6 Blinde und ein Elefant.

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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Münek
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#11 Re: 6 Blinde und ein Elefant.

Beitrag von Münek » Sa 18. Jun 2016, 23:29

Rembremerding hat geschrieben:Ein Gott, der die Wahrheit ist, den der Mensch meint von sich aus vollständig begreifen zu können, wäre nicht der lebendige Gott, sondern nur ein Götze, den der Mensch sich erschaffen. Gott ist unbegreiflich und deshalb ewig, allmächtig, allliebend und allgegenwärtig.
Das Wörtchen "deshalb" ist hier mangels Logik erstens völlig deplatziert und zweitens sind die von Dir aufgezählten Superlative lediglich Eigenschaften, die der Mensch in seiner Vorstellung "seinem" Gott als aus seiner Sicht "notwendige" Attribute zuschreibt.

Der Mensch denkt sich Gott als ein höchstes Wesen und stattet es mit superlativen Eigenschaften aus. Wenn Gott allerdings unbegreifbar sein
soll (Deine Behauptung!), sind solche "Prädikatisierungen" (ewig, allmächtig, allwissend, allliebend, allgegenwärtig) überhaupt nicht möglich. Sie entpuppen sich vielmehr als Produkte fantastischer Glaubens- und Wunschvorstellungen.

Deshalb passt Dein "deshalb" nicht. Der Philosoph Feuerbach lässt grüßen.

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Bastler
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#12 Re: 6 Blinde und ein Elefant.

Beitrag von Bastler » Sa 18. Jun 2016, 23:52

Münek hat geschrieben:Das Wörtchen "deshalb" ist hier mangels Logik erstens völlig deplatziert und zweitens sind die von Dir aufgezählten Superlative lediglich Eigenschaften, die der Mensch in seiner Vorstellung "seinem" Gott als aus seiner Sicht "notwendige" Attribute zuschreibt.
...
Deshalb passt Dein "deshalb" nicht. Der Philosoph Feuerbach lässt grüßen.
Alle Theologie besteht in einer Ablehnung von Wittgensteins Vorgabe "Worüber man nicht reden kann, davon soll man schweigen!"

Feuerbach hat einen viel interessanteren Umgang mit dem Unaussprechbaren entdeckt. Er macht auf die menschliche Angewohnheit aufmerksam, das Unaussprechliche durch "superlative Eigenschaften" an den Himmel zu projizieren. Anselm von Canterbury hat diese Superlativisierung noch einmal überboten, durch sein "worüber hinaus Größeres nicht denkbar ist".

Ich halte diese Superlative für einen Versuch, das Unaussprechlich und Unerfassliche und Undenkliche in eine aussprechbare Form zu bringen.
Wenn dies sinnvoll geschehen soll, dann muss sich der Sprecher der Superlative dessen bewusst sein, dass seine Worte nichts als Hinweisschilder sind, die das Bezeichnete nicht beschreiben, sondern lediglich eine Richtung angeben. Gott ist nicht all-liebend, wenn man sich eine menschliche Liebe zum Vorbild für das Wort "liebend" nimmt. Jede Aussage über Gott ist falsch, sobald man genauer hinschaut. Ich nenne dies gerne "uneigentliche Sprache". Man spricht etwas über Gott ... und ist dann darauf angewiesen, dass der Hörer eine ähnliche Erfahrung (des Unfassbaren) gemacht hat und dann ahnt: Ah, der Sprecher spricht auf eine solche mystische Erfahrung an, wenn er unbeholfen Superlative verwendet.

PS: Deine Kritik am "deshalb" ist natürlich berechtigt. Aber schlag mal Paulusbriefe auf und suche nach "denn". Paulus schlägt, finde ich, alle anderen Verwender dieses Begründungswortes um Längen. Nur sehr selten findet man nach dem "denn" auch wirklich eine Begründung.

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Münek
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#13 Re: 6 Blinde und ein Elefant.

Beitrag von Münek » So 19. Jun 2016, 06:45

Bastler hat geschrieben: PS: Deine Kritik am "deshalb" ist natürlich berechtigt. Aber schlag mal Paulusbriefe auf und suche nach "denn". Paulus schlägt, finde ich, alle anderen Verwender dieses Begründungswortes um Längen. Nur sehr selten findet man nach dem "denn" auch wirklich eine Begründung.
Völlige Zustimmung. Diesbezüglich ist Paulus unschlagbar.

michaelit
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#14 Re: 6 Blinde und ein Elefant.

Beitrag von michaelit » So 19. Jun 2016, 08:37

Rembremerding, ich suche in der christlichen Religion nicht nach der typischen superlativierten Gottesverehrung sondern nach dem anderen, dem Neuen. Jesus kam um uns Gott anders nahezubringen als früher. Er erniedrigte sich am Kreuz um dem Menschen zu helfen, um ihm ganz anders und ganz neu in Liebe nahezusein. Damit das aber auch alles in der Wahrheit so ist, muß diese Liebe groß sein und nicht nur groß heißen. Die damaligen jüdischen Gottesverehrer hatten nicht verstanden daß Gott Liebe ist. Und in diesem Verwechseln von göttlicher Liebe mit Allmacht und Größenwahn ging diese Religion unter. Deshalb muß man sich Gott anders als durch Verehrung nähern, auch er brauch Liebe und Zuneigung und will sie uns zurückgeben. Das Kreuz und die Auferstehung drücken das m.A. nach deutlich aus. Anbetung und Verehrung können blind machen.

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Bastler
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#15 Re: 6 Blinde und ein Elefant.

Beitrag von Bastler » So 19. Jun 2016, 10:19

Passend dazu ist das heutige Tagesevangelium.

Jesus fragt: "Wer bin ich für EUCH". Petrus antwortet mit einem falsch verstandenen Superlativ: "Der Messias Gottes!". Summa cum pompa, Gloria, Halleluja, Weihrauch, Zimbeln und Harfe. Der Messias ist der von Gott gesalbte Boss, der alle Feinde mit Schimpf und Schmach durch ultimative Machtausübung davonjagt. Summa cum pompa.

Und Jesus fühlt sich damit missverstanden. Sein Lebenselexir ist nicht das summa cum pompa. Er wird in Jerusalem auf einem Esel einziehen, um das zu dokumentieren. Seine Größe besteht darin, dass er bereit ist, sein Leben und seine Unversehrtheit im Vertrauen auf den Vater aufzugeben und für andere zu leiden. Er geht seinen schmucklosen Weg ans Kreuz und versteht diese Lebensführung als Wesensbestimmung seiner selbst. Und jeder, der sein Jünger sein will, muss dasselbe tun - und zwar "täglich" sein Kreuz auf sich nehmen. Auch hier fällt wieder die uneigentliche Sprache auf: Man kann nicht real "täglich" sein Kreuz auf sich nehmen. Ans Kreuz geht man nur einmal - und dann ist bambam. Dann hat man fertig. Auch wieder so ein Superlativ, der eigentlich keiner ist.

Und dennoch hat Petrus in gewisser Weise völlig Recht, wenn er superlativistisch Jesus als Messias Gottes (oder bei Matthäus: Sohn des lebendigen Gottes) nennt. Nur eben nicht, wenn man ihn wörtlich nimmt oder wenn man den Begriff "Sohn Gottes" und "Messias" nach dem üblichen Verständnis nimmt. Sondern irgendwie noch mal ganz anders. Seine Herrlichkeit besteht eben NICHT im Pomp, Glanz und Gloria. Aber es gibt keinen angemessenen Ausdruck in der menschlichen Sprache für das, was Jesus zum Messias oder zum Sohn Gottes macht. Deshalb greifen die Christen zu Superlativen, die aber "uneigentlich" sind. Das ist noch das Beste, was Menschen möglich ist.

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