Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Philosophisches zum Nachdenken
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Demian
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#81 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Demian » Sa 2. Nov 2013, 13:04

Es gibt keine eindeutige Definition von Weisheit, aber man kann eine bestimmte Richtung skizzieren. Weisheit bedeutet wohl, sich von einseitigen Vorstellungen zu lösen, die Fixierung auf Begriffe hinter sich zu lassen, in die Erfahrung eines intuitives Wissens und Anschauens zu kommen. Das wäre mein - meditativer - Ansatz.

Hermann Hesse, Siddhartha:

Einen Stein kann ich lieben, und auch einen Baum oder ein Stück Rinde. Das sind Dinge, und Dinge kann man lieben. Worte aber kann ich nicht lieben. Darum sind Lehren nichts für mich, sie haben keine Härte, keine Weiche, keine Farben, kein Kanten, keinen Geruch, keinen Geschmack, sie haben nichts als Worte. Vielleicht ist es dies, was dich hindert, den Frieden zu finden, vielleicht sind es die vielen Worte. Denn auch Erlösung und Tugend, auch Sansara und Nirwana sind bloße Worte. Es gibt kein Ding, das Nirwana wäre; es gibt nur das Wort Nirwana.

...

Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie zu verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu verachten, sie und mich nicht zu hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können.

...


Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr! Nämlich so: eine Wahrheit läßt sich immer nur aussprechen und in Worte hüllen, wenn sie einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit. [...] Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns, ist nie einseitig.


...


Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer wie Narrheit.

Außerdem ein Gedicht von ihm:

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne Stern und Mond,
Denn das Licht, wonach du frugst,
In dir selber wohnt.

Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt -
Denn nun ist sie dein.

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Lamarck
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#82 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Lamarck » Sa 2. Nov 2013, 13:08

Hi Demian!

Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Oder Zimmermann ... . Aber was hat dies mit Weisheit zu schaffen?
Das habe ich - aus meiner Sicht - schon gesagt. Weisheit hängt von nichts ab, als von der inneren Einstellung des Menschen.

Das scheint mir nicht sehr weise zu sein. Was genau hast Du denn davon? Und welche 'innere Einstellung' kann Dir gelingen, wenn Du etwa als Regenwurm wiedergeboren wirst?




Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: 'Inneres' Wissen!? Na, Eso klingt nicht umsonst nach metaphorischen Kitsch. Wer nichts weiß, kann nicht weise sein. Weisheit ist Methodologie, ist Wissen über Wissen, ist angewandtes Wissen.
Ja und nein - es kann nicht schaden "Methodologie, Wissen über Wissen, angewandtes Wissen" zu beherrschen. Aber es kann auch den Blick nach innen versperren. Egal wie viel Bücherwissen der Mensch sich aneignet, er trifft doch immer wieder auf sich. Viele Menschen haben viel Bücherwissen ohne dabei besonders weise zu sein.

Wissen über Wissen ist nicht 'Bücherwissen'. Und auch der 'Blick nach innen' kann einiges versperren.




Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Das bedeutet, Du sollst den Blick nach ihnen richten, denn Buddha ist kein Buddha und es ist deshalb sinnlos, diesen zu suchen.
Es geht darum, dass man sich nicht von äußeren Autoritäten abhängig macht, damit man selbst den Weg des Buddha - also des Erwachens - beschreiten kann. Selbst wenn diese Autorität Buddha höchstpersönlich ist. Hermann Hesse hat das in seinem Siddhartha wunderbar beschrieben.

Der Weg ist das Ziel. Wer aber den Weg des Buddhas gehen will, macht sich damit von der Autorität Buddhas abhängig. Merke: Buddhismus ist Nihilismus mit Sophismen ... .




Cheers,

Lamarck
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Demian
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#83 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Demian » Sa 2. Nov 2013, 14:19

Lamarck hat geschrieben:Das scheint mir nicht sehr weise zu sein. Was genau hast Du denn davon? Und welche 'innere Einstellung' kann Dir gelingen, wenn Du etwa als Regenwurm wiedergeboren wirst?

Das darfst du gerne anders sehen ... ich verkehre in "intellektuellen" Kreisen - und mir sind regelmäßig einfachere Menschen begegnet, die häufig eine besondere Herzensweisheit besaßen, die ich in intellektuellen Kreisen manchmal vermisst habe. Vielleicht findest du das Wort "Herzensweisheit" auch kitschig? :)

Wissen über Wissen ist nicht 'Bücherwissen'. Und auch der 'Blick nach innen' kann einiges versperren.

Das kommt wohl auf die Herangehensweise an. Im Zen geht es um die Konzentration der Geisteskräfte - das ist für mich die Voraussetzung für "Weisheit". Metaphorisch gesprochen: das Erwachen beschreibt eine Intensität und Klarheit des Geistes, die dem Erwachen aus einem Alptraum ins Tagesbewusstsein gleicht. Es ist die selbe Welt, der selbe Alltag, aber die Betrachtungsweise ist eine ganz andere geworden. Eine meditative Praxis eignet sich besonders gut, um in dieses Bewusstsein vorzustoßen, in meinen Augen.

Der Weg ist das Ziel. Wer aber den Weg des Buddhas gehen will, macht sich damit von der Autorität Buddhas abhängig.

Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen, machen wir uns klar, dass das nicht geht - das ist ein bekannter Zenspruch. Rein verstandesmäßig kann man Buddha nicht folgen, das ist richtig. Wie in der Imitatio Christi des Thomas a Kempis geht es jedoch nicht um äußerliche Nachahmung, sondern um innere Verwandlung. Was das im Einzelnen bedeutet wäre noch mal ein Thema für sich.

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#84 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Demian » Sa 2. Nov 2013, 14:47

"Zen behauptet, Buddhismus zu sein, doch alle in den Sutras und Shastras dargelegten buddhistischen Lehren werden vom Zen als bloßes Papier betrachtet, das lediglich dazu taugt, den Schmutz des Intellekts wegzuwischen". ;)

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#85 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Lamarck » So 3. Nov 2013, 15:09

Hi Demian!

Demian hat geschrieben: "Zen behauptet, Buddhismus zu sein, doch alle in den Sutras und Shastras dargelegten buddhistischen Lehren werden vom Zen als bloßes Papier betrachtet, das lediglich dazu taugt, den Schmutz des Intellekts wegzuwischen". ;)

Semantikfehler sind letztlich Logikfehler. :idea:




Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Das scheint mir nicht sehr weise zu sein. Was genau hast Du denn davon? Und welche 'innere Einstellung' kann Dir gelingen, wenn Du etwa als Regenwurm wiedergeboren wirst?

Das darfst du gerne anders sehen ... ich verkehre in "intellektuellen" Kreisen - und mir sind regelmäßig einfachere Menschen begegnet, die häufig eine besondere Herzensweisheit besaßen, die ich in intellektuellen Kreisen manchmal vermisst habe. Vielleicht findest du das Wort "Herzensweisheit" auch kitschig? :)

Ja. Mit dem Kitsch könntest Du beim Mutandenstadel auftreten. So, wie Du den Begriff nutzt, bist Du wohl einem Kategorienfehler aufgesessen. Gleichwohl neuerlich: Wozu soll Deine 'innere Einstellung' gut sein? Warum solltest Du danach streben, zum Buddha zu werden?!




Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Wissen über Wissen ist nicht 'Bücherwissen'. Und auch der 'Blick nach innen' kann einiges versperren.
Das kommt wohl auf die Herangehensweise an. Im Zen geht es um die Konzentration der Geisteskräfte - das ist für mich die Voraussetzung für "Weisheit". Metaphorisch gesprochen: das Erwachen beschreibt eine Intensität und Klarheit des Geistes, die dem Erwachen aus einem Alptraum ins Tagesbewusstsein gleicht. Es ist die selbe Welt, der selbe Alltag, aber die Betrachtungsweise ist eine ganz andere geworden. Eine meditative Praxis eignet sich besonders gut, um in dieses Bewusstsein vorzustoßen, in meinen Augen.

Selbst durch das Lesen eines Buches, das Betrachten eines Bildes, durch ein Computergame und gar durch RL ändert sich eine Betrachtungsweise. Was wird durch die Betrachtungsweise hier nun speziell anders? Und immer wieder: Wozu soll das gut sein?




Demian hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Der Weg ist das Ziel. Wer aber den Weg des Buddhas gehen will, macht sich damit von der Autorität Buddhas abhängig.
Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen, machen wir uns klar, dass das nicht geht - das ist ein bekannter Zenspruch. Rein verstandesmäßig kann man Buddha nicht folgen, das ist richtig. Wie in der Imitatio Christi des Thomas a Kempis geht es jedoch nicht um äußerliche Nachahmung, sondern um innere Verwandlung. Was das im Einzelnen bedeutet wäre noch mal ein Thema für sich.

Alles, was nicht vernünftig ist, ist unvernünftig. Mithin sollte der "Schmetterling des Zen" nicht "im Netz des Verstandes" gefangen, sondern mit dem Fuß des Verstandes zertreten werden - er genügt eben nicht nicht den Anforderungen der Vernunft.




Cheers,

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#86 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Demian » So 3. Nov 2013, 22:21

Alles, was nicht vernünftig ist, ist unvernünftig. Mithin sollte der "Schmetterling des Zen" nicht "im Netz des Verstandes" gefangen, sondern mit dem Fuß des Verstandes zertreten werden - er genügt eben nicht nicht den Anforderungen der Vernunft.

Warum denn so destruktiv - du kannst es ja anders handhaben ;) Der Verstand hat natürlich seine Aufgaben und seinen Sinn. Aber das Wahrnehmungsfeld des Menschen reicht viel weiter. Das ist eben die Grundposition des Zen. Menschen die eine rein rationalistische Weltbetrachtung nicht mehr für befriedigend halten, werden andere Wahrnehmungsweisen versuchen.

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#87 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Demian » So 3. Nov 2013, 22:41

Lamarck hat geschrieben:Ja. Mit dem Kitsch könntest Du beim Mutandenstadel auftreten[...]

Deine Beleidigungen sind wirklich Zeugnis eines rationalen und selbstkritischen Denkens. :lol:

Wozu soll Deine 'innere Einstellung' gut sein? Warum solltest Du danach streben, zum Buddha zu werden?!

Menschen treiben Sport, um einen athletischen Körper zu trainieren. Genauso kann man seinen Geist trainieren. Es geht um Innen- und Tiefenerfahrung. Welche großen Auswirkungen Meditation auf Körper und Geist hat wurde schon wissenschaftlich erforscht. Schon nach wenigen Wochen reagieren Menschen deutlich empfindsamer. Wer empfindsamer erlebt, lebt auch erfüllter. Zunächst geht es um diese elementare Erfahrung. Die "Buddhanatur" ist einfach ein Bild für diese Entwicklung.

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#88 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Pluto » So 3. Nov 2013, 23:27

Demian hat geschrieben:Aber das Wahrnehmungsfeld des Menschen reicht viel weiter.
Das Problem, bie dieser Betrachtungsweise, ist immer die Quantifzierung dieser Position.
Wieviel weiter reicht e denn? Wo sind die Grenzen?
Was wir wahrgenommen, und wie kann man es intersubjektiv wahrnehmbar machen?

Dieses "jenseitige" Wahrnehmen wird immer von Unsicherheit geplagt sein. Gibt es das wirklich? Woher wissen wir, dass esnicht bloß eine Chimäre, die Illusion einer überschäumenden menschlichen Phantasie — Träume einer anderen Welt?

Menschen die eine rein rationalistische Weltbetrachtung nicht mehr für befriedigend halten, werden andere Wahrnehmungsweisen versuchen.
Vielleicht sind diese Menschen nur auf eine spezielle Art mit der Wirklichkeit unzufrieden.
Suchen sie vielleicht nur, ohne wirklich zu finden?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#89 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Demian » So 3. Nov 2013, 23:40

Pluto hat geschrieben:Das Problem, bie dieser Betrachtungsweise, ist immer die Quantifzierung dieser Position.
Wieviel weiter reicht e denn? Wo sind die Grenzen?

Der Verstand denkt dualistisch - Meditation hingegen verläuft ganzheitlich. Damit werte ich den Verstand nicht herab, das liegt einfach in der Natur der Sache.

Dieses "jenseitige" Wahrnehmen wird immer von Unsicherheit geplagt sein[...]Vielleicht sind diese Menschen nur auf eine spezielle Art mit der Wirklichkeit unzufrieden.

Von einer jenseitigen Wahrnehmung sprach ich nicht - ich sage: der Geist ist ein Instrument; und der Mensch muss erst mal wissen, welche Klaviatur er da zur Verfügung hat und wie man sie richtig bespielt.

Pluto
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#90 Re: Wahrheit- Weisheit- Wirklichkeit

Beitrag von Pluto » So 3. Nov 2013, 23:52

Demian hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wieviel weiter reicht e denn? Wo sind die Grenzen?
Der Verstand denkt dualistisch - Meditation hingegen verläuft ganzheitlich. Damit werte ich den Verstand nicht herab, das liegt einfach in der Natur der Sache.
Verstehe nicht was du meinst.
Eine Antwort auf meine Frage ware es jedenfalls nicht. ;)

Von einer jenseitigen Wahrnehmung sprach ich nicht - ich sage: der Geist ist ein Instrument; und der Mensch muss erst mal wissen, welche Klaviatur er da zur Verfügung hat und wie man sie richtig bespielt.
Wohin führt es denn, den Geist als Instrument zu betrachten?
Und warum sollte in einer virtuellen Welt, eine klaviatur anders als eine andere sein?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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