Textaufgabe:Schöpfung

Philosophisches zum Nachdenken
ThomasM
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#11 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von ThomasM » Di 20. Dez 2016, 21:31

Pluto hat geschrieben: Thomas, lehnst du den Determinismus ab?
Den klassischen ja, der ist bewiesenermaßen inkorrekt.

Er wird ersetzt mit einem Determinismus der Wahrscheinlichkeit, d.h. wenn die Wellenfunktion des Universums zum Zeitpunkt t vollständig bekannt ist, so ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Zustands des Universums in Zukunft festgelegt - aber nicht, welche Werte die einzelnen Observablen haben werden.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#12 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Pluto » Mi 21. Dez 2016, 09:08

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Thomas, lehnst du den Determinismus ab?
Den klassischen ja, der ist bewiesenermaßen inkorrekt.

Er wird ersetzt mit einem Determinismus der Wahrscheinlichkeit, d.h. wenn die Wellenfunktion des Universums zum Zeitpunkt t vollständig bekannt ist, so ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Zustands des Universums in Zukunft festgelegt - aber nicht, welche Werte die einzelnen Observablen haben werden.
Eben das meine ich...
Also kann sich die Welt verändern und entwickeln auch wenn sie dies nur zufällig tut.

Evolution ist kein starrer Prozess. Evolution verändert sich selbst mit der sich verändernden Umwelt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#13 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von ThomasM » Mi 21. Dez 2016, 16:43

Pluto hat geschrieben: Eben das meine ich...
Also kann sich die Welt verändern und entwickeln auch wenn sie dies nur zufällig tut.

Evolution ist kein starrer Prozess. Evolution verändert sich selbst mit der sich verändernden Umwelt.
Du hast mir nicht wirklich zugehört. Es ist ganz und gar nicht einfach. Ich hole mal etwas weiter aus.

1. Quantenmechanik hat die Grundeigenschaft der Informationserhaltung

Die Wellenfunktion des Universums kann man ansehen als eine Beschreibung der Möglichkeiten, die das Universum hat. Alles, was im schwachen Determinismus geschieht, ist also, die Wahrscheinlichkeiten der (unendlich vielen) Möglichkeiten umzuverteilen und diese Umverteilung kann man berechnen.

Das Wesentliche ist aber: Es gibt das Grundgesetz der Informationserhaltung in der Quantenphysik.
Durch die Entwicklung werden nur die Wahrscheinlichkeiten verändert, es kommen aber keine neuen Möglichkeiten hinzu und es fallen keine weg.
Dazu gab es eine starke Kontroverse, ob ein schwarzes Loch Informationen vernichtet, Hawking hat seine Ansicht, dass es das tut, inzwischen wieder zurückgenommen.
Diese Tatsache hat aber eine ganz erhebliche Konsequenz:

Alles, was sich im Verlauf der Zeit entwickelt hat, war bereits bei der Schöpfung angelegt.

Physiker haben bereits mit den grundsätzlichen Möglichkeiten herumgespielt, also Planetenbildung, Entstehung der Materie usw. Dafür ist bereits eine unglaublich feine Feinabstimmung notwendig.
Betrachtet man Evolution, so geht das nochmal um viele viele Größenordnungen feiner. Die Möglichkeiten der Kohlenstoffverbindungen und der Proteine ist praktisch unendlich und niemand weiß, welche Parameter in welcher Genauigkeit dafür verantwortlich ist.

Auch die Möglichkeiten der Evolution waren bereits bei der Schöpfung angelegt. Aber niemand weiß bisher, welche Eigenschaft des Universums das begründet, was möglich ist.

2. Von den Möglichkeiten wird immer eine real

Die Beschreibung der Möglichkeiten über eine Wahrscheinlichkeitesverteilung heißt nicht, dass alle Möglichkeiten wahr werden. Es wird immer nur ein Zustand wahr. Welcher das sein wird weiß man nicht.
Welcher das sein wird, weiß man niemals und kann es bis zum Augenblick des Eintretens nicht wissen.

Wer oder was die Festlegung trifft, was real wird, ist unbekannt.
Auch in der Evolution gab und gibt es unendlich viele Möglichkeiten, von denen letztlich nur eine real wird.
Sogar die Entstehung des Lebens selbst ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein sehr unwahrscheinlicher Vorgang.

Es hätte also auch sein können, dass unser Universum vollkommen leblos gewesen wäre.

Der Mechanismus, der dafür sorgte, dass es nicht so war, ist unbekannt.

3. Unser Universum ist gleichzeitig vollkommen bestimmt und vollkommen offen.

Das ist eigentlich ein logischer Gegensatz. Aber die Realität zeigt, dass das Bild des Uhrwerks unzulänglich ist. Bei einem Uhrwerk ist nichts offen, alles ist bestimmt.
Beim Universum sind die Möglichkeiten bestimmt, aber was real wird, ist offen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#14 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Pluto » Mi 21. Dez 2016, 16:50

ThomasM hat geschrieben:Das ist eigentlich ein logischer Gegensatz. Aber die Realität zeigt, dass das Bild des Uhrwerks unzulänglich ist. Bei einem Uhrwerk ist nichts offen, alles ist bestimmt.
Beim Universum sind die Möglichkeiten bestimmt, aber was real wird, ist offen.
... Und genau das ist das Szenario des "Clockwork Universe", wo zwar alles undeterminiert ist, aber sich von alleine weiter entwickelt.

Der Punkt eines Uhrmacher Universums ist doch, dass außer im Fall des Erstbewegers kein weiteres Eingreifen notwendig war. Und ob es einen solchen Erstbeweger gibt, wie Augustinus meinte, wissen wir nicht. Der Anfang könnte genauso gut "pantheistisch", also natürlich erfolgt sein. Dazu gibt es übrigens mehrere konkurrierende Hypothesen, von Lindes Mulitversum über das brodelnde Quantenvakuum, bis hin zur Quantenschleifengravitation, ist alles möglich.

Such dir eins aus.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#15 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von ThomasM » Mi 21. Dez 2016, 16:56

Pluto hat geschrieben: ... Und genau das ist das Szenario des "Clockwork Universe", wo zwar alles undeterminiert ist, aber sich von alleine weiter entwickelt.
Nun ja, warum "von alleine"?

Etwas oder jemand entscheidet, was real wird.
Das "Jemand" ist damit nicht aus dem Spiel.
Und im Gegensatz zum "Uhrmacher" erfordert dieses Szenario eine ständige Kontrolle dessen, was real wird, also ein beständige Begleitung durch diesen Jemand im Zeitstrahl.
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#16 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Novas » Mi 21. Dez 2016, 16:56

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Das ist eigentlich ein logischer Gegensatz. Aber die Realität zeigt, dass das Bild des Uhrwerks unzulänglich ist. Bei einem Uhrwerk ist nichts offen, alles ist bestimmt.
Beim Universum sind die Möglichkeiten bestimmt, aber was real wird, ist offen.
... Und genau das ist das Szenario des "Clockwork Universe", wo zwar alles undeterminiert ist, aber sich von alleine weiter entwickelt.

Der Punkt eines Uhrmacher Universums ist doch, dass außer im Fall des Erstbewegers kein weiteres Eingreifen notwendig war. Und ob es einen solchen Erstbeweger gibt, wie Augustinus meinte, wissen wir nicht. Der Anfang könnte genauso gut "pantheistisch", also natürlich erfolgt sein. Dazu gibt es übrigens mehrere konkurrierende Hypothesen, von Lindes Mulitversum über das brodelnde Quantenvakuum, bis hin zur Quantenschleifengravitation, ist alles möglich.

Such dir eins aus.


Ich wähle den unendlichen Schöpfer.... ;)

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#17 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Pluto » Mi 21. Dez 2016, 17:01

Novalis hat geschrieben:Ich wähle den unendlichen Schöpfer.... ;)
Ist dein gutes Recht.

Aber woher kam dieser Schöpfer? Und... was tat der Schöpfer danach, außer Däumchen drehen, und sich langweilen?

Böse Zungen behaupten, um sich von diesem Gedanken an den eigenen Ursprung abzulenken, erschuf er das Leben.
Das gab ihm dann eine klare Aufgabe, den Menschen zu bändigen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#18 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Halman » Mi 21. Dez 2016, 18:12

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ich wähle den unendlichen Schöpfer.... ;)
Ist dein gutes Recht.

Aber woher kam dieser Schöpfer? Und... was tat der Schöpfer danach, außer Däumchen drehen, und sich langweilen?

Böse Zungen behaupten, um sich von diesem Gedanken an den eigenen Ursprung abzulenken, erschuf er das Leben.
Das gab ihm dann eine klare Aufgabe, den Menschen zu bändigen.
Du argumentiert mit dem Uhrmachergott, den Thomas negiert. In seinem Gottesbild ist Gott stehts beschäftigt mit der Schöpfung. Er ist nicht nur der Schöpfer sondern auch der Erhalter.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#19 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Pluto » Mi 21. Dez 2016, 18:21

Halman hat geschrieben:Du argumentiert mit dem Uhrmachergott, den Thomas negiert.
Ja und?
Meine Meinung ist. :mrgreen:

Hat denn nun Thomas recht? Wie denkst du darüber?

Halman hat geschrieben:In seinem Gottesbild ist Gott stehts beschäftigt mit der Schöpfung. Er ist nicht nur der Schöpfer sondern auch der Erhalter.
Ich frage mich nur, warum das alles so geheimnisvoll hinter versteckter Hand geschehen muss?
Was tut Gott eigentlich die ganze Zeit? Warum hinterlässt er keinerlei Spuren seines Wirkens?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#20 Re: Textaufgabe:Schöpfung

Beitrag von Novas » Mi 21. Dez 2016, 19:39

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ich wähle den unendlichen Schöpfer.... ;)
Ist dein gutes Recht.

Aber woher kam dieser Schöpfer? Und... was tat der Schöpfer danach, außer Däumchen drehen, und sich langweilen?

Böse Zungen behaupten, um sich von diesem Gedanken an den eigenen Ursprung abzulenken, erschuf er das Leben.
Das gab ihm dann eine klare Aufgabe, den Menschen zu bändigen.
Du argumentiert mit dem Uhrmachergott, den Thomas negiert. In seinem Gottesbild ist Gott stehts beschäftigt mit der Schöpfung. Er ist nicht nur der Schöpfer sondern auch der Erhalter.

Richtig. Zu unsrem Gottesbild gehört, dass Gott der „Schöpfer, Erzieher und Erhalter aller Welten“ ist. Ihr Entwickler und Förderer, der mit den Menschen durch die Geschichte geht. Nicht nur der Uhrmacher, der das Ganze ins Dasein rief, vergleichbar einer Maschine, um sie fortan im Stich zu lassen. Zwar betont auch die christliche Mystik, dass Gott der Verbogene oder ein Mysterium ist („deus absconditus“) aber er offenbarte sich auch. „Am Anfang war das Wort“ bedeutet, dass es eigentlich nichts gibt, was nicht sein Wort (und somit Selbst-Offenbarung) Gottes ist. Ich nenne ihn das sprechende Mysterium, weil das dem paradoxen Verhältnis des Menschen zu seinem Ursprung entspricht.

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