Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht müsste man mal klären, was "mythisch" meint. Manche hören da möglicherweise nur raus: erfunden.
Aber eine mythische Erzählung wird nicht erfunden.
Zustimmung.
Mythische Erzählungen haben oft einen wahren Kern. Auf diesen wahren Kern sponnen die Erzähler im Altertum eine spannende Geschichte die man den Menschen (die damals kein TV kannten) am Lagerfeuer erzählen konnte.
Du sprichst jetzt etwas anderes an als ich.
Trotzdem stimmt das, was Du sagst: es gibt meist einen historischen Kern.
Dieser historische Kern ist der Anlass, das Sprungbrett sozusagen, um etwas zu vermitteln, dessen Wert nicht im Historischen liegt.
"Spannung" mag bei vielen Erzählungen das einzige Motiv sein, aber in mythischen Erzählungen ist Spannung nicht das Motiv.
Ich nehm mal wieder Goethes "Faust".
Die Faustffigur ist historisch, Goethes Faustfigur hingegen nicht, nicht im engen Sinn.
Wenn ich sagte, dass eine mythsiche Erzählung nicht erfunden wird, dann mente ich damit Folgendes:
Die von Goethe gestaltete Figur wird bis heute darum gelobt, weil sie das Denken und Wahrnehmen des Abendlandes - des westlichen Europa - eingefangen hat. Goethe sei der Prototyp des abendländischen Menschen - mitsamt seinen Gefahren und seinen Chancen.
Also: Goethes Faustfigur hat nie gelebt, kann gar nicht gelebt haben, da an ihm Zauberdinge passierten, und zwar richtig (zum Beispiel wurde er verjüngt).
Aber dennoch ist sie lebendig, weil sie das Wesen des westeuropäischen Menschen sichtbar macht.
Das bezeichnet man als "mythisch". Wir können uns in seinem Denken wiederfinden, und Goethe hat nicht nur die Gefahren unseres Denkens aufgezeigt, sondern Lösungsmöglichkeiten angedeutet.
Tatsächlich ist es bei der Sintflut ähnlich:
eine große Flut gab es, dem Erzähler der Sintflutgeschichte wird das zu Ohren gekommen sein.
Das hat er als Anlass, als Sprungbrett benutzt, um eine mythische Geschichte zu gestalten, die Antworten gibt auf das Verhältnis von "Geborgensein" und "Gefahr".
Sie drückt Hoffnung aus. Hoffnung in der Verzweiflung.
Der Regenbogen - der für die Augen von der Erde in den Himmel reicht - kann als Hoffnungssymbol dienen.
Bis heute bleiben die Leute auf der Straße stehen, wenn ein Regenbogen erscheint.
Die "mythische Qualität" des Regenbogens ist auch heute spürbar.