Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#21 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von Novas » Mo 13. Nov 2017, 18:00

Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Da sehe ich das Problem, dass dieser "Grundbaustoff" vermutlich aus seiner Sicht "diesseitiger" Konvenienz sein müsste - aber ich kenne Nagels Werk nicht.
Natürlich. Nagel ist Atheist. Der Grundbaustoff kann für ihn nur aus der Materie, aus der Natur stammen.
Aber sein Buch "Geist und Kosmos" ist wirklich interessant.

Vielleicht ist dieser Dualismus von Geist und Materie einfach falsch. Das ist meine persönliche Sichtweise: Geist und Materie emanieren aus einer gemeinsamen Quelle. Doch das ist begrifflich schwer zu beschreiben: wie nennen wir das dann? Ich nenne es das absolute Bewusstsein. “Materie” im Sinne des orthodoxen Materialismus ist es jedenfalls nicht. ;) Das große Genie Erwin Schrödinger war dem auf der Spur (so eine Art Trüffelschwein für geistige Dinge), sich als ein Gigant und heroischer Kämpfer, Achill der Wissenschaften über die Mittelmäßigkeit seiner Zeit erhebend:

Nach Spinoza ist jedes Einzelding eine Modifikation der unendlichen Substanz, das ist Gottes. Es drückt sich in jedem seiner Attribute aus, im besonderen in dem der Ausdehnung und in dem des Denkens. Ersteres ist seine körperliche Existenz in Raum und Zeit, letzteres - wenn es sich um den lebendigen Körper eines Menschen oder Tieres handelt - sein Geist (mens). Aber auch alles leblos Körperliche ist für Spinoza auch ,,ein Gedanke Gottes“. Wir stoßen auf den kühnen Gedanken einer Allbeseelung; freilich nicht zum ersten Male; schon zweitausend Jahre zuvor hatte dieser Gedanke der jonischen Philosophenschule (Thales, Anaximander, Anaximenes) den Beinamen der Hylozoisten eingetragen. Nach Spinoza hat der geistvolle Gustav Theodor Fechner sich nicht gescheut, die Pflanzen zu beseelen, die Erde als ‘Weltkörper und die Sterne. Ich stimme diesen Phantasien nicht zu, aber ich möchte nicht darüber zu Gericht sitzen, wer der tiefsten Wahrheit näher kam, Fechner oder die Bankrotteure der Rationalistik.
Erwin Schrödinger: Geist und Materie

Um diese “tiefste Wahrheit” müsste es uns gehen. Mit Sicherheit hat auch jemand wie Michael Schmidt-Salomon daran Interesse, sonst wäre er nie Philosoph geworden. Was mich persönlich angeht: als Mystiker stimme ich Gustav Theodor Fechner zu. Die Pflanzen sind beseelt, ebenso die Erde als Weltkörper, die Sterne, der ganze Kosmos. Der rationale Wissenschaftler Schrödinger nennt es “Phantasien”, aber vielleicht ist die Realität ja sehr viel phantastischer, als die meisten Menschen zu denken wagen. Die christliche Mystik und Spiritualität zeigt uns einen phantastischen Realismus, eine Realität, welche die begrenzte Ratio der Menschen unendlich übersteigt. Nicht im Sinne dogmatischer Denkverbote, sondern im Sinne einer Einladung größer, weiter und wagemutiger zu denken. Doch um auf solche Ideen zu kommen, wie ich sie hier formuliere, müsste man eigentlich nur mal schöne Kunst betrachten.

Bild

Scott Naismith (Scottish, b. 1978, South Lanarkshire, Scotland) - Cumulus Consonance Study 1, 2013 Paintings: Oil on Canvas

Mir genügt schon dieses Bild vollkommen, um an die Beseeltheit der Welt zu glauben :)

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#22 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von closs » Mo 13. Nov 2017, 21:58

Novalis hat geschrieben:Vielleicht ist dieser Dualismus von Geist und Materie einfach falsch. Das ist meine persönliche Sichtweise: Geist und Materie emanieren aus einer gemeinsamen Quelle.
Dieser Dualismus ist aus meiner Sicht tatsächlich falsch, weil Materie eine Ableitung von Geist ist - also sozusagen "Geist niederer Ordnung" ist. - Insofern ist für mich die gemeinsame Quelle von MENSCHLICHEM Geist und Materie "der Geist", der in der Bibel mit "Heiliger Geist" chiffriert ist.

Novalis hat geschrieben: Erwin Schrödinger
Genau das meine ich aus Schrödinger herauszuhören.

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#23 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von Pluto » Di 14. Nov 2017, 08:55

closs hat geschrieben:Dieser Dualismus ist aus meiner Sicht tatsächlich falsch,
Stimmt! Seit Gilbert Ryle das 1949 zeigte, glaubt kaum Jemand mehr an den Dualismus von Geist und Körper

closs hat geschrieben:weil Materie eine Ableitung von Geist ist - also sozusagen "Geist niederer Ordnung" ist.
Non sequitur. Das hingegen bleibt eine reine Phantasterei die sich diejenigen gerne hinzudichten. Es sind dieselben Leute, die dem Tier generell die Fähigkeitzu geistlichem Empfinden absprechen wollen. Sie behaupten dann auch gerne, dass "Geistfähigkeit" den Menschen vom Tier abhebt

closs hat geschrieben:Insofern ist für mich die gemeinsame Quelle von MENSCHLICHEM Geist und Materie "der Geist", der in der Bibel mit "Heiliger Geist" chiffriert ist.
Für dich vielleicht, aber wie willst du diese unsinnige Behauptung rational und plausibel aufrecht erhalten?

closs hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben: Erwin Schrödinger
Genau das meine ich aus Schrödinger herauszuhören.
Was Manche meinen herauszuhören deckt sich selten mit dem was der Autor aussagen wollte.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#24 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von closs » Di 14. Nov 2017, 13:16

Pluto hat geschrieben: Seit Gilbert Ryle das 1949 zeigte, glaubt kaum Jemand mehr an den Dualismus von Geist und Körper
Aus materieller Perspektive ist Ryles Auffasssung richtig.

Pluto hat geschrieben:Es sind dieselben Leute, die dem Tier generell die Fähigkeitzu geistlichem Empfinden absprechen wollen. Sie behaupten dann auch gerne, dass "Geistfähigkeit" den Menschen vom Tier abhebt
Richtig - auch hier eine Frage der Perspektive: Wenn man Geist aus Materie definiert, ist "Geistfähigkeit" im Sinne der Religionen schwer verständlich UND Geistigkeit von Tieren natürlich möglich. - Das Problem liegt in der Definition von "Geist". - Definiert man es vom Transzendenten her oder vom MAteriellen?

Pluto hat geschrieben:Für dich vielleicht, aber wie willst du diese unsinnige Behauptung rational und plausibel aufrecht erhalten?
Woher willst Du wissen, dass es "Unsinn" ist? - Ja, und natürlich kann man es rational und plausibel begründen, WENN man "rational" als Ausdruck universaler Vernunft versteht.

Pluto hat geschrieben:Was Manche meinen herauszuhören deckt sich selten mit dem was der Autor aussagen wollte.
Das stimmt - deshalb meine vorsichtige Ausdrucksweise - andererseits: Oft bestätigt sich der eigene Eindruck auch bei näherem Hinschauen.

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#25 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von Pluto » Di 14. Nov 2017, 13:41

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Seit Gilbert Ryle das 1949 zeigte, glaubt kaum Jemand mehr an den Dualismus von Geist und Körper
Aus materieller Perspektive ist Ryles Auffasssung richtig.
Was hat die Funktion der Welt mit Perspektive zu tun? Entweder Ryle hatte recht, oder nicht. Punkt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es sind dieselben Leute, die dem Tier generell die Fähigkeitzu geistlichem Empfinden absprechen wollen. Sie behaupten dann auch gerne, dass "Geistfähigkeit" den Menschen vom Tier abhebt
Richtig - auch hier eine Frage der Perspektive:
Eben ist das KEINE Frage der Perspektive, denn Perspektive ändert nichts an der Realität.
closs hat geschrieben:Wenn man Geist aus Materie definiert, ist "Geistfähigkeit" im Sinne der Religionen schwer verständlich UND Geistigkeit von Tieren natürlich möglich. - Das Problem liegt in der Definition von "Geist". - Definiert man es vom Transzendenten her oder vom MAteriellen?
Dennoch bleibt es derselbe "Geist".
Dass Religionen damit Mühe haben, überrascht nicht. Wie willst du wissen, ob Geist transzendent ist? Was ist Transzendenz? Versuche es zu definieren, und du wirst noch mehr Mühe haben, die Frage zu beantworten.

Transzendenz ... bezeichnet in Philosophie, Theologie und Religionswissenschaft ein Verhältnis von Gegenständen zu einem bestimmten Bereich möglicher Erfahrung ... [Wikipedia]
Was verstehst du unter "mögliche" Erfahrung?

closs hat geschrieben:Woher willst Du wissen, dass es "Unsinn" ist?
Gar nicht, ich habe einfach was gegen Behauptungen ohne Belege.
closs hat geschrieben:und natürlich kann man es rational und plausibel begründen
Fang mal an es zu begründen!

closs hat geschrieben: WENN man "rational" als Ausdruck universaler Vernunft versteht.
Versuch den klaren Begriff der Rationalität nicht umzudefinieren oder zu vernebeln.
Mit Rationalität wird ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet. [Wikipedia]

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was Manche meinen herauszuhören deckt sich selten mit dem was der Autor aussagen wollte.
Das stimmt - ... andererseits: Oft bestätigt sich der eigene Eindruck auch bei näherem Hinschauen.
Was denn nun? selten oder oft?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#26 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von closs » Di 14. Nov 2017, 13:54

Pluto hat geschrieben:Was hat die Funktion der Welt mit Perspektive zu tun? Entweder Ryle hatte recht, oder nicht. Punkt.
Alles richtig - aber woher willst Du wissen, ob SEINE Wahrnehmung authentisch ist zu dem, wie "die Welt" am Ende funktioniert?

Pluto hat geschrieben:Eben ist das KEINE Frage der Perspektive, denn Perspektive ändert nichts an der Realität.
Immer wieder richtig - und genau das, was ich seit ewigen Zeiten predige. - Aber auch hier: Woher willst Du wissen, dass DEINE Perspektive diejenige ist, die der Realität am nächsten kommt? - Ein transzendent Argumentierender würde im Prinzip dasselbe für SEINE Perspektive beanspruchen.

Pluto hat geschrieben:Wie willst du wissen, ob Geist transzendent ist?
Wie willst Du wissen, dass GEist NICHT transzendent ist?

Pluto hat geschrieben:Was verstehst du unter "mögliche" Erfahrung?
Eine Erfahrung, die kritisch-rational-wissenschaftlich nicht falsifizierbar ist, aber als Realität möglich ist.

Pluto hat geschrieben:ich habe einfach was gegen Behauptungen ohne Belege.
Das liegt doch nur daran, dass Du "Belege" so definierst, dass es keine im geistigen Bereich geben kann. - Selbstverständlich gibt es Tausende an "Belegen" - aber diese bist Du definitorisch nicht bereit, als solche anzuerkennen. - Das ist alles eine Folger der Ver-Orwellisierung der Sprache durch den Materialismus - und jetzt haben wir den Salat.

Pluto hat geschrieben:Mit Rationalität wird ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet.
Das würde auch Ratzinger unterschreiben - auch für ihn (für mich genauso) ist es "vernünftig", sich an Realität auszurichten, und sein Denken und Handeln dementsprechend zu gestalten.

Pluto hat geschrieben:Was denn nun? selten oder oft?
Bei mir bisher oft - aber vielleicht baue ich da noch ab. :lol:

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#27 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von Pluto » Di 14. Nov 2017, 18:36

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was hat die Funktion der Welt mit Perspektive zu tun? Entweder Ryle hatte recht, oder nicht. Punkt.
Alles richtig - aber woher willst Du wissen, ob SEINE Wahrnehmung authentisch ist zu dem, wie "die Welt" am Ende funktioniert?
Seine Reputation als hervorragender Analytiker und dass er bei seinen Untrersuchungen außerordentlich gewissenhaft und systematisch vorging.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Eben ist das KEINE Frage der Perspektive, denn Perspektive ändert nichts an der Realität.
Immer wieder richtig - und genau das, was ich seit ewigen Zeiten predige. - Aber auch hier: Woher willst Du wissen, dass DEINE Perspektive diejenige ist, die der Realität am nächsten kommt? -Ein transzendent Argumentierender würde im Prinzip dasselbe für SEINE Perspektive beanspruchen.
Weil Religionen kein Monopol auf den Begriff haben. Das wäre dann lediglich eine Religiöse, aber KEINE allgemein gültige Sicht.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie willst du wissen, ob Geist transzendent ist?
Wie willst Du wissen, dass GEist NICHT transzendent ist?
Weil außerhalb der Philosophie und Religion, das Wort ein Synonym für esoterisches "wuh-wuh" ist.

Mit der Gegenfrage hast du meine Frage aber nicht beantwortet.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was verstehst du unter "mögliche" Erfahrung?
Eine Erfahrung, die kritisch-rational-wissenschaftlich nicht falsifizierbar ist, aber als Realität möglich ist.
Nein das meinte ich nicht. Wenn etwas "nur" möglich ist, kann es aber auch das Gegenteil bedeuten.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:ich habe einfach was gegen Behauptungen ohne Belege.
Das liegt doch nur daran, dass Du "Belege" so definierst, dass es keine im geistigen Bereich geben kann.
Wenn du mit "geistige" Belege, substanzlose Behauptungen meinst, dann hast du recht. Dann wäre mir erlaubt, zu sagen, Pumuckl sei transzendent. Und ich könnte eine ganz Litanei von susbstanzlosen Gründen herunterrasseln, die alle nicht überprüfbar sind. So arbeitet aber nun Mal weder die Wissenschaft, noch die Philosophie, sonst öffnet man Tür und Tor für Beliebigkeit in den Behauptungen.

closs hat geschrieben:Selbstverständlich gibt es Tausende an "Belegen"
So lange sie nicht überprüfbar sind, bleiben sie wirkungslos.

closs hat geschrieben:aber diese bist Du definitorisch nicht bereit, als solche anzuerkennen.
Natürlich nicht, denn sonst öffnet man Tür und Tor für Beliebigkeit in den Behauptungen.

closs hat geschrieben: - Das ist alles eine Folger der Ver-Orwellisierung der Sprache durch den Materialismus - und jetzt haben wir den Salat.
Als nicht Sprachwissenschaftler, bist du gar in der Lage darüber zu urteilen, weshalb ich das als unqualifizierten Unfug zurückweise.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Mit Rationalität wird ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet.
Das würde auch Ratzinger unterschreiben - auch für ihn (für mich genauso) ist es "vernünftig", sich an Realität auszurichten, und sein Denken und Handeln dementsprechend zu gestalten.
Der Stockfehler hier ist, dass Niemand weiß von welcher Realität du redest. Sie könnte auch nach Art der Pippi Langstrumpf entstanden sei ("Wide, wide witt — ich mach mir die Welt so wie sie mir gefällt."). Das ist nicht nur unseriös, sonder regelrecht unredlich und hat in der Philosophie oder Wissenschaft nichts verloren.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#28 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von closs » Di 14. Nov 2017, 21:13

Pluto hat geschrieben:Seine Reputation als hervorragender Analytiker
Diese Reputation ist unbestritten - aber darum geht es nicht: Es geht um die Perspektive, aus der er "gewissenhaft und systematisch" vorgeht - und diese scheint zu sein: "Wir setzen Materie als Ausgangspunkt unserer Überlegungen".

Pluto hat geschrieben:Weil Religionen kein Monopol auf den Begriff haben.
Aber das, was Du vertrittst, doch ebenfalls nicht. - Im übrigen ist die Tatsache, dass sich etwas aufgrund von Sprachgestaltung durchsetzt, kein qualitatives Argument.

Pluto hat geschrieben:Weil außerhalb der Philosophie und Religion, das Wort ein Synonym für esoterisches "wuh-wuh" ist.
Auch hier: Eine Perspektiven-Frage. - Was kann "Geist" dafür, dass er nur in Philosophie und Theologie salonfähig ist? Das ändert doch nichts.

Pluto hat geschrieben:Mit der Gegenfrage hast du meine Frage aber nicht beantwortet.
Ich "weiss" genausowenig wie Du, ob Geist transzendent oder materiell ist. - Neurowissenschaftliche Beleuchtungen des Phänomens "Geist" sind von materieller Seite her durchaus interessant, beantworten aber diese Frage nicht.

Ich glaube/setze, dass Geist transzendent ist, weil dieses Wort sonst keinen Sinn machen würde - wäre Geist nur materiell, könnte man auch das Wort "Kognition" verwenden.

Pluto hat geschrieben:Wenn du mit "geistige" Belege, substanzlose Behauptungen meinst, dann hast du recht.
Sie sind sehr substanziell, aber als solche in der methodischen Anlage des kritischen Rationalismus nicht vorgesehen.

Pluto hat geschrieben:So lange sie nicht überprüfbar sind, bleiben sie wirkungslos.
Das, was wirkt, ist nicht daran gebunden, ob es von uns überprüfbar ist.

Pluto hat geschrieben:Natürlich nicht, denn sonst öffnet man Tür und Tor für Beliebigkeit in den Behauptungen.
Du setzt "kritisch-rational nicht verarbeitbar" mit "beliebig" gleich. - Das Geistige aber beginnt erst da, wo der KR aus methodischen Gründen aufhören muss - das ist methodisch im Übrigen sehr sinnvoll. - Aber "methodisch" heißt nicht "philosophisch" - mit anderen Worten: Mit Methodik kann man keine Sinnfragen klären - da geht's diesbezüglich erst richtig los.

Pluto hat geschrieben:Als nicht Sprachwissenschaftler, bist du gar in der Lage darüber zu urteilen, weshalb ich das als unqualifizierten Unfug zurückweise.
Erstens bin ich tatsächlich Sprachwissenschaftler mit Bayrischem Hochschulabschluss - zweitens ist das mehr als 30 Jahre her. :lol: - Aber wie Sprache funktioniert, ist schon ein Thema der Sprachwissenschaft - übrigens auch der Literaturwissenschaft.

Demnach ist Sprache immer nichts als eine Vereinbarung - wenn wir heute zu "Mond" "Plumps" sagen UND wir genug Anhänger dafür finden, steht für unseren Trabanten in 50 Jahren im Duden das Wort "Plumps". - Orwellisierung funktioniert so, wobei hier keine organische Sprachentwicklung die Triebfeder ist, sondern ein weltanschaulicher Wille - und genau das ist in den letzten Generationen erfolgreich seitens des Materialismus passiert.

Dann bedeutet "Geist" nicht mehr das, was es ursprünlich bedeutet hat (und dessen Bedeutung immer noch da ist), sondern ist beschränkt auf materialistische Fassbarkeit dieses Wortes - dito "Bewusstsein" und anderes. - Deshalb mein gelegentlicher Hinweis auf "Polysem".

Pluto hat geschrieben:Der Stockfehler hier ist, dass Niemand weiß von welcher Realität du redest.
Wenn jemand dies erklärt, ist es die Theologie und die traditionelle Philosophie. - Das Problem ist ein anderes: In gewohnter Orwellisierung wird alles als "irrelevant" bezeichnet, was nicht kritisch-rational spurt.

Pluto hat geschrieben: Das ist nicht nur unseriös, sonder regelrecht unredlich und hat in der Philosophie oder Wissenschaft nichts verloren.
Dieser Satz ist Produkt dieser Orwellisierung - denn aus geistiger Perspektive ist es seriös, redlich und sogar vernünftig und geradezu Basis der Philosophie. - Da siehst Du, wie weit hier vor-orwellsches und nach-orwellsches Denken auseinanderklaffen.

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#29 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von Janina » Mi 15. Nov 2017, 09:33

closs hat geschrieben:Orwellisierung funktioniert so, wobei hier keine organische Sprachentwicklung die Triebfeder ist, sondern ein weltanschaulicher Wille - und genau das ist in den letzten Generationen erfolgreich seitens des Materialismus passiert.

Dann bedeutet "Geist" nicht mehr das, was es ursprünlich bedeutet hat.
Interessanterweise wird Geist immer in Zusammenhang mit Alkohol gebracht. Der Geist des Weines ist nicht der geniale Gedanke, der einem im Rausch kommt, sondern das flüchtige Zeug, das in der Nase sticht. Spiritus - Geist / Ethanol. Äther / Ätherisch - durchgeistigt / flüchtige Flüssigkeit / nicht fassbarer Stoff.
Transzendenz als nicht fassbarer Stoff muss nicht Immaterialität bedeuten, es kann auch heißen, dass der Zuschauer es lediglich nicht versteht.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Mit der Gegenfrage hast du meine Frage aber nicht beantwortet.
Ich "weiss" genausowenig wie Du, ob Geist transzendent oder materiell ist. - Neurowissenschaftliche Beleuchtungen des Phänomens "Geist" sind von materieller Seite her durchaus interessant, beantworten aber diese Frage nicht.
Aber es macht was anderes. Es macht möglicherweise das Phänomen Transzendenz als von jeglicher Materialität unabhängige Erscheinung überflüssig. Einfach dadurch, dass eine materiefreie Welt überhaupt nicht zur Verfügung steht, in der man Transzendenz zu beobachten versuchen könnte, und durch materiebasierte Modellierung von Transzendenz als komplexe Interaktiviät.

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#30 Re: Der neue Atheismus ist vielleicht nicht tot, aber er riecht komisch!

Beitrag von Detlef » Mi 15. Nov 2017, 10:03

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Seine Reputation als hervorragender Analytiker
Diese Reputation ist unbestritten - aber darum geht es nicht: Es geht um die Perspektive, aus der er "gewissenhaft und systematisch" vorgeht - und diese scheint zu sein: "Wir setzen Materie als Ausgangspunkt unserer Überlegungen".
Pluto hat geschrieben:Weil Religionen kein Monopol auf den Begriff haben.
Aber das, was Du vertrittst, doch ebenfalls nicht. - Im übrigen ist die Tatsache, dass sich etwas aufgrund von Sprachgestaltung durchsetzt, kein qualitatives Argument.
Ich habe den Eindruck dass es eine von dir gern und häufig gebrauchte letzte Ausflucht ist: Du unterstellst wahlweise "Perspektive" oder "Setzung" - als gäbe es das mal einfach so aus dem "Setzkasten" und als wären auch diese Aspekte keine Folge von langwierigen und begründeten Entwicklungsprozessen.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn du mit "geistige" Belege, substanzlose Behauptungen meinst, dann hast du recht.
Sie sind sehr substanziell, aber als solche in der methodischen Anlage des kritischen Rationalismus nicht vorgesehen.
Pluto hat geschrieben:So lange sie nicht überprüfbar sind, bleiben sie wirkungslos.
Das, was wirkt, ist nicht daran gebunden, ob es von uns überprüfbar ist.
Pluto hat geschrieben:Natürlich nicht, denn sonst öffnet man Tür und Tor für Beliebigkeit in den Behauptungen.
Du setzt "kritisch-rational nicht verarbeitbar" mit "beliebig" gleich. - Das Geistige aber beginnt erst da, wo der KR aus methodischen Gründen aufhören muss - das ist methodisch im Übrigen sehr sinnvoll. ....
Auf welcher Basis bzw. welchen kleinsten gemeinsamen Nenner sollten sich zwei oder mehrere Menschen denn sonst treffen, wenn sie sich f a i r miteinander auseinander setzen wollen?
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Als nicht Sprachwissenschaftler, bist du gar in der Lage darüber zu urteilen, weshalb ich das als unqualifizierten Unfug zurückweise.
Erstens bin ich tatsächlich Sprachwissenschaftler mit Bayrischem Hochschulabschluss - zweitens ist das mehr als 30 Jahre her. :lol: - ...
... und drittens ist bayrisch kein richtiges deutsch :mrgreen:
Janina hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Orwellisierung funktioniert so, wobei hier keine organische Sprachentwicklung die Triebfeder ist, sondern ein weltanschaulicher Wille - und genau das ist in den letzten Generationen erfolgreich seitens des Materialismus passiert.
Dann bedeutet "Geist" nicht mehr das, was es ursprünlich bedeutet hat.
Interessanterweise wird Geist immer in Zusammenhang mit Alkohol gebracht. Der Geist des Weines ist nicht der geniale Gedanke, der einem im Rausch kommt, sondern das flüchtige Zeug, das in der Nase sticht. Spiritus - Geist / Ethanol. Äther / Ätherisch - durchgeistigt / flüchtige Flüssigkeit / nicht fassbarer Stoff.
Aaaaahh... ja, ich wollte schon sagen, lass doch endlich mal den armen Orwell in Ruhe, sein fiktiver totalitärer Staat hat doch damit nichts zu tun, aber so gesehen ... ;)
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

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