosophie.

closs hat geschrieben:Zur Ehrenrettung Poppers: So viel ich weiß, hat er erkannt, dass er "nur" für Falsifizierbares zuständig ist und sich darauf beschränkt - das ist ok.
Popper war noch viel mehr. Er war auch Pragmatiker und Empirist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Antworten