hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Philosophisches zum Nachdenken
michaelit
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#1 hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von michaelit » Do 6. Nov 2014, 11:35

Hallo,

eigentlich ist ja das Hinterfragen sehr sinnvoll, denn so kann man vermeiden daß man auf Unsinn hereinfällt. Aber in einem gewissen Sinn macht einem das Zweifeln und Hinterfragen auch das Leben schwer, denn es stellt sich heraus daß es keine wahren Sicherheiten gibt. Zumindest bei Descartes ist es so, außer dem Cogito ist gar nichts sicher.

Normalerweise dauert es aber bis ein Mensch zu zweifeln beginnt. Er hat also eine Geschichte in der sich Werte etabliert haben. Etwa habe ich schon früh an gesellschaftlichen Fortschritt geglaubt. Das kam bei mir durch sowohl die Belehrungen in der sozialistischen DDR Schule, als auch die bald darauf folgende Erfahrung der Wendezeit und der Wiedervereinigung von DDR und BRD.

Damals war ich 12. Und es dauerte bis ich um die 22 war als ich unter dem Eindruck der Bibel erst einmal alles in mir hinterfragte, und zwar auch das Gute. Wollte Gott vielleicht doch eher eine theokratische Gesellschaft als eine demokratische? Galt es doch nicht eher das Gute der Vergangenheit zu bewahren als dauernd progressiv/fortschreitend zu sein?

Jedenfalls verliert man durch konsequentes Hinterfragen wie bei Descartes schnell seine alten Sicherheiten. Es ist etwa für mich noch nicht so sicher ob die Zukunft der Menschheit wirklich so positiv sein wird wie es sich noch viele in den 90ern erträumten. Noch "steht" der Mensch auf die Aufklärung, aber es gibt eine große Anzahl von Menschen wieder die das nicht mehr sehr aufregt und schert.

Mir scheint als bräuchte man neben dem Hinterfragen nun wirklich auch den Glauben als ein Festhalten am Guten. Das Gute muß niedergeschrieben/festgehalten werden, die Erfahrung braucht ihre wiederholte Bestätigung von uns aus damit wir diesen gemachten Fortschritt nicht gleich wieder verlieren. Es fehlt an einer Nachhaltigkeit.

Descartes braucht neben seinem Cogito ergo sum auch noch ein, "der andere Mensch denkt auch, damit gibt es ihn ebenfalls". Wenn ein Kartesianer nur sich selbst als sicher existierend annimmt, dann ist jeder andere Mensch nur ein sekundärer Schatten. Das Cogito ist nur klar als philosophischer Beweissatz um eine wissenschaftliche Phänomenologie zu starten, er macht keinen Sinn im normalen Leben. Er macht noch weniger Sinn in einer reifen Ethik.

Wie kommt ihr beim Zweifeln dann wieder in den Glauben? Was ist der Fortschritt für euch?

LG

Daniel

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Janina
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#2 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Janina » Do 6. Nov 2014, 14:24

michaelit hat geschrieben:eigentlich ist ja das Hinterfragen sehr sinnvoll, denn so kann man vermeiden daß man auf Unsinn hereinfällt. Aber in einem gewissen Sinn macht einem das Zweifeln und Hinterfragen auch das Leben schwer, denn es stellt sich heraus daß es keine wahren Sicherheiten gibt.
Nicht das Hinterfragen macht das Leben schwer, sondern die unnötig lange Zeit, der man noch Blödsinn anhängt, der durch Hinterfragen längst aus der Welt geschafft sein könnte.
Wahre Sicherheiten haben keinen Vorteil. Sie haben lediglich die Eigenschaft falsch zu sein.

michaelit hat geschrieben:Wollte Gott vielleicht doch eher eine theokratische Gesellschaft als eine demokratische?
Es gibt Leute, die glauben das. Aber die mag niemand.
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[ Quelle: www.tagesschau.de ]

Lena
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#3 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Lena » Do 6. Nov 2014, 15:42

Hinterfragen und Zweifeln auf Menschen bezogen kann hilfreich sein. Auf Gott hin jedoch nur hinderlich, zerstörerisch, zur Verzweiflung führend. Er ist der Weg.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Catholic
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#4 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Catholic » Do 6. Nov 2014, 15:56

Lena,sicher sollte man bezogen auf Gott nicht alles ständig infragestellen,dann kommt man nicht weiter.
Aber hinterfragen darf man,keine Frage,sonst hätte ich heute noch meinen Kinderglauben.
Wobei ich bezogen auf das Vertrauen in Gott mich wieder meinem Kinderglauben annähere und das meine ich absolut positiv.

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Janina
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#5 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Janina » Do 6. Nov 2014, 16:00

Lena hat geschrieben:Hinterfragen und Zweifeln auf Menschen bezogen kann hilfreich sein. Auf Gott hin jedoch nur hinderlich, zerstörerisch, zur Verzweiflung führend. Er ist der Weg.
Das ist der Text von den oben abgebildeten Leuten.

„EKD-Ratschef sieht Grund zur Kritik an Gott“
http://diepresse.com/home/politik/ausse ... s?from=rss

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#6 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von R.F. » Do 6. Nov 2014, 16:11

Janina hat geschrieben: - - -
michaelit hat geschrieben:Wollte Gott vielleicht doch eher eine theokratische Gesellschaft als eine demokratische?
Es gibt Leute, die glauben das. Aber die mag niemand.
Bild
Mensch Nina, tu nicht so überheblich. Auch Du wirst vor dem kommenden Gott der Europäer auf die Knie gehen. Wenn nicht, kriegste paar auf Deine zarten Öhrchen...

Lena
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#7 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Lena » Do 6. Nov 2014, 16:14

Catholic hat geschrieben: Aber hinterfragen darf man...

Man darf hinterfragen, ja. Das Problem ist nur, dass wenn ich hinterfrage ob Gott die Liebe, die Wahrheit, der Weg und mein Leben ist - dann habe ich keinen Halt mehr. Dann bringen die Zweifel mich ins wanken und ich suche andere Quellen um meinen Durst zu stillen. Was andere mir über Gott erzählen kann ich hinterfragen. Was er jedoch über sich selbst sagt ist glaubhaft.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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#8 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von R.F. » Do 6. Nov 2014, 16:19

michaelit hat geschrieben: - - -
Es ist etwa für mich noch nicht so sicher ob die Zukunft der Menschheit wirklich so positiv sein wird wie es sich noch viele in den 90ern erträumten.
- - -
Verfolgst Du keine Nachrichten?

Catholic
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#9 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Catholic » Do 6. Nov 2014, 16:24

Und,Lena,oft mache ich auch die Erfahrung- im Gespräch mit anderen Christen aber auch bei mir selber - ,dass manches bezweifelt wird,weil es schlicht nicht bekannt genug ist,und das gilt nicht nur für Christen.
Beispiel:
Soll es weiterhin den Zölibat für katholische Priester geben?
So mancher Zeitgenosse sagt direkt:"Nein,der ist überholt/altmodisch!"
Man kann aber auch sagen:
"Nun,ich empfinde den Priesterzölibat zwar als unsinnig/überflüssig,aber ich befasse mich erstmal damit,warum es ihn gibt und ob er einen Sinn hat!"
Was ich mit dem Beispiel sagen möchte ist,dass wir - und ich bin da keine Ausnahme - schnell dabei sind,etwas einfach nur abzulehnen ohne erstmal zu erfahren,was es damit genau auf sich hat.

Pluto
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#10 Re: hinterfragen und zweifeln - es geht kaum vorwärts

Beitrag von Pluto » Do 6. Nov 2014, 17:34

michaelit hat geschrieben:Wie kommt ihr beim Zweifeln dann wieder in den Glauben? Was ist der Fortschritt für euch?
Hinterfragen ist grundsätzlich gesund. Es gibt im Leben immer Phasen des Zweifels.
Die Frage ist letztlich, braucht man Antworten für das Leben?

Ich kann gut mit Zweifeln und Unsicherheit und Unwissen leben. Ich glaube es ist viel interessanter mein Leben in Ungewissheit zu verbringen als Antworten zu besitzen, die falsch sein könnten. Wenn wir das zulassen, bleiben wir offen für Alternativen. Dann ereifern wir uns nicht zu sehr für das Wissen des Tages oder die absolute Wahrheit, sondern bleiben in der Ungewissheit...
[ Richard Feynman ]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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