Goethes Glaube und Philosophie

Philosophisches zum Nachdenken
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Savonlinna
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#11 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Savonlinna » Do 4. Jun 2015, 22:55

Queequeg hat geschrieben:Am ende: ob ein Mensch "ausschließlich" oder ein "ausschließliches" ist, das wage ich zu bezweifeln, jedenfalls wenn ich an die Philosophie des Yin und Yang denke.
So - darin sind wir uns also einig, und in dem anderen vermutlich sowieso.
Goethes Erlösungsidee des Individuums - im "Faust" entwickelt - beißt sich für Goethe offensichtlich nicht mit pantheistischem Gedankengut.

Queequeg hat geschrieben:Der Faust, eine zweibändige Ausgabe mit sämtlichen Textversionen, sämtliche Paralipomena und ein ganzer Band nur Kommentare, ein gewaltiges Werk von immerhin 1.133 Seiten, ist eines meiner ewgien Kopfkissenbücher, sozusagen, und das schon seit "Äonen".
Diese Ausgabe habe ich auch, allerdings nicht seit Äonen, sondern erst seit einem Jahr. Bis dato verschliss ich nur unzählige Reclam-Fauste und dtv-Fauste. Und bei mir hat nur der Kommentarband 1.142 Seiten. Der Textband hat noch mal 849 Seiten dazu.
Du meinst die Ausgabe von Albrecht Schöne?
Dieser Albrecht Schöne hat mich schon vor langer Zeit wegen seiner Rekonstruktion der "Walpurgisnacht" begeistert, wo er alles "Säuische" endlich mal veröffentlicht hatte, was nicht mal Goethe selber gewagt hatte zu veröffentlichen. Und nun durfte Schöne den ganzen "Faust" neu herausgeben, das hatte mich gefreut.

Pluto
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#12 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Pluto » Do 4. Jun 2015, 23:02

Savonlinna hat geschrieben:Ausgangspunkt dieser Diskussion hier war Zeus's Satz an Novalis:
Zeus hat geschrieben:Goethe glaubte eben nicht, dass Gott sich um jede einzelne Person kümmerte, auch nicht um dich. :D
KEIN Literaturwissenschaflter würde sich daraufhin versteigen, dass er behauptete, er wüsste über alle psychischen und geistigen Winkel eines Autors Bescheid.
Das wäre das Ende der Karriere eines Literaturwissenschaftlers, wenn er seinen Job so wenig beherrschen würde.
Wäre dies ein Kreis von Literaturwissenschaftlern hättest du durchaus Recht.
Allerdings ist Goethes Neigung zum Pantheismus durchaus sehr wahrscheinlich, ebenso seine Ablehnung eines persönlichen Gottes.
Und... er war vermutlich ein großer Verehrer von Spinozas Weltbild.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#13 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Savonlinna » Do 4. Jun 2015, 23:10

Pluto hat geschrieben: ebenso seine Ablehnung eines persönlichen Gottes.
Du meinst, der "Faust" stammt nicht von Goethe?

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#14 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Pluto » Do 4. Jun 2015, 23:22

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: ebenso seine Ablehnung eines persönlichen Gottes.
Du meinst, der "Faust" stammt nicht von Goethe?
Kann ich nicht sagen; ich bin mit Schakespeare groß geworden.

Aber was haben die Aussagen der Figuren in seinem Werk mit Goethes persönlichen Glauben zu tun?


PS: Auch Shakespeare war vermutlich ungläubig.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#15 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Savonlinna » Do 4. Jun 2015, 23:28

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: ebenso seine Ablehnung eines persönlichen Gottes.
Du meinst, der "Faust" stammt nicht von Goethe?
Kann ich nicht sagen; ich bin mit Schakespeare groß geworden.

Aber was haben die Aussagen der Figuren in seinem Werk mit Goethes persönlichen Glauben zu tun?
Ich sagte, dass der ganze "Faust" durchgehend dieses Thema hat.
Welchen persönlichen Glauben jemand hat, das würde ich nie zu behaupten wagen.
So etwas lehne ich grundsätzlich als dilettantisch ab.
In der DDR wurde Goethe auch für sich vereinnahmt. Die Nazizeit hat ihn wahrscheinlich auch für sich vereinnahmt.
Und jetzt wollen die Atheisten ihn für sich vereinnahmen.
Nix für meiner Mutter Tochter. :)

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#16 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Pluto » Do 4. Jun 2015, 23:35

Savonlinna hat geschrieben:Ich sagte, dass der ganze "Faust" durchgehend dieses Thema hat.
Welchen persönlichen Glauben jemand hat, das würde ich nie zu behaupten wagen.
"Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust"
Für mich thematisiert Goethe in Faust regelrecht seinen inneren Glaubenskampf.

Savonlinna hat geschrieben:So etwas lehne ich grundsätzlich als dilettantisch ab.... Und jetzt wollen die Atheisten ihn für sich vereinnahmen.
Nix für meiner Mutter Tochter. :)
:lol:
Selbst wenn es näher an der Wahrheit ist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#17 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Savonlinna » Fr 5. Jun 2015, 00:52

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:So etwas lehne ich grundsätzlich als dilettantisch ab.... Und jetzt wollen die Atheisten ihn für sich vereinnahmen.
Nix für meiner Mutter Tochter. :)
:lol:
Selbst wenn es näher an der Wahrheit ist?
Ach, die Wahrheit. Ich analysiere grad, was hier im Forum alles als "Wahrheit" verkauft wird.

Ich beobachte die Vereinnahmung. Das erzählt mir genug.

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#18 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Queequeg » Fr 5. Jun 2015, 07:33

Savonlinna hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Am ende: ob ein Mensch "ausschließlich" oder ein "ausschließliches" ist, das wage ich zu bezweifeln, jedenfalls wenn ich an die Philosophie des Yin und Yang denke.
So - darin sind wir uns also einig, und in dem anderen vermutlich sowieso.
Goethes Erlösungsidee des Individuums - im "Faust" entwickelt - beißt sich für Goethe offensichtlich nicht mit pantheistischem Gedankengut.

Queequeg hat geschrieben:Der Faust, eine zweibändige Ausgabe mit sämtlichen Textversionen, sämtliche Paralipomena und ein ganzer Band nur Kommentare, ein gewaltiges Werk von immerhin 1.133 Seiten, ist eines meiner ewgien Kopfkissenbücher, sozusagen, und das schon seit "Äonen".
Diese Ausgabe habe ich auch, allerdings nicht seit Äonen, sondern erst seit einem Jahr. Bis dato verschliss ich nur unzählige Reclam-Fauste und dtv-Fauste. Und bei mir hat nur der Kommentarband 1.142 Seiten. Der Textband hat noch mal 849 Seiten dazu.
Du meinst die Ausgabe von Albrecht Schöne?

Natürlich, die Ausgabe von A. Schöne, eine bessere gibt es nicht und der Kommentar-Band ist für mich ein Glücksfall an dem ich mich nicht "sattlesen" kann. Allerdings muss ich mich berichtigen, ich habe die Taschenbuchausgabe (im Schuber) und da hat der Kommentarband genau 1.140 Seiten, schließt also ab mit dem kurzen Kommentar zu fünften Auflage.
(Als Werkausgausgabe habe ich jetzt die Münchner Ausgabe, neben der von Artemis, früher war es einmal die "Hamburger". Die große Goethe-Edition des Deutschen Klassiker Verlages ist mir einfach zu teuer.)

Wobei, wenn man jetzt von den "Figuren" im Faust ausgeht, so war mir der Faust immer etwas fade, sein Herzblut hat Goethe wohl in den Mephisto gelegt, der ist dort der große Demiurg, der den Menschen die Welt, der den Menschen den Menschen in all seinem Hoffen, Bangen, Fallen und Zweifeln erklärt.
Seltsam dabei, für die Evangelikalen ist Goethe ein rotes Tuch, die Katholiken lesen ihn, zitieren ihn und lassen Goethe einen guten Mann sein...

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#19 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Queequeg » Fr 5. Jun 2015, 07:37

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: ebenso seine Ablehnung eines persönlichen Gottes.
Du meinst, der "Faust" stammt nicht von Goethe?
Kann ich nicht sagen; ich bin mit Schakespeare groß geworden.



Von den vielen und bald nicht mehr zu zählenden Shakespeare-Übersetzungen ist mir die sogenannte Schlegel-Tieck-Übersetzung immer noch die Liebste. Welche empfiehlst du?

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#20 Re: Goethes Glaube und Philosophie

Beitrag von Savonlinna » Fr 5. Jun 2015, 09:58

Queequeg hat geschrieben:
(Als Werkausgausgabe habe ich jetzt die Münchner Ausgabe, neben der von Artemis, früher war es einmal die "Hamburger". Die große Goethe-Edition des Deutschen Klassiker Verlages ist mir einfach zu teuer.)
Die Artemis-Ausgabe gab es früher auch als Taschenbuchausgabe - dtv -, die hatte ich mir in der Studentenzeit nach und nach zusammengekauft, hab sie fast vollständig.

Was die beiden Figuren Faust und Mephisto angeht:
Der Schauspieler Will Quadflieg - der oft den Faust, aber auch oft den Mephisto gespielt hat - sagte, dass sich für ihn beim Spiel herausgestellt habe, dass im Laufe des Dramas Faust immer mehr mephistolische Züge, Mephisto immer mehr faustische Zuge bekam.

Beide gehören für mich zusammen, der Mephisto drückt sogar schon in Teil 1 mitunter die Stimme Gottes aus.
Insgesamt aber interessieren mich bei dem Werk - wie überhaupt bei der Dichtung - nicht primär die Figuren oder Charaktere, sondern die Komposition.
"Faust II" übertrifft für mich noch immer die ganze Literaturgattung "Absurde Dichtung" - welchletztere ja erst im 20. Jahrhundert entstanden ist - um Längen.
Das wirklich Absurde des Daseins - und die Komik dabei - hat Jöthe in "Faust II" getroffen, vor allem in der Klassischen Walpurgisnacht.
Die kann man lesen gänzlich ohne Hintergrundwissen von antiker Mythologie - einfach nur lesen und genießen. Am besten LAUT lesen. Oder noch besser: Szenen daraus auf die Bühne bringen. Die Sprachgewalt und die Bildgewalt erschließt sich primär, ich hab das selbst bei Schülern getestet.

Und was Deine Frage an Pluto angeht, welche Übersetzung er bei Shakespeare liest:
da greife ich mal zur Kristallkugel und sage: NUR das Original. :D

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