Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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lovetrail
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#1 Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 14:15

Liebe Leute!

Da ich dieses Thema interessant finde, aber nicht in jedem Thread von neuem diskutieren möchte, will ich hier mal gesondert über die Rolle der Prämissen (des Vorverständnisses, der Paradigmen) bei unserem Bibelverständnis gemeinsam erörtern:

Andreas hat geschrieben:Sehe ich auch so, deswegen ist meines Erachtens die Hermeneutik so wichtig. Jeder geht immer von einem Vorverständnis aus und hat das Recht und die Pflicht seinen Standpunkt zu vertreten - so falsch oder richtig er auch sei. Besser heiß oder kalt - aber lau geht gar nicht.
Der erste Schritt ist, sich selbst klar zu werden, dass man immer Prämissen hat, immer Paradigmen folgt - und der andere auch. Was uns voneinander trennt, sind eben mehr diese Vorverständnisse mit denen wir an die Bibel oder den Glauben herangehen und weniger die konkreten Inhalte der Bibel oder des Glaubens. Wir kämpfen, meist ohne es zu wissen um die Vorverständnisse. Die Deutungen des anderen passen nicht zu unserem Vorverständnis und deshalb nicht zu unserer Deutung oder Interpretation der Bibel oder des Glaubens. Wir verteidigen unser Gottesbild, das immer eine gerade aktuelle Prämisse bleibt - über Gott sagt das allerdings eher wenig aus.

Es gibt ja auch den hermeneutischen Zirkel, bei dem man zwischen Einzelaussagen und Vorwissen hin und hergeht und somit versucht seinen Verstehenshorizont immer besser mit dem Horizont des Textes in Übereinstimmung zu bringen.

Die Prämissen müssen sich also exegetisch bewähren. Ich mache es durchaus manchmal so, dass ich die Prämissen von anderen Leuten durchspiele und mal gucke, ob ich damit gewisse Teile des Bibeltextes besser verstehen kann, ob also die "Fakten" besser mit einem anderen Modell aufzuschließen und einzuordnen sind.

Mir ist es keineswegs fremd, dass wir alle unsere Prämissen mitbringen, manche schon von Kindheit an, andere aus bestimmten Kirchen. Dies kann eine ganz starre Funktion einnehmen, welche kaum veränderbar scheint.

Ich bin aber so "gutgläubig", dass ich meine, die Bibel als Wort Gottes überführt uns (zumindest auf lange Sicht) von unserem unzureichenden Vorwissen und ändert dieses also, bzw erweitert es auch. Unter gewissen Umständen kann dieser Prozess aber fehlschlagen und sogar zu einem schlimmeren Missverstehen führen, sodass man an Jesu Worte denken muss: "Mit den Ohren hören sie, verstehen aber doch nicht."

Soweit mal.

LG lovetrail
Zuletzt geändert von lovetrail am Sa 14. Jan 2017, 14:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Andreas
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#2 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Andreas » Sa 14. Jan 2017, 14:26

Hier ordnend einzugreifen finde ich löblich aber aussichtslos. Es verschwindet doch alles in der nachfolgenden Masse von Beiträgen. An das Chaos und den temporären Charakter der Diskussionen hier hab ich mich längst gewöhnt und jeden Widerstand längst aufgegeben. Wenn wir das nach hier verlegen fehlt der Kontext, ist alles verloren, was schon dazu am anderen Ort an Argumenten vorgebracht wurde. Aber von mir aus, machen wir hier weiter. Meine Antworten auf Beiträge im anderen Thread werde ich aber dort posten, sonst sind sie nicht nachvollziehbar.

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lovetrail
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#3 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 14:39

Andreas, ja sorry, es fehlt vielleicht der Kontext, aber andererseits kann man bei neuen Inhalten wo diese Frage auftritt, wiederum nach hier ausweichen. Es nimmt natürlich einer gewissen Polemik den Wind aus den Segeln. Das ist durchaus erwünscht :-).

LG
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Münek
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#4 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Münek » Sa 14. Jan 2017, 18:13

Prämissen sollten nicht Glaubens- und Wunschvorstellungen entspringen, sondern plausibel und evident sein. An erster Stelle sollte die intellektuelle Redlichkeit stehen, also der unbedingte Wille zur Ehrlichkeit und Wahrheit - auch wenn diese unter Umständen schmerzt. Damit unvereinbar ist, dass z.B. die Glaubensdogmen (Prämissen) der katholischen Kirche nicht hinterfragt oder in Zweifel gezogen wer-
den dürfen.


Da stinkt doch etwas ganz gewaltig. :devil:

Da lobe ich mir die ehrliche Wissenschaft, die es sogar begrüßt, wenn ihre Theorien in Frage gestellt werden. Wer Fragen nicht zulässt, setzt sich dem berechtigten Verdacht aus, es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen zu wollen.
Zuletzt geändert von Münek am Sa 14. Jan 2017, 19:22, insgesamt 1-mal geändert.

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lovetrail
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#5 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 18:25

Münek hat geschrieben:Prämissen sollten nicht Glaubens- und Wunschvorstellungen entspringen, sondern plausibel und evident sein. An erster Stelle sollte die intellektuelle Redlichkeit stehen, also der unbedingte Wille zur Ehrlichkeit und Wahrheit - auch wenn diese unter Umständen schmerzt. Damit unvereinbar ist, dass z.B. die Glaubensdogmen (Prämissen) der katholischen Kirche nicht hinterfragt oder in Zweifel gezogen wer-
den dürfen.


Da stinkt doch etwas ganz gewaltig. :devil:

Da lobe ich mir die ehrliche Wissenschaft, die es sogar begrüßt, wenn ihre Theorien in Frage gestellt werden.

Axiome die sich in verschiedensten Lagen und Problemstellungen bewähren, muss man nicht ewig in Frage stellen.
Spezielle Dogmen der katholischen Kirche (und auch anderer Kirchen) werden doch kritisch hinterfragt.

Intellektuelle Redlichkeit und der unbedingte Wille zur Wahrheit finde ich gut. Kann ich mitgehen :-) So habe ich unter anderem zum Glauben gefunden. Und so versuche ich auch gläubig zu leben.

LG
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#6 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Rembremerding » Sa 14. Jan 2017, 19:46

lovetrail hat geschrieben:
Ich bin aber so "gutgläubig", dass ich meine, die Bibel als Wort Gottes überführt uns (zumindest auf lange Sicht) von unserem unzureichenden Vorwissen und ändert dieses also, bzw erweitert es auch. Unter gewissen Umständen kann dieser Prozess aber fehlschlagen und sogar zu einem schlimmeren Missverstehen führen, sodass man an Jesu Worte denken muss: "Mit den Ohren hören sie, verstehen aber doch nicht."

Hinsichtlich des Themas muss auch hinterfragt werden, inwieweit belastbar das "sola scriptura" von Martin Luther ist.
Er nahm das Schriftverständnis von Petrus Valdes auf und im Grunde ist die HKM ab dem 19. Jahrhundert auch ein wissenschaftlicher Reflex dieser Sichtweise der Hl. Schrift, die sich immer mehr auf die Wortwörtlichkeit und die Irrtumslosigkeit berief.

Die Gefahr dieser Sichtweise ist auch, dass immer mehr die Tatsache verloren geht, dass das Christentum keine Buchreligion ist, sondern eine Beziehung zum allmächtigen liebenden Gott, der Mensch wurde.
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#7 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Münek » Sa 14. Jan 2017, 20:28

lovetrail hat geschrieben:Axiome die sich in verschiedensten Lagen und Problemstellungen bewähren, muss man nicht ewig in Frage stellen.
Du willst mich wohl auf den Arm nehmen. Von einer Bewährung des christlichen Glaubens kann angesichts der blutigen Geschichte der über weite Strecken macht- und geldgierigen Kirche nun wahrlich keine Rede sein.

lovetrail hat geschrieben:Spezielle Dogmen der katholischen Kirche (und auch anderer Kirchen) werden doch kritisch hinterfragt.
Natürlich gibt es immer ein paar Mutige - nur werden diese kritisch Hinterfragenden dann ohne Erbarmen an die frische Luft gesetzt bzw. ihnen wird ratz-fatz die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen (siehe Küng, Ranke-Heinemann, Drewermann u.a.).

lovetrail hat geschrieben:Intellektuelle Redlichkeit und der unbedingte Wille zur Wahrheit finde ich gut. Kann ich mitgehen :-) So habe ich unter anderem zum Glauben gefunden. Und so versuche ich auch gläubig zu leben.
Das ist Deine persönliche Einschätzung. Ich erlebe leider immer wieder das Gegenteil. Darum meine hier im Forum immer wieder aus jeweiligem aktuellem Anlass vorgebrachte diesbezügliche Kritik. Im Zweifelsfall werden viele Gläubige ihrem Glauben einen höheren Stellenwert einräumen als der Wahrheit. Natürlich gibt es auch viele Gläubige, die dann verständlicherweise ihren Glauben verlieren
und von der Fahne gehen.

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Andreas
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#8 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Andreas » Sa 14. Jan 2017, 20:37

Jetzt schreibt der immer noch fett. Hast du Untergewicht?

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#9 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Münek » Sa 14. Jan 2017, 20:56

Andreas hat geschrieben:Jetzt schreibt der immer noch fett. Hast du Untergewicht?
Nö - ich habe nur meiner FETTDRUCKTASTE noch was gutzumachen. Du verstehst?! :lol:

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#10 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 21:03

Rembremerding hat geschrieben: Hinsichtlich des Themas muss auch hinterfragt werden, inwieweit belastbar das "sola scriptura" von Martin Luther ist.
Er nahm das Schriftverständnis von Petrus Valdes auf und im Grunde ist die HKM ab dem 19. Jahrhundert auch ein wissenschaftlicher Reflex dieser Sichtweise der Hl. Schrift, die sich immer mehr auf die Wortwörtlichkeit und die Irrtumslosigkeit berief.

Die Gefahr dieser Sichtweise ist auch, dass immer mehr die Tatsache verloren geht, dass das Christentum keine Buchreligion ist, sondern eine Beziehung zum allmächtigen liebenden Gott, der Mensch wurde.

Ohne sola scriptura kann man alles Mögliche ins Christentum hineinschmuggeln. Es stimmt schon, das Christentum ist keine Buchreligion, sondern eine Beziehung zu Gott durch Jesus Christus. Aber wer denn nun Jesus Christus ist, wie wir gerettet werden können, wie wir leben sollen, wie wir in Gefahren bestehen können usw erfahren wir durch das geschriebene Wort Gottes.

LG
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