Die authentische Bibel

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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Bastler
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#11 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Bastler » Mi 4. Mai 2016, 19:24

Solche Sicherheiten sind leider ziemlich unsicher. Nach einem Zeitraum von fast 2000 Jahren ist alles unsicher.

Es könnten zum Beispiel zwei Versionen des Markusevangeliums gebräuchlich gewesen sein, und später hat man für den früheren Zeitpunkt eben nur die eine, kürzere Version entdeckt, während sich die andere (damals) schon durchzusetzen begann. Tausend Möglichkeiten. Und somit keine wirkliche Sicherheit.

Allerdings sind diese tausend Möglichkeiten durchaus spekulativ. Deswegen zieht man sie in der Bibelwissenschaft nicht so sehr in Betracht.

Dieser Gedankengang ist eine gute Grundlage für die gesamte Betrachtung der Authentizität der Bibel. Authentizität der Bibel an archäologischen Befunden festzumachen, ist ein fragwürdiges Geschäft. Man wird auf diese Weise immer bei Theorien landen, die bestenfalls sehr wahrscheinlich sind.

Deswegen neige ich dazu, die Authentizität nicht an den historischen Befunden festzumachen, sondern am Gläubigen selbst. Wenn der Gläubige spüren kann, dass ihm im Bibeltext Wahrheit entgegen-spricht, dann ist das ein hoher Wert. Da kommt der Gläubige in Kontakt mit einem authentischen Glauben. Es gibt Sätze, die sind so wahr, dass einem ganze Christbäume aufgehen können, dass man ganze Groschenberge fallen hören kann. Manchmal rührt es mich sogar zu Tränen. (Zum Beispiel, wenn ich Sahras Selbstmordgedankengebet im Buch Tobit lese. Oder wenn Jesus sagt: "Wenn ihr uns zum schweigen bringt, dann werden die Steine schreien!")

Rembremerding
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#12 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Rembremerding » Do 5. Mai 2016, 10:38

Eine anscheinend unbedeutende, aber darum umso wichtigere Episode, welche die Authentizität der Bibel belegt: Der Gang zum Ölberg.

Die Nächte zuvor hatte der Herr in Bethanien verbracht. Nun, in dieser Nacht, in seiner Pascha-Nacht, folgt er der Vorschrift, das Stadtgebiet von Jerusalem nicht zu verlassen. Dessen Grenze wurde für diese Nacht erweitert, um allen Pilgern Möglichkeiten zu bieten, sich an das Gesetz zu halten (deshalb kam Simon von Cyrene auch "vom Feld").
Der Herr beachtet also die Norm und geht gerade so wissend dem Verräter und dem Kreuz entgegen. Jesus verbindet die Treue zum Gesetz, er ist "observant", mit der völligen Neuheit seiner Sendung. Denn er ist die Erfüllung des Gesetzes.

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michaelit
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#13 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von michaelit » Do 5. Mai 2016, 15:25

Mir ist hier nicht ganz klar was ihr noch überhaupt meint mit einer Authentizität der Bibel. Ich denke es ist vielen Leuten hier nicht ganz klar daß die Bibel eben kein fehlerfreies oder heiliges im Sinne von perfektes Buch ist. In ihm wird vieles transportiert was eigentlich Schamgefühle hervorrufen sollte - wie etwa daß der Mensch Dinge von Gott glaubt wie etwa Höllenfeuertheologien die doch eine Schande für einen laut eigenem Anspruch liebevollen und gütigen Gott bedeuten.

Ich meine zu sehen daß man versucht die Bibel als heilig zu betrachten GERADE weil sie so fehlerhaft ist wie die Theologien die die Bibel unterstützen soll. So daß am Ende das Argument herauskommt daß die biblische Beweislage eine universale Liebe Gottes nicht hergibt sondern daß sie nur eine bedingte Gerechtigkeit befürwortet weil der Mensch ja angeblich nichts anderes verdient.

Wenn man in solchen Theologien gefangen ist wäre es besser man läge die Bibel beiseite. Solange man die Bibel als gleichzeitig kritikwürdigen und dann aber auch wieder aufschlußreichen "Dokumentarfilm" sieht, kann man aus ihr viel entnehmen was hilfreich und gut und tröstlich ist. Aber wenn man die Bibel nicht auf so eine humanistisch-souveräne Art liest, nimmt das Buch eigentlich aller ernsten, menschlichen Theologie nur den Wind aus den Segeln. Ich halte es da mit Bonhoeffer der unter dem Christentum immer auch Theologiesuche verstand und Wahrheitsliebe dann doch nicht mit Bibeltreue gleichsetzen wollte.

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Münek
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#14 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Münek » Do 5. Mai 2016, 22:27

michaelit hat geschrieben:Ich halte es da mit Bonhoeffer der unter dem Christentum immer auch Theologiesuche verstand und Wahrheitsliebe dann doch nicht mit Bibeltreue gleichsetzen wollte.
In der Tat. (Angebliche) "Bibeltreue" muss mit Wahrheitsliebe nicht einhergehen. Nach meiner
langen Erfahrung ist oft das Gegenteil der Fall. Hat auch sehr viel mit Selbsttäuschung zu tun.

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Halman
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#15 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Halman » Do 5. Mai 2016, 22:42

@michaelit
@Münek

Eure kritischen Beiträge sind für mich völlig OKAY! ;) Ich möchte euch nur daran erinnern, dass ihr hier im Bibelforum schreibt.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#16 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von closs » Fr 6. Mai 2016, 01:10

Bastler hat geschrieben: Authentizität der Bibel an archäologischen Befunden festzumachen, ist ein fragwürdiges Geschäft. ... Deswegen neige ich dazu, die Authentizität nicht an den historischen Befunden festzumachen, sondern am Gläubigen selbst.
Diesen Ansatz finde ich sehr gut. :thumbup:

Denn was IST eigentlich Authentizität? - Aus meiner Sicht beschreibt spirituell-geistige Authentizität die menschen-mögliche Nähe an Gott. - Dabei ist die Liebe die höchste Form menschen-möglicher Authentizität.

Es ist vollkommen egal, ob diese Authentizität historischer, legendenhafter oder sonstiger Natur ist. - Im Sinne von Goethes tiefem Satz "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis" (also auch die Bibel ist vergänglich) bedeutet dies: "Funktioniert ein Gleichnis zu Gott hin oder von Gott weg?". - Das ist die geistig-spirituelle Funktion des Gleichnisses und somit des Dasein-Lebens überhaupt.

Insofern ist die Bibel um so authentischer, je näher sie zu Gott hin interpretiert wird, also verstanden wird. - Buchstaben und Zitate der Bibel sind nur Gleichnisse, die entweder ihr Ziel erreichen oder in die Hose gehen. - Dazu kann die Bibel nichts.

Mit anderen Worten:
Aus meiner Sicht ist die Bibel in hohem Maße geeignet, Authentizität der Wahrnehmung Gottes/Nähe zu Gott (soweit man dies als Mensch kann) durch richtiges Verständnis zu ermöglichen. - Weil alles Nötige dazu drin steht.

Aber die Gefahr ist genauso groß, die Bibel als De-Authentizitäts-Instrument (gewollt oder ungewollt) zu missbrauchen - die Geschichte der Christenheit incl. aller ihrer Denominationen hat dies deutlich gezeigt. - Die Bibel wird allerdings auch zum De-Authentizitäts-Instrument, wenn sie säkular gedeutet wird. - Es gibt also hier eine Zangenbewegung des Falschen.

Die Bibel selbst ist aus meiner Sicht weder authentisch noch nicht-authentisch, sondern wird erst durch den HG authentisch. - Würdet Ihr da zustimmen?

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Bastler
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#17 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Bastler » Fr 6. Mai 2016, 08:13

Ein Blick darauf, wie biblische Texte kanonisiert wurden, ist da hilfreich.

Im NT wurden die Texte ja nicht auf einen Schlag kanonisiert, sondern es gab einen Prozess. Texte wurden in der Liturgie verwendet, sozusagen als Praxistext. Es gab keine Expertenkommission, die den jeweiligen Text auf Stichhaltigkeit, historische Korrektheit oder sonstige wissenschaftliche Kriterien abklopfte, sondern die Frage war, ob man bei diesen Texten das Gefühl hatte, dass sie im Gottesdienst dem Glauben etwas taugten. Ob sie den Glauben stärkten bzw. ob sie dem Glauben Worte verliehen, ob sie den Glauben in die jeweils gewünschte Richtung prägten, ob sie den Gläubigen etwas über Gott sagten, was man auch glauben konnte und glauben wollte. Noch direkter, als Dein (Closs) Kriterium des Heiligen Geistes, wäre das Kriterium des (jeweils schon vorhandenen) Glaubens bzw. Glaubensverständnisses.

Das jeweils schon vorhandene Vorverständnis von Glaube bzw. die Vor-Vorstellung von Gott waren das entscheidende Kriterium, ob ein Text dann in die Sammlung der Bibel mitaufgenommen wurde. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich sehr von der Art und Weise, wie man das heute anpacken würde.

Heute würden wissenschaftliche Kriterien gewiss eine größere Rolle spielen. Wäre eigentlich gar nicht mal so schlecht. Denn gegen ein Wissen anzuglauben ist immer problematisch, neigt zu Fanatisierung und Verblendung. Zur Kanonisierungszeit hatte man noch nicht so viel Wissen und verließ sich nicht so sehr darauf. Deswegen war z.B. historische Richtigkeit auch kein besonders gewichtiges Kriterium. Es ging wirklich um den Glauben.

Rembremerding
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#18 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Rembremerding » Fr 6. Mai 2016, 11:15

Es mag alles richtig sein, was @closs und @Bastler schreiben.
Ich sehe den Ansatz vom Glauben, der Tradition und dem HG her die Schrift zu interpretieren als einzig richtigen.

In diesem Thread geht es aber m.E. eher um eine etwas profanere Ebene, quasi um das Ergebnis des zuvor erkannten Ansatzes. Die Bibel zeigt, obwohl sie über Jahrtausende hinweg von vielen Autoren verfasst wurde, eine erstaunliche innere Logik und Konsequenz, eben weil der oben erkannte Ansatz greift. Und für einige Epochen, Kulturen und geografischen Räumen ist die Bibel tatsächlich das einzig überlieferte Schriftdokument. Hier zeigt sich dann oft jene erstaunliche Authentizität der Bibel, wenn etwa archäologische Grabungen oder außerbiblische Schriftfunde die Bibel bestätigen. Dies kann und wird aber niemals am Glauben der Gläubigen rühren, denn dieser blüht einzig aus der Liebe einer Person hervor, Jesus Christus, die wir Menschen erwidern dürfen und die Vertrauen (Glauben) und Hoffnung schenkt.

Deshalb hier noch ein Beispiel einer authentischen Bibel.
Aus Joh 19:23 erfahren wir, dass das Untergewand, der Leibrock des Herrn aus einem Stück gewoben war, ohne Naht aus einem Faden. Diese Notiz über den Leibrock (chitón) ist deshalb interessant, weil uns Flavius Josephus in seinen Altertümern (Ant. Iud. III 7.4) informiert, dass das Gewand des Hohepriesters ebenfalls aus einem einzigen Faden gewebt war. Johannes gibt uns also eine Anspielung auf die hohepriesterliche Würde des Herrn, die er auch in seinem hohepriesterlichen Gebet aufzeigt.
Und der Herr ist ja tatsächlich der einzige wahre und endgültige Hohepriester, vollkommenes Opfer und Opfernder zugleich.

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#19 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Bastler » Fr 6. Mai 2016, 16:17

Aus dem Beispiel mit dem Untergewand Jesu lässt sich nicht schließen, dass Jesus tatsächlich ein solches durchgewobenes Teil anhatte. Auch hier kommt es auf die Symbolik an. Man wollte die Hohepriesterlichkeit Jesu illustrieren. Es KANN sein, dass Jesus so ein Untergewand trug, es kann aber genau so gut sein, dass ihm dieses Untergewand aus theologischen Gründen literarisch angezogen wurde.

Authentisch wird es wiederum erst, wenn man auf den Glauben (und nicht auf die historischen Fakten) schaut. "Ich brauche keine anderen Hohenpriester, mir genügt Jesus vollauf!" wäre ein christlicher Glaubenssatz, der selbst dann Gültigkeit behielte, falls er historisch überhaupt kein Untergewand getragen hätte, sondern nur einen Lendenschurz.

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#20 Re: Die authentische Bibel

Beitrag von Bastler » Fr 6. Mai 2016, 16:41

closs hat geschrieben:Die Bibel selbst ist aus meiner Sicht weder authentisch noch nicht-authentisch, sondern wird erst durch den HG authentisch. - Würdet Ihr da zustimmen?
Das ist alles eine Frage der Diktion. Deine Diktion gefällt mir.

Die katholische Kirche spricht davon, dass die Bibel irrtumslos etc. sei ... allerdings nur:
1. Wenn man die Bibel als Ganzes vor Augen hat
2. Wenn man sie im Heiligen Geist liest
3. Wenn man sich der Rahmenauslegung der Kirche anschließt.
(4. Wenn man alles im Licht des Neuen Testamentes liest.)
(Dei verbum, Vatikanum II)

Das gefällt mir zwar, es lenkt auch das Bewusstsein auf das Richtige. Aber es ist (wie so viele Konzilstexte) dermaßen unhandlich formuliert, dass man auch ziemlich verwirrt werden und in die Irre geführt werden kann. Die Konzilsväter und die Übersetzer aus dem Latein sollten vielleicht mal eine Schulung bei einem guten Sprach-, Linguistik- oder Deutschlehrer machen. (Von mir aus bei Friedemann Schulz von Thun)

Inhaltlich finde ich das allerdings ziemlich gut. Es geht also nicht um das Isolieren einzelner biblischer Aussagen, auch nicht um "Themen-Ketten" oder so ähnliches. Sondern: Wer in der Bibel liest, wird mit dem Glauben von Gläubigen unterschiedlicher Jahrhunderte, unterschiedlicher Generationen und Kulturen, unterschiedlicher Geistesströmungen konfrontiert. Die einzelnen Aussagen widersprechen sich vielfältig. Und sie widersprechen gelegentlich auch anderen Erkenntnissen. Und dennoch ... DENNOCH: Beim Lesen geschieht eine Bereicherung für den Glauben. Eine Befruchtung.

Bereichert durch das, was frühere Generationen im Glauben erlebt und wie sie sich dann ein Bild gemacht haben, kann der heutige Leser seinen eigenen Glauben stärken und formen.

Deine Erwähnung des Heiligen Geistes ist bei diesem Vorgang (Glaubensstärkung und -formung) ganz und gar wichtig. Darin spiegelt sich, dass diese ganzen "Basteleien" keineswegs beliebig sind. Sondern der heutige Leser spürt "instinktiv", und "von innen" oder "durch die Führung des Heiligen Geistes", wohin sein Glaube tendiert.

Dass Gott befohlen habe, amalekitische Säuglinge niederzumetzeln? Schön, damals, im Krieg mit den Amalekitern hat man das vielleicht so gesehen und fand, dass Gott das Leben der GUTEN (das sind ja immer WIR. WIR sind die Guten) beschützt. Und dass Gottes Macht größer ist, das die Militärmacht aller nur denkbaren Amalekiter.
Dennoch: Wer schon mal von Jesus gelesen hat und er von Jesus einiges verstanden hat ... bei dem regt sich nun von ganz tief unten ein Widerwille. Gott als Urheber eines der grausamsten Kriegsverbrechen, die überhaupt nur vorstellbar sind?

Der Leser tut gut daran, sich vom heiligen Geist leiten zu lassen. "Nix da! Grausamer Unfug! So was tut nicht der Gott, der der Vater der Menschen ist! Die amalekitischen Kinder sind auch seine Kinder! Grausame Kriegsverbrechen sind nicht der Wille Gottes!"

Dieser Widerspruch ist sehr tief im Menschen veranlagt. Wenn dieser Widerspruch nicht kommt, tut man gut daran, sich die Lebensgeschichte des Lesers genau anzuschauen. Ich befürchte: Es gibt Ereignisse im Leben, die sind so stark, dass sie die Stimme des heiligen Geistes überdecken, so dass man sie gar nicht mehr vernehmen kann.

Gerade im Lesen solcher anstößiger Bibelstellen kann bei einem unbelasteten Leser (einer, dessen Zugang zum Heiligen Geist noch nicht überdeckt ist) noch einmal die Gewissheit wachsen: Gott ist nicht so, wie es hier beschrieben wird. Gott ist wirklich liebender Vater. Gott will das Leben dieser Kinder. Gott steht auf der Seite der Opfer und wird ihnen zum Leben verhelfen - notfalls sogar postmortal.

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