Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Philosophisches zum Nachdenken
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#11 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von closs » Mi 8. Jan 2014, 20:11

Pluto hat geschrieben:Du meinst er ist verrückt geworden, weil er gegen die Religion wetterte
Nein - das wäre zu platt (da kommt dann der Nächste und faselt was von göttlicher Strafe).

Nein - es gibt Menschen, die - wie Schiller sagt - "sich im kleinen Kreis erfüllen". - Das ist NICHT abfällig gemeint, sondern ist eigentlich das Optimum. Das hat auch Schiller selbst betroffen, der sich durch seinen Wahrheitsdrang durchgequält hat, weil er "es" (wie Ödipus in der antiken Sage) genau wissen wollte. Allerdings hat Schiller auch erkannt (aus dem Gedächtnis der Spur nach): "Der Mensch, der mit der Philosophie noch nicht am Ende ist, ist weiter weg von der Wahrheit, als der, der damit noch nicht begonnen hat". - Übrigens ein sehr "romantischer" Satz (wenn man berücksichtigt, dass "Romantik" etwas GANZ anderes ist als das, was der Volksmund unter "romantisch" versteht).

Goethe war da ganz anders: Immer wenn es eng wurde, hat er sich in seine "Konzilianz" begeben - in den absichtlich ungeklärten Raum - da endet schon mal ein Stück mit Musik, weil es nichts mehr zu sagen gibt.

Nietzsche war ein Turbo im Sinne Schillers - rücksichtslos gegenüber sich, weil er alle Erkenntnisse in aller Konsequenz zugelassen hat - also nix mit "Konzilianz". - Und da wird man nicht unbedingt alt mit. - Bei der Gelegenheit:

Wenn man sich die Geistes-Größen der Romantik (bzw. der Konsequenz daraus) anschaut, sind sie überraschend oft früh gestorben (Novalis/Schubert/Grabbe/Büchner/Chopin/Kleist/etc.) oder überraschend oft ins Christliche geflüchtet (Eichendorff) oder in den Biedermeier (Mörike). - Biedermeier ist im Grunde befriedete Romantik - man zieht vor, sich im "kleinen Kreis" zu erfüllen. - Oje - das war jetzt ein spontaner Vortrag. :oops:

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#12 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Demian » Mi 8. Jan 2014, 21:57

Pluto hat geschrieben:Sicher hat Nietzsche die Kirchen angegriffen, aber dazu auch den Glauben an sich.
Er wollte mehr als bloss die Kirchen reformieren. Wenn er sagt, "Gott ist tot", dann meint er IMO auch den Glauben.

Das stimmt. Dennoch ist das ein philosophisches Wortspiel: nur falsche Gottesbilder können sterben. Nietzsche hat niemals Gott, er hat eigentlich immer nur Gottesbilder kritisiert. Wie soll man etwas Unvorstellbares kritisieren? Nietzsche war gegen die „fröhliche Wissenschaft“ einschränkende und die Forschung und freie Erfahrung behindernde Denksysteme – übrigens nicht nur religiös. Ebenso hat er alle philosophischen Systeme abgelehnt.

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#13 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Demian » Mi 8. Jan 2014, 22:15

Lena hat geschrieben:Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Joh. 1,14


Falsche Bilder entstehen sobald wir uns von dem Wort abdrehen...

Nicht grundlos gebrauchten alle großen sprituellen Lehrer die Metapher des WEGES. Es gibt nicht eine fertige Lehre, die man nun glauben müsste, sondern jeder macht seine eigenen Erfahrungen. Buddha sprach von der letztendlichen Wahrheit, die der Verstand nicht zu definieren und zu erfassen vermag, die wir aber intuitiv und spontan erfahren können. Diese transzendente Dimension nennt er LEERHEIT. Damit ist aber nicht Leere im nihilistischen Sinne gemeint: entleert von Leben, Wärme und Liebe, sondern diese letztendliche Dimension, die wir mit unsren Gedanken nicht erfassen können.

Kannst du dir denn vorstellen, dass Jesus eine christliche Religion begründen wollte, die verstandesmäßig Glaubenssätze zerdenkt und uns nun nur noch diese Worte, Bilder und Begriffe übrig lässt? Ich persönlich habe im Laufe meines Lebens Erfahrungen gemacht, die es mir unmöglich machen die Wahrheit auf das christliche Weltbild zu reduzieren. Ich lehne die Worte, die du verwendest, nicht ab, aber ich würde sie in vielem wohl anders interpretieren.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#14 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Pluto » Do 9. Jan 2014, 10:48

Demian hat geschrieben:Das stimmt. Dennoch ist das ein philosophisches Wortspiel: nur falsche Gottesbilder können sterben. Nietzsche hat niemals Gott, er hat eigentlich immer nur Gottesbilder kritisiert. Wie soll man etwas Unvorstellbares kritisieren? Nietzsche war gegen die „fröhliche Wissenschaft“ einschränkende und die Forschung und freie Erfahrung behindernde Denksysteme – übrigens nicht nur religiös. Ebenso hat er alle philosophischen Systeme abgelehnt.
Hä? :shock:
Wie erklärst du dann die vielen Zitate von Nietzsche, die genau das Gegenteil aussagen? Z. Bsp. "Gott ist tot", oder seine Ablehnung der Sünde und des Sündenfalls?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#15 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Pluto » Do 9. Jan 2014, 10:49

Demian hat geschrieben:Nicht grundlos gebrauchten alle großen sprituellen Lehrer die Metapher des WEGES. Es gibt nicht eine fertige Lehre, die man nun glauben müsste, sondern jeder macht seine eigenen Erfahrungen. Buddha sprach von der letztendlichen Wahrheit, die der Verstand nicht zu definieren und zu erfassen vermag, die wir aber intuitiv und spontan erfahren können. Diese transzendente Dimension nennt er LEERHEIT. Damit ist aber nicht Leere im nihilistischen Sinne gemeint: entleert von Leben, Wärme und Liebe, sondern diese letztendliche Dimension, die wir mit unsren Gedanken nicht erfassen können.

Kannst du dir denn vorstellen, dass Jesus eine christliche Religion begründen wollte, die verstandesmäßig Glaubenssätze zerdenkt und uns nun nur noch diese Worte, Bilder und Begriffe übrig lässt? Ich persönlich habe im Laufe meines Lebens Erfahrungen gemacht, die es mir unmöglich machen die Wahrheit auf das christliche Weltbild zu reduzieren. Ich lehne die Worte, die du verwendest, nicht ab, aber ich würde sie in vielem wohl anders interpretieren.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Lena
Beiträge: 4515
Registriert: So 1. Sep 2013, 18:33

#16 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Lena » Do 9. Jan 2014, 10:54

Demian hat geschrieben: Kannst du dir denn vorstellen, dass Jesus eine christliche Religion begründen wollte, die verstandesmäßig Glaubenssätze zerdenkt und uns nun nur noch diese Worte, Bilder und Begriffe übrig lässt?

Die Bibel zeigt ja gerade die Geschichte von Menschen die total unterschiedliche Begegnungen mit Gott hatten. Mit einem Wesen das sich Schöpfer, Erlöser, Gott oder Vater nennt. Es ist immer der Eine.

Aus den Worten von Jesus Christus kann ich keine Religionsgründung herauslesen. Er spricht von einer Herde. Wo zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind ist er gegenwärtig. Ihm sollen wir nachfolgen.

Wir stehen immer wieder in der Gefahr alles andere als wichtig zu erachten anstatt eine Beziehung zu Gott zu suchen und darin zu bleiben. Wie schnell werden andere Menschen, wie zum Beispiel der, von dem Du oft sprichst, anstelle von Gott gesetzt. Oder der von dem der Faden hier handelt.

Die Bibel berichtet uns von diesem Einen. Ueber eine lange Zeitspanne von unterschiedlichen Menschen aufgeschrieben in verschiedenen Schriften zusammengestellt. So unterschiedlich alles erscheint, wie ja das Leben auch ist - so weht doch der eine Geist durch diese Schriften.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#17 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Janina » Do 9. Jan 2014, 11:11

Pluto hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Nietzsche hat niemals Gott, er hat eigentlich immer nur Gottesbilder kritisiert.
Wie erklärst du dann die vielen Zitate von Nietzsche, die genau das Gegenteil aussagen? Z. Bsp. "Gott ist tot", oder seine Ablehnung der Sünde und des Sündenfalls?
Dass Gott für uns gestorben ist, hat nicht Nietzsche erfunden. Und tote Gottesbilder bevölkern doch auch heute noch die Medien und die Lufthoheit von vielen Kanzeln.

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#18 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Demian » Fr 10. Jan 2014, 20:49

Pluto hat geschrieben:Hä? :shock:
Wie erklärst du dann die vielen Zitate von Nietzsche, die genau das Gegenteil aussagen? Z. Bsp. "Gott ist tot",

Der Verstand kann Gott/die letztendliche Wahrheit nur als Vorstellung, als Gottesbild kritisieren, nicht aber AN SICH. Nietzsche stellt mit seinem Satz, dass Gott tot sei, dass Gott überhaupt sterben könne, in Frage, dass die Menschen Gott jemals angemessen erkennen und erfahren konnten. Das hat er zweifellos meisterlich geleistet. Für ihn sind alle Gottesbilder falsch und einschränkend, sodass der Mensch am Ende Gefahr läuft seine Vorstellungen über (!) Gott anzubeten und nicht Gott selbst. :)
Durch seine falschen Gottesbilder betet der Mensch sich indirekt selbst an und nicht das Ganze, das Absolute - und das ist das Grundproblem jeder Religion.
Zuletzt geändert von Demian am Fr 10. Jan 2014, 21:33, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#19 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Demian » Fr 10. Jan 2014, 21:17

Lena hat geschrieben:Wir stehen immer wieder in der Gefahr alles andere als wichtig zu erachten anstatt eine Beziehung zu Gott zu suchen und darin zu bleiben.

Wie soll ich denn keine Beziehung zum Absoluten haben bzw. davon getrennt sein? Diesen Bezug gibt es, in meinen Augen, immer. Ob ich mir dessen klar bin oder nicht. Es gibt eigentlich überhaupt keine Trennung. Ob ich nun einen Glauben habe oder jeden Glauben ablehne. Das spielt keine Rolle. Das sind nur Strukturen, die mehr oder weniger hilfreich sind.

Wie schnell werden andere Menschen, wie zum Beispiel der, von dem Du oft sprichst, anstelle von Gott gesetzt. Oder der von dem der Faden hier handelt.

Moment mal … lass dir doch mal diesen Gedanken auf der buchstäblichen Zunge zergehen … was ist denn die Stelle des Absoluten?

Lena
Beiträge: 4515
Registriert: So 1. Sep 2013, 18:33

#20 Re: Friedrich Nietzsche: Der tolle Mensch

Beitrag von Lena » Sa 11. Jan 2014, 13:37

Demian hat geschrieben: Moment mal … lass dir doch mal diesen Gedanken auf der buchstäblichen Zunge zergehen … was ist denn die Stelle des Absoluten?
Habe angehalten... Die Bibel - das Wort Gottes - die darin enthaltenen Schriften,
offenbaren Gott, der dem Menschen durch Seine Liebe
Wert, Hoffnung und ewiges Leben schenkt.

Lasst uns lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt.
1. Joh. 4,19
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Antworten