Der ontologische Gottesbeweis

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#21 Re: Der ontologische Gottesbeweis

Beitrag von closs » Sa 30. Dez 2017, 12:39

sven23 hat geschrieben:Wenn der menschlich definierte Vernunftbegriff nicht mehr gültig ist
Warum "nicht gültig"? - In seinem Rahmen ist er sehr wohl gültig.

sven23 hat geschrieben: läßt dass mit einem imäginären (universellen) Vernunftbegriff so ziemlich alles erklären und belegen/beweisen.
"Beweisen" eh nicht, aber belegen schon - richtig. - Da man hier allerdings im nicht-falsifizierbaren Terrain unterwegs ist, kann der Missbrauch nah sein.

Deshalb die Empfehlung:
Wer nicht über anthropogene Vernunft hinausdenken möchte, sollte es bei Bereichen belassen, die anthropogen funktionieren. - Es gibt so viele Bereiche in Naturwissenschaft und Technik, die damit vollumfänglich abdeckbar sind.

Pluto
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#22 Re: Der ontologische Gottesbeweis

Beitrag von Pluto » Sa 30. Dez 2017, 12:58

closs hat geschrieben:Wer nicht über anthropogene Vernunft hinausdenken möchte, sollte es bei Bereichen belassen, die anthropogen funktionieren. - Es gibt so viele Bereiche in Naturwissenschaft und Technik, die damit vollumfänglich abdeckbar sind.
Bitte merken: Du wendest den Begriff "anthropogen" falsch an.

Die Dinge funktionieren NICHT anthropogen.
Anthropogen ist ein Adjektiv. Es bedeutet etwas was von Menschen gemacht oder verursacht wurde.

Beispiele:
1.) Die aktuell stattfindende globale Erwärmung ist anthropogen.
2.) Kunststoffe sind anthropogen (Sie werden von Menschen hergestellt).

Aber Gedanken sind nicht anthropogen. Wenn du den Begriff falsch nutzt, ist es kein Wunder, dass dabei der falsche Eindruck entsteht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#23 Re: Der ontologische Gottesbeweis

Beitrag von sven23 » Sa 30. Dez 2017, 13:24

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn der menschlich definierte Vernunftbegriff nicht mehr gültig ist
Warum "nicht gültig"? - In seinem Rahmen ist er sehr wohl gültig.
Einen anderen Rahmen haben wir nicht zu Verfügung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: läßt dass mit einem imäginären (universellen) Vernunftbegriff so ziemlich alles erklären und belegen/beweisen.
"Beweisen" eh nicht, aber belegen schon - richtig. - Da man hier allerdings im nicht-falsifizierbaren Terrain unterwegs ist, kann der Missbrauch nah sein.
Mißbrauch klingt so hart, sagen wir Verirrung/Verwirrung.

closs hat geschrieben: Deshalb die Empfehlung:
Wer nicht über anthropogene Vernunft hinausdenken möchte, sollte es bei Bereichen belassen, die anthropogen funktionieren. - Es gibt so viele Bereiche in Naturwissenschaft und Technik, die damit vollumfänglich abdeckbar sind.
Zu deiner Information: Religiöse Texte sind ebenfalls anthropogen und die Bibel ist da keine Ausnahme.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#24 Re: Der ontologische Gottesbeweis

Beitrag von closs » Sa 30. Dez 2017, 13:46

Pluto hat geschrieben:Bitte merken: Du wendest den Begriff "anthropogen" falsch an.

Die Dinge funktionieren NICHT anthropogen.
Stimmt - es hätte heißen müssen: Ihr Funktionieren ist mit einem anthropogenen Vernunft-Begriff ausreichend beschreibbar.

Pluto hat geschrieben:Aber Gedanken sind nicht anthropogen.
Das wiederum schon: Sie entstehen durch den Menschen.

sven23 hat geschrieben:Einen anderen Rahmen haben wir nicht zu Verfügung.
Richtig - aber dieser Rahmen reicht aus zu erkennen, dass es nur ein kleiner Rahmen in Bezug anderer Rahmen sein kann, die uns NICHT zur Verfügung stehen. - Und genau das - großer SChritt - ist gemeint, wenn es bspw. in der Bibel heißt: "Dein Wille geschehe".

sven23 hat geschrieben: Religiöse Texte sind ebenfalls anthropogen und die Bibel ist da keine Ausnahme.
Die Texte selbst wurden von Menschen geschrieben *kritzel-kritzel* - natürlich. - Aber der Inhalt dieser Texte könnte doch auf den größeren Rahmen des Nicht-mehr-Anthropogenen weisen, oder nicht. - Wobei wir wieder bei "universeller Vernunft" wären.

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#25 Re: Der ontologische Gottesbeweis

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Sa 30. Dez 2017, 14:40

Ska'ara hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der ontologische Gottesbeweis stammt aus dem 11. Jahrhundert, von keinem geringeren als Anselm, Erzbischof von Canterbury.

  • Gott wird definiert als etwas, „worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“.
    Das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, ist nur im Denken, aber nicht der Wirklichkeit.
    Wenn das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, nur im Denken ist, so kann man es sich auch als wirklich seiend vorstellen.
    Wenn man sich das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, als wirklich seiend vorstellt, denkt man es sich als größer, als wenn man es sich nur als in Gedanken seiend vorstellt.
    Das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, ist etwas, über das hinaus etwas Größeres denkbar ist. Also ist Gott existent.
Wer erkennt den Logikfehler in diesem "Beweis"?
Der blau markierte Satz ist unlogisch. Erst ist Größeres/Gott nicht denkbar, dann aber wieder doch. Eigentlich sagt Canterbury nur aus, dass die Größe Gottes unvorstellbar ist und damit aufgrund dessen existent.
Ich finde den Satz nicht unbedingt unlogisch, wenn man in 1. "gedacht" und 2. "denkbar" unterscheidet in 1. darüber sinnieren und analysieren und 2. einfach nur die bloße Existenz annehmen. Vielleicht war das ursprünglich so gemeint. Ein Gottesbeweis wäre das natürlich trotzdem nicht.
"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand." - Gandalf in J.R.R Tolkien - Herr der Ringe, Band 1

ThomasM
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#26 Re: Der ontologische Gottesbeweis

Beitrag von ThomasM » So 31. Dez 2017, 11:45

Pluto hat geschrieben:Der ontologische Gottesbeweis stammt aus dem 11. Jahrhundert, von keinem geringeren als Anselm, Erzbischof von Canterbury.

  • Gott wird definiert als etwas, „worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“.
    Das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, ist nur im Denken, aber nicht der Wirklichkeit.
    Wenn das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, nur im Denken ist, so kann man es sich auch als wirklich seiend vorstellen.
    Wenn man sich das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, als wirklich seiend vorstellt, denkt man es sich als größer, als wenn man es sich nur als in Gedanken seiend vorstellt.
    Das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, ist etwas, über das hinaus etwas Größeres denkbar ist. Also ist Gott existent.
Wer erkennt den Logikfehler in diesem "Beweis"?
Wenn man berücksichtigt, dass diese Überlegung aus dem 11. Jahrhundert stammt, ist da kein Fehler und es ist auch ein Beweis.

Bei der ersten Beurteilung einer solchen Philosophie Überlegung muss man zunächst das berücksichtigen, was es als Philosophische Erkenntnisse bis zu dieser Zeit auch gab.
Dazu gehört selbstverständlich auch die Annahme, dass das, was man denken kann, auch real ist.
Auch vom grundsätzlichen Vorgehen der Philosophie ist das ok, denn ein Widerspruchsbeweis ist philosophisch gedacht ein Beweis.

Aus heutiger Sicht ist diese Überlegung dann nicht mehr haltbar, denn spätere philosophische Konzepte haben die Grundlage der Überlegung zerstört. Dazu gehört nicht zuletzt die Kritik Kants oder die Unterscheidung von Kategorien, aber auch und gerade die Entwicklung der Naturwissenschaft.

Also muss man sagen:
An dem Beweis ist nichts "falsch", aber aus heutiger Sicht durch neuere Erkenntnisse überholt.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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