Wie kommt der Geist in die Natur?

Philosophisches zum Nachdenken
SilverBullet
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#11 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von SilverBullet » Do 25. Jan 2018, 22:36

ThomasM hat geschrieben:Kannst du mir da in den Ansätzen helfen. Wie würdest du vorgehen?
Was ist das elementare Faktum, wenn es um Wahrnehmung und menschliche Wahrnehmung im Besonderen geht?
Ganz einfach:
=> niemand weiss, wie es funktioniert, niemand weiss, was er ist.

Als Forscher kann man nun Brainstorming-Modelle aufstellen und untersuchen, ob sich irgendetwas an beliebigen Phantasien à la „wie kommt Geist in die Natur“ erforschen lässt.
Dies kann eine zeitlang für Beschäftigung sorgen. Wenn aber keine verwertbaren Ergebnisse vorliegen, ist der Forscher nur aus einem einzigen Grund Forscher:
er macht einen Schritt zurück und versucht sowohl die Fragestellungen als auch die Überprüfungen anders aufzusetzen.

Der „Schritt zurück“ besteht darin, zu klären, ob „Geist“ ein vorliegendes Etwas ist.
Falls es hierzu keine Bestätigung gibt, ist es angebracht das elementare Faktum (von oben) zu beachten. Wenn niemand weiss, wie er funktioniert und was er ist, dann sind suggestive Vorhandenseins-Behauptungen rund um das Wort „Geist“ nicht angebracht, den woher soll plötzlich irgendeine Weisheit auftauchen?

Analog zu der Behandlung des Wortes „Geist“ muss auch mit den Behauptungen um sonderbare Einblicke in die eigenen Wahrnehmungsvorgänge verfahren werden. Woher sollen denn Einblicke kommen, wenn man nicht weiss, wie es funktioniert?
Wenn man in Frageform behauptet, dass sich „ein Gefühl irgendwie anfühlt“ und „eine Farbe irgendwie ist“, dann setzt man Funktionswissen voraus, das ja gerade nicht vorliegt.

Es gibt zahlreiche Fakten rund um den Körper (Nerven/Gehirn) aber auch rund um Krankheiten, Verletzungen, Besonderheiten und „normale Abweichungen“ der menschlichen Wahrnehmung, mit denen ein Forscher einen faktischen Rahmen aufstellen kann, der sowohl von den Fragestellungen als auch von einer Lösungsmöglichkeiten eingehalten werden muss.

Forschung ist, wenn man sichere Schritte zu machen versucht.

Philosophie ist keine Forschung und sie bringt in keiner Weise die Leistung der Forschung.

Schau nach, wie detailliert sich der Artikel (oder andere Artikel) damit befasst, ob es Wahrnehmung der Wahrnehmung, also das Feststellen des „irgendwie seins“ (das Wort „Geist“ fällt letztlich auch darunter), tatsächlich gibt.
Du wirst nicht viel Zeit investieren müssen.

ThomasM hat geschrieben:Ich bin nur in den Naturwissenschaften ausgebildet, das ist aber für die Fragestellung zu wenig.
Wenn du nicht weisst, wie menschliche Wahrnehmung funktioniert, wie willst du auf ein „zu wenig“ schliessen können?

Entsprechend der Ausbildung in Naturwissenschaft steht die Ausgangsfrage genauso auf dem Prüfstand, wie jeder Antwortversuch.

ThomasM hat geschrieben:Nach meinem Wissen behauptet der Physikalismus, dass alles, also auch das "sich anfühlen" auf physikalische Größen zurückführbar sind.
Siehst du, „Physikalismus“ ist Philosophie, denn hier wird einfach mittenrein gesprungen, die Frage als "sinnvoll" bestätigt und irgendein Wunsch formuliert. Das hat mit Forschung nichts zu tun.

ThomasM hat geschrieben:Es ist kein großes Problem, einen Computer zu schaffen (und sich das Gehirn so vorzustellen), der ein Abbild seiner selbst und der Umwelt mit sich herumträgt.
Nein.

Ein Computer (ein Gehirn) kann keinerlei Abbilder generieren und Suggestionen à la „herumtragen“ und „beinhalten“ führen schnurstracks zum philosophischen Schabernack „der Inhalt von Wahrnehmung ist irgendwie“.

Ein Computer kann genau das, was man naturwissenschaftlich feststellen kann:
Er kann in festgelegter Weise reagieren. Sein Arbeitsraum ist eine Art „Potential zum Aufstellen von Zusammenhängen“ und ein konkreter Ablauf ist das Aufstellen von konkreten Zusammenhängen.
Passen die Zusammenhänge zur Situation, dann spricht man von Funktion.

ThomasM hat geschrieben:Nehme einen Schachcomputer. Er sieht sich selbst (ich mache den und den Zug), er sieht die Umwelt (das Schachbrett und mögliche Spielsituationen) und spielt die Zukunft durch. Daran erkennt er, welche Züge er machen muss, um zu gewinnen.
Nein, ein Computer kann immer nur mit Detailzusammenhängen umgehen, aber er kann diese Zusammenhänge zu keiner Zeit zu „einem Ganzen“ verrechnen.
Zu den Zusammenhängen des Schachcomputers gehört in keiner Weise, dass ein „handelnder Ausgangspunkt in einer Umwelt“ aktiv ist (-> keine Subjektivität).

Du bist das Opfer der Versuchung „ein Überblicksding“ in den Abläufen des Computers zu suchen.

Wenn ein Mensch auf den gefliesten Boden eines Badezimmers schaut, dann ist er überzeugt, die Situation als Ganzes wahrzunehmen „das Muster“.
Im Gehirn gibt es aber kein Ganzes, sondern nur gigantisch viele Details (und zwar schön verteilt).

Philosophie entwickelt hieraus eine reine Spinnerei.

Forschung muss es aber auf den Punkt bringen, wie es zu dieser „Muster-Situation“ kommen kann.
Das Rätsel lautet:
„Alle Details des Musters liegen vor, so dass jede Frage über das Muster beantwortet werden kann, aber es gibt kein `Ganzes` – wie kommt `das Ganze` ins Spiel?“

ThomasM hat geschrieben:Aber hat dieser Computer ein Bewusstsein. Weiß er, wie es sich anfühlt, ein Schachbrett anzuschauen?
Erforsche „die Überblickssituation, wo doch gar keine sein kann“ und du wirst feststellen was „Bewusstsein“ ist und dass ein Computer genauso wenig wie ein Gehirn als bewusst bezeichnet werden kann.

Der Computer wird nie subjektive Einblicke in seine CPU entwickeln können, während sie eine Reaktion durchführt.
Genauso kann ein Gehirn keinen Zugang zu der Zellaktivität haben, während sie abläuft.

Dennoch wird Gehirn/Computer für Bewusstsein benötigt (hierzu gibt es Versuche).

Als interessierter Mensch kannst du dich nun auf philosophischen Hokuspokus einlassen.

Als Forscher musst du die Quelle für die Zusammenhänge finden, zu denen ein Potential für den Zusammenhangsaufbau im Gehirn aufgebaut wird.
Diese Quelle darf dann (abstrakt gesehen) als „bewusst“ bezeichnet werden, denn sie verfügt über die Funktion.

Pluto
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#12 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Pluto » Fr 26. Jan 2018, 08:27

ThomasM hat geschrieben:Wäre es ein physikalisches Ding, dann könnten wir das wissen.
Farben sind kein physikalisches Ding. Sie beruhen wie gesagt auf unser Empfinden der darunterliegenden physikalischen Dinge (Wellenlänge der Strahlung).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#13 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Novas » Di 30. Jan 2018, 06:07

Der Geist kam nie in die Natur, weil er schon immer darin war, als der zeitlose und ewige Urgrund aller Materie, so würde ich gleich beginnen. Er ist die wahre (fundaMENTALE) Natur der Realität. Das Alpha und Omega (τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ; Offb 1,8 und 21,6) Der trennende Dualismus von „Geist“ und „Materie“ ist obsolet, weil sie zwei Aspekte derselben Realität sind, der menschliche Intellekt trennt also begrifflich, was fundamental eins ist (wir können auch sagen Materie ist manifestierter - verdichteter - Geist). Nach der Einschätzung des Autors vertrete ich demnach die „radikale“ Version des Zwei-Aspekte Monismus :) Ich zitiere es noch mal, weil es sehr gut erklärt wird:

Für die radikalere Version eines Zwei-Aspekte-Monismus besteht der intrinsische Aspekt der Realität im Bewusstsein. Diese Position unterscheidet sich klar vom subjektiven Idealismus, dem zufolge die physikalische Welt nur eine Struktur im menschlichen Bewusstsein ist und eine äußere Welt in gewissem Sinne eine Illusion. Für den Zwei-Aspekte-Monismus existiert die externe Welt vollständig unabhängig vom menschlichen Bewusstsein. Freilich würde sie nicht unabhängig von jeder Art von Bewusstsein existieren, weil alle physikalischen Dinge mit gewissen Formen von Bewusstsein ihrer selbst assoziiert sind, als ihre intrinsischen Realisierer[...]
Eine Lösung für das harte Problem des Bewusstseins (Seite 7)

Die ewige Weisheit (Sophia Perennis) aller großen spirituellen Traditionen weist uns seit Jahrtausenden darauf hin, dass es nur Bewusstsein gibt und nichts außerhalb von Bewusstsein/des universalen Geistes, wie die vier Mahavakyas (wörtl.: die „großen (Maha) Aussprüche (Vakya)“) die wichtigsten Aussagen der Veden, die in den offenbarten Büchern (Shrutis) enthalten sind.


Es gibt noch weitere Mahavakya, aber diese vier sind als die wichtigsten bekannt. Einem aufmerksamen und nachdenklichen Christen fällt vielleicht die Ähnlichkeit zu manchen Jesusworten auf, beispielsweise diesem hier: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10,30) Das entspricht aham brahmāsmi und ayam ātmā brahma, welche die Einheitserfahrung von Atman und Brahman, der individuellen Seele mit dem absoluten Bewusstsein beschreiben. Neben diesen vier Aussprüchen gibt es noch weitere, wie Neti Neti (नेति नेति neti neti) „Nicht so, nicht so!“ (aus der Brihadaranyaka Upanishad), welches besagt, dass Brahman, das absolute Bewusstsein, niemals beschrieben und definiert werden kann. Oder Sarvam Khalvidam Brahma (सर्वं खल्विदं ब्रह्म sarvaṃ khalv idaṃ brahma) „All dies ist wahrhaftig Brahman“, die ganze materielle Welt ist eine Manifestation des Bewusstseins. Die Philosophie des Vedanta nennt sich selbst Brahma Vidya, die göttliche Wissenschaft und Moksha Shastra, die Wissenschaft von der Befreiung, weil die Erkenntnis der Wahrheit eine Erfahrung von Befreiung (Sanskrit, मोक्ष, moká¹£a) beinhaltet. Auch hier finden wir wieder beim Herrn und Meister Jesus ein passendes Wort:

und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. (Joh 8,32)

Was ist der tiefere Sinn jeder Religion und philosophischen Praxis, wenn nicht die Befreiung vom Leiden und die Erlangung von Glückseligkeit? Die Philosophie war früher die Königin der Wissenschaften, weil sie den Menschen wirklich den Weg zum Glück gewiesen hat, denn was könnte höher und wichtiger im Leben sein? Im Kontrast dazu lässt die Gegenwartsphilosophie den Menschen häufig leer und noch verwirrter zurück ;) Wenn Glück das Ziel ist, so muss Philosophie der Weg sein, um es zu erlangen; und danach ob eine Lehre dabei erfolgreich ist oder nicht (ob sie dem Menschen zum Seelenheil, Frieden und innerer Freiheit führt, sodass er zum Jivanmukta wird, wie es im Vedanta heißt, was so viel wie „befreite und erlöste Seele“ bedeutet) können wir ihren geistigen Rang und ihre Wahrheitsnähe unterscheiden.

„Nie waltet im Leben das Glück lauter und frei vom Leide.“

– Antigone (Sophokles)

Darum geht es mir persönlich. Der Buddha definierte die Erleuchtung als Befreiung vom Leiden. Über seine Edlen Achtfachen Pfad sagte er: So wie das Wasser des Meeres nur einen Geschmack hat – den Geschmack von Salz, so hat die Lehre des Erwachten nur einen Geschmack – den Geschmack der Befreiung (Buddhas Geschenk der Geborgenheit: Wie wir tiefes Vertrauen erfahren, Wilfried Reuter) Nun könnte man kritisch im Hinblick auf den heute vorherrschenden Materialismus fragen: dient er wirklich diesem Zweck? Ich würde ganz klar sagen: nein, das macht er nicht. Darum kann diese Weltanschauung letztlich auch nicht wahr sein. Die Wahrheit kann man daran erkennen, dass sie frei und glücklich macht. Was dich nicht glücklich macht, kann weg. Was sollen wir damit? In diesem Zusammenhang können wir auch den Begriff Gottes wieder in die Philosophie einführen, wie André Comte-Sponville in seinem Buch Glück ist das Ziel, Philosophie der Weg.

... um es anders zu sagen, Gott ist weniger ein Begriff als ein Geheimnis, weniger eine Tatsache als eine Frage, weniger eine Erfahrung als eine Herausforderung, weniger ein Gedanke als eine Hoffnung. Er ist das, was wir voraussetzen müssen, um der Verzweiflung zu entgehen (diese Funktion haben bei Kant die Postulate der praktischen Vernunft) und daher ist die Hoffnung genauso wie der Glaube eine theologische Tugend - denn sie hat Gott selbst zum Objekt. "Das Gegenteil von Verzweifeln ist Glauben", schreibt Kierkegaard: Gott ist das einzige Wesen, das unsre Hoffnung vollkommen erfüllen kann. Dass dies abermals gar nichts beweist, müssen wir zu guter Letzt anerkennen: die Hoffnung ist kein Argument, da die Wahrheit, wie Renan sagt, traurig sein könnte. Doch was taugen Argumente, die uns keine Hoffnung lassen? Was wir hoffen? Dass die Liebe stärker ist als der Tod, wie es im Hohelied heißt, stärker als der Hass, stärker als die Gewalt, stärker als alles. Die allmächtige, alleinseligmachende Liebe wäre der einzige Gott, der absolut liebenswert, weil absolut liebend, wäre. Das ist der Gott der Heiligen und Mystiker: "Gott ist Liebe", schreibt Bergson,
"und er ist Liebesobjekt: das ist die ganze Kunde des Mystizismus. Von dieser doppelten Liebe berichten die Mystiker, und ihre Beschreibung ist endlos, weil die zu beschreibende Sache unbeschreiblich ist. Aber was sie zum Ausdruck bringen, ist klar: dass die göttliche Liebe nicht die Liebe Gottes ist, sondern Gott selbst. Es ließe sich einwenden, dass dieser Gott weniger eine Wahrheit (Gegenstand der Erkenntnis) als ein Wert (Gegenstand des Verlangens) ist. Gewiss. Aber an ihn zu glauben heißt, zu glauben, dass dieser höchste Wert (Liebe) auch die höchste Wahrheit (Gott) ist. Das lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Aber es lässt sich denken, hoffen, glauben. Gott ist die Wahrheit, die Maßstäbe setzt - die Verbindung des Wahren und Guten - und daher Maßstab für alle Wahrheiten. Auf dieser höchsten Ebene sind das Wünschenswerte und das Verständliche laut Aristoteles identisch, und diese Identität ist, wenn es sie denn gibt, Gott. Wie lässt sich besser sagen, dass er allein uns absolute Erfüllung und Tröstung bringen kann? "Nur ein Gott kann uns retten", äußerte Heidegger in einem Gespräch. Folglich müssen wir daran glauben oder auf das Heil verzichten.

Deshalb, so wollen wir zum Schluss festhalten, macht Gott Sinn und stiftet Gott Sinn: zunächst, weil ohne ihn jeder Sinn an der Sinnlosigkeit des Todes scheitert; sodann, weil es Sinn nur für ein Subjekt gibt und absoluten Sinn daher nur für ein absolutes Subjekt. Gott ist der Sinn des Sinns und folglich das Gegenteil des Absurden und der Verzweiflung.

Novas
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#14 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Novas » Di 30. Jan 2018, 07:51

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Kann ich verstehen. Vielleicht empfindet deine Frau die Farbe rot als grün. Wissen tun wir es Beide nicht.
Das ist doch genau der Punkt. Wir können es nicht wissen.
Wäre es ein physikalisches Ding, dann könnten wir das wissen.

Du bestätigst also das Problem, das in dem Artikel angesprochen wird.

:thumbup: sehr gut auf den Punkt gebracht. Thomas Nagel verdeutlicht dieses Problem mit dem Beispiel der Fledermaus: selbst wenn wir objektiv alles über Fledermäuse wüssten, so wäre es trotzdem unmöglich für uns, wirklich zu wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, da dieses Wissen an das erlebende Subjekt gebunden ist. Nur Phänomene, die aus einer objektiven Perspektive heraus erfasst werden können, sind reduktiv erklärbar, was aber für rein subjektive Erlebnisqualitäten nicht gilt, weshalb sie außerhalb der Erkenntnisgrenzen der Naturwissenschaften liegen.

„Es wird nicht helfen, sich vorzustellen, dass man Flughäute an den Armen hätte, die einen befähigen, bei Einbruch der Dunkelheit und im
Morgengrauen herumzufliegen, während man mit dem Mund Insekten finge; dass man ein Schwaches Sehvermögen hätte (...) und dass man den Tag an den Füssen nach unten hängend in einer Dachkammer verbrächte“ (Nagel)

Aber Pluto kann sich ja gerne mal Flughäute an die Arme hängen, mit dem Mund Insekten fangen und einen Tag lang mit den Füßen nach unten hängend in einer Dachkammer verbringen. Vielleicht hilft es :lol: Emile Du Bois-Reymond hat das Problem hervorragend beschrieben.

„Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: Ich fühle Schmerz, fühle Lust, ich schmecke süss, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Roth und der ebenso unmittelbar daraus fliessenden Gewissheit: Also bin ich?...Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, dass es einer Anzahl von Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammenhang Bewusstsein entstehen könne“ (Emile Du Bois-Reymond)

Das formulierte er übrigens bereits im Jahr 1872 bei einer Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. Das harte Problem des Bewusstseins (Qualiaproblem) ist also keineswegs neu. Das Problem gehört zum Materialismus dazu, weil er offenbar unfähig ist eine befriedigende Antwort darauf zu geben. Joseph Levine (2001) spricht von der Erklärungslücke (eng. explanatory gap) und das ist sehr entscheidend. Denn es ist ein Hinweis darauf, dass der Materialismus auf einem Irrtum beruht und eine anderes Paradigma (welches Bewusstsein für fundamental hält) die Realität besser und umfassender erklären kann. Inzwischen gibt es viele Wissenschaftler, welche mutig und kühn genug sind, um in diese Richtung zu denken, auch wenn noch lange nicht die kritische Masse erreicht ist, um den Mainstream zu einem Umdenken zu bewegen. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Paradigmenwechsel in den nächsten Jahren ereignen wird. Woher ich das weiß? Ganz einfach: ich beobachte den Buchmarkt, der ein sehr guter Spiegel dafür ist, welche Themen die Menschen beschäftigen. Dieses Buch von Deepak Chopra und dem Physiker Menas Kafatos wurde sicher nicht grundlos ein New York Times Bestseller:

Bild
You are the Universe Discovering Your Cosmic Self and Why It Matters (2017)

Das Buch beschreibt den Inhalt des Artikels noch sehr viel umfangreicher auf 288 Seiten. “The shift into a new paradigm is happening,” the authors write. “The answers offered in this book are not our invention or eccentric flights of fancy. All of us live in a participatory universe. Once you decide that you want to participate fully with mind, body, and soul, the paradigm shift becomes personal. The reality you inhabit will be yours either to embrace or to change.” What these two great minds offer is a bold, new understanding of who we are and how we can transform the world for the better while reaching our greatest potential.

Sehr interessant finde ich auch den Biozentrismus von Robert Lanza. Robert Lanza: Biocentrism: How life and consciousness are the keys to understanding the true nature of the universe


Novas
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#15 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Novas » Di 30. Jan 2018, 09:00

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Wäre es ein physikalisches Ding, dann könnten wir das wissen.
Farben sind kein physikalisches Ding. Sie beruhen wie gesagt auf unser Empfinden der darunterliegenden physikalischen Dinge (Wellenlänge der Strahlung).

Alles, was wir wissen, wahrnehmen und uns vorstellen, setzt Bewusstsein voraus. Die Schlussfolgerung, dass Bewusstsein absolut fundamental ist, finde ich darum sehr naheliegend. Du, ein bewusstes Wesen, sprichst von „physikalischen Dingen“ und den „Wellenlängen der Strahlung“. Welche Realität bleibt übrig, wenn Du das Bewusstsein abziehst? Bereits in der Bhagavad Gita (Bg 10.8) wird auf das Primat des Bewusstseins hingewiesen:

„Ich (Bewusstsein) bin der Ursprung aller spirituellen und materiellen Welten. Alles geht von mir aus.“

mit dem Bewusstsein ist hier jedoch nicht das menschliche Bewusstsein gemeint, sondern das universale Bewusstsein bzw. Gott, falls Du diese Begriff verwenden möchtest (der Mensch ist demnach selbst ein Produkt und kleiner Aspekt dieses größeren Bewusstseins). Es wäre sehr narzisstisch die Realität des Alls auf das menschliche Bewusstsein zu reduzieren. Insofern ist die Kritik des Solipsismus sicherlich richtig. Vielleicht gibt es Millionen von Welten, die von bewussten Wesen bewohnt werden. Wer sind also wir, dass wir alles auf uns reduzieren? Ein absurder Gedanke! Das absolute Bewusstsein (Sanskrit, ब्रह्मन् brahman), von dem alle bewussten Wesen emanieren, wie Wellen von einem Ozean, können wir jedoch als fundamental annehmen, was die Gita mit einem der schönste Gleichnisse beschreibt, die ich kenne:

„Wisse, von allem, was materiell und was spirituell ist in dieser Welt, bin ich sowohl der Ursprung als auch die Auflösung. O Eroberer von Reichtum (Arjuna), es gibt keine Wahrheit über mir. Alles ruht auf mir wie Perlen auf einer Schnur“ (Bhagavad Gita 7.6-7)

So wie ein Spiegel das Licht der Sonne reflektieren kann, so kann der Mensch im Spiegel seiner Seele (Sanskrit जीव, jÄ«va oder auch Atman, was verwandt ist mit dem Begriff des Atems in der deutschen Sprache, die Seele ist sozusagen der Lebensatem) das Licht des universalen Bewusstseins reflektieren und dadurch erkennen. Die Gita hat also ein sehr positives Menschenbild: der Mensch ist ein edles, weil wahrheits- und erkenntnisfähiges Wesen und somit dem Schöpfer ähnlich. :wave:

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#16 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Pluto » Di 30. Jan 2018, 10:24

Novalis hat geschrieben:Alles, was wir wissen, wahrnehmen und uns vorstellen, setzt Bewusstsein voraus. Die Schlussfolgerung, dass Bewusstsein absolut fundamental ist, finde ich darum sehr naheliegend.
Leider ist diese Schlussolgerung nachweislich falsch. Wahrnehmung ist von Bewusstsein vollkommen unabhängig. Selbst die Hirnlose Amoebe nimmt seine Umwelt wahr.

Novalis hat geschrieben:Du, ein bewusstes Wesen, sprichst von
„Ich (Bewusstsein) bin der Ursprung aller spirituellen und materiellen Welten. Alles geht von mir aus.“
Ganz bestimmt NICHT.

Novalis hat geschrieben:mit dem Bewusstsein ist hier jedoch nicht das menschliche Bewusstsein gemeint, sondern das universale Bewusstsein bzw. Gott, falls Du diese Begriff verwenden möchtest (der Mensch ist demnach selbst ein Produkt und kleiner Aspekt dieses größeren Bewusstseins).
Selbst das ist falsch. Fundamental für das Bewusstsein ist Leben.

Novalis hat geschrieben:Es wäre sehr narzisstisch die Realität des Alls auf das menschliche Bewusstsein zu reduzieren.
Wer tut denn so was? :shock:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#17 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Novas » Di 30. Jan 2018, 10:52

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Es wäre sehr narzisstisch die Realität des Alls auf das menschliche Bewusstsein zu reduzieren.
Wer tut denn so was? :shock:

Du hast vom Solipsismus gesprochen. Schon wieder vergessen? Ich habe nur erklärt, warum meine Sicht der Dinge kein Solipsismus ist: das universale Bewusstsein ist eben nicht nur „mein“ Bewusstsein. Um universal zu sein, muss es das ganze All beinhalten. Selbstverständlich auch die Amoebe (was dann auch erklärt, warum sie ihre Umwelt wahrnehmen kann und nicht nur tote Materie ist ;) )
Fundamental für das Bewusstsein ist Leben.

Richtig. Darum sagt der Biozentrismus, dass Bewusstsein und Leben fundamental sind. Von Robert Lanza gibt es einige kostenlose Vorträge, die Du jederzeit anhören kannst, aber am Besten liest Du gleich sein Buch.



Bereits Carl Sagan hat die Idee eines biozentrischen Universums in einem Satz zusammengefasst: we are a way for the cosmos to know itself. Einer seiner legendären Sätze :thumbup:


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#18 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Novas » Di 30. Jan 2018, 16:11

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Schwachpunkte ihrer Argumentation sind:
1.) Ohne Leben ist noch nie Bewusstsein beobachtet worden.
Angenommen, es gäbe ein Bewusstsein, das beobachtet, aber nicht lebt. Woher würdest du davon erfahren?
Das Problem ist, dass das einzige Bewusstsein, von dem wir sicher wissen, unser eigenes ist. Und ich weiß auch, dass ich lebe.
Schon bei deinem Bewusstsein bin ich mir nicht sicher, ob du nicht vielleicht nur eine Simulation bist.

Die Schwierigkeit ist doch, dass es keine physikalische Handhabe für Bewusstsein gibt

Deswegen spricht die Philosophie von der tà metà tà physiká = das, was hinter der Physik steht (Metaphysik) die heißt so, weil das der Titel für die philosophischen Schriften des Aristoteles war, die hinter den naturwissenschaftlichen Schriften angeordnet waren. Das ist sehr passend, denn die Metaphysik beschreibt das hinter der sinnlich erfahrbaren, natürlichen Welt liegende. Kann es eine Physik des Bewusstseins geben? Eine Physik des Nicht-Physischen :)
Zuletzt geändert von Novas am Di 30. Jan 2018, 16:17, insgesamt 1-mal geändert.

SilverBullet
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#19 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von SilverBullet » Di 30. Jan 2018, 16:16

Novalis hat geschrieben:Thomas Nagel verdeutlicht dieses Problem mit dem Beispiel der Fledermaus: selbst wenn wir objektiv alles über Fledermäuse wüssten, so wäre es trotzdem unmöglich für uns, wirklich zu wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, da dieses Wissen an das erlebende Subjekt gebunden ist.
Hübsches Märchen :-)

Wo beschreibt „Thomas Nagel“ eigentlich, wie es ist „Thomas Nagel“ zu sein?
Wo beschreibt „Thomas Nagel“ eigentlich, wie es ist ein Mann zu sein?
Wo beschreibt „Thomas Nagel“ eigentlich, wie es ist ein Mensch zu sein?

Wo beschreibt „Thomas Nagel“, wie eine Bedeutung ist?

Wo beschreibt er auch nur eine Sache, und transportiert damit ein analoges „Wissen“, das er ja so dolle mit dem Beispiel der Fledermaus suggerieren möchte.

=> Fehlanzeige.

„Thomas Nagel“ ist doch ein Mensch. Nach seinem eigenen Geschichtchen müsste er dies damit locker beschreiben können. Geht aber wohl nicht, sonst hätte er es ja einfach gemacht.

Worum geht es denn bei diesem „wie es ist“?
=> Nur um körperliche Zusammenhänge, die in Überzeugungsreaktionen des Körpers verwaltet werden.

Selbstverständlich kann man die Überzeugung „etwas zu sein“ weder beschreiben noch zu einem anderen Menschen transportieren.
Das gilt sogar generell:
es kann keine Überzeugung beschrieben werden.
(sie kann lediglich durch eine Körperhaltung ausgedrückt werden – mehr nicht)

Eine Überzeugungsreaktion muss durchlaufen werden, damit man „unter einem entsprechenden Einfluss steht“.
„Beschreiben“ ist da kein Ersatz.

Das Durchlaufen einer Überzeugungsreaktion hat aber nichts mit Wissen zu tun.

Das Gleiche gilt für „Qualia“.
Es handelt sich um Überzeugungsreaktionen (Beweise: Anton-Syndrom und „schrägen Linien“)

Einen derartigen Fledermaus-Schabernack kann wieder einmal nur die Philosophie aufführen.

(kommt als nächstes das „Mary“-Gedankenexperiment oder das „Chinesische Zimmer“? – such dir irgendetwas aus dem Topf der Suggestionen aus)

Novas
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#20 Re: Wie kommt der Geist in die Natur?

Beitrag von Novas » Di 30. Jan 2018, 16:21

:engel:
Novalis hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Schwachpunkte ihrer Argumentation sind:
1.) Ohne Leben ist noch nie Bewusstsein beobachtet worden.
Angenommen, es gäbe ein Bewusstsein, das beobachtet, aber nicht lebt. Woher würdest du davon erfahren?
Das Problem ist, dass das einzige Bewusstsein, von dem wir sicher wissen, unser eigenes ist. Und ich weiß auch, dass ich lebe.
Schon bei deinem Bewusstsein bin ich mir nicht sicher, ob du nicht vielleicht nur eine Simulation bist.

Die Schwierigkeit ist doch, dass es keine physikalische Handhabe für Bewusstsein gibt

Deswegen spricht die Philosophie von der tà metà tà physiká = das, was hinter der Physik steht (Metaphysik) die heißt so, weil das der Titel für die philosophischen Schriften des Aristoteles war, die hinter den naturwissenschaftlichen Schriften angeordnet waren. Das ist sehr passend, denn die Metaphysik beschreibt das hinter der sinnlich erfahrbaren, natürlichen Welt liegende. Kann es eine Physik des Bewusstseins geben? Eine Physik des Nicht-Physischen :)

Immerhin gibt es einen Physiker der ein Buch darüber geschrieben hat: Michio Kaku Die Physik des Bewusstseins: über die Physik der Zukunft



SilverBullet hat geschrieben:Einen derartigen Fledermaus-Schabernack kann wieder einmal nur die Philosophie aufführen

Die Kernaussage des Materialismus lautet, dass es außer Materie nichts gibt, aber was ist das, wenn nicht eine dogmatische Glaubensaussage? Das Problem der Materialisten ist, dass Bewusstsein eben doch existiert, es ist immateriell und dennoch real. Hier und jetzt bin ich bewusst. Gerissene Materialisten wie Daniel Dennett versuchen darum das Bewusstsein wegzuerklären, anstatt es zu erklären (er nannte es eine Illusion, hier der Beweis) um sich auf diese Weise aus der Affäre zu ziehen. Eine wirkliche Theorie von Allem muss jedoch Bewusstsein beinhalten, wie es auch Michio Kaku sagt (in dem oben aufgeführten Video sagt er „Unser Bewusstsein stellt das wertvollste Gut in der Gesamtheit der Universen dar“) und in seinem Buch weist er auf die Möglichkeit hin, dass Bewusstsein fundamental ist ...

„But the implication is that consciousness is the fundamental entity in the universe, more fundamental than atoms. The material world may come and go, but consciousness remains as the defining element, which means that consciousness, in some sense, creates reality. The very existence of the atoms we see around us is based on our ability to see and touch them.”
― Michio Kaku, The Future of the Mind: The Scientific Quest To Understand, Enhance and Empower the Mind
http://mkaku.org/

Dies nur als ein Beweis dafür, dass führende Wissenschaftler ernsthaft darüber nachdenken. Meiner Ansicht nach, bleiben nur diese beiden Optionen: entweder ist Bewusstsein fundamental oder es ist ein Illusion (insofern denkt Dennett seine eigene Weltanschauung konsequent zu Ende :) ) ich halte das jedoch für vollkommen absurd und falsch.


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