Ich bin der ich bin

Themen des alten Testaments
closs
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#51 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 11:58

Rembremerding hat geschrieben: Man ist im jetzt geworden und wird zum ist im werden. Man "ist" der Werdende, darum "Ich bin der Werdende". Ich weiß, das ist für uns hellenistisch Geprägte schwierig zu erklären und zu verstehen.
Da sind wir uns prinzipiell einig (auch ich verstehe "Jahwe" als ontische und NICHT als zeitliche Größe etwa im Sinne von "Ich werde etwas sein, was ich vorher nicht war"). - Deine Ausführungen bedeuten aber, dass das, was wir mit "werden" übersetzen, im Hebräischen keine primäre zeitliche Funktion haben.

Spirituell ist alles klar - aber was sagen dazu die Hebräisten? - Ich frage das deshalb, weil hier ein Einfallstor ist für Dinge wie "Ihr biegt Euch was hin - Futur ist Futur, und Punkt".

Rembremerding hat geschrieben:Theologisch interpretiert kann das auch heißen: Man wird in das "bin" Gottes hineingenommen, um durch sein "für" mein eigentliches "Ich bin" durch ihn zu werden auf dem Weg (hier gemeint: der Weg als das ganze Leben eines Nomaden).
Das käme meiner weiter oben angebotenen Interpretation im Sinne eines "Ich werde für Eure Erkenntnis das sein, was ich sowieso bin" nahe.

janosch hat geschrieben:Du liest das Evangelium auf Deutsch! Und das wurde von Griechisch übersetzt. Gotseidank!
Mir wäre es, nachdem ich die Buber-Übersetzung des AT gut kenne, lieber, wenn es eine hebräische Urschrift des NT gäbe.

janosch hat geschrieben: Es ist ein Irrtum dass zu glauben, das der AT notwendig ist das Neue zu verstehen! Erlösung und Erretung der Mensch der AT kein Joten bingt.
Richtig - da sagt sogar Paulus was dazu (Röm. 2,14).

janosch hat geschrieben:Jesus sprach mehrmals aus; „Ihr versteht die Sprache nicht!“ Nicht logisch? Das bedeutet dass ihre Kommunikation mittel war nicht authentisch, also sie verstanden nicht Hebräich!
Möglich - aber der Sinn solcher Stelle ist meines Erachtens ein anderer: Sie verstanden den Geist Jesu nicht, weil sie vom Denken her alttestamentarisch geprägt waren.

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:In der griechischen Septuaginta heißt es : Ich bin der Seiende - Der Seiende, keine Zeitstufe, aber ein Durativ.
Das klingt gut - nur: Wer kann uns sagen, was zwischen hebräisch und griechisch verloren gegangen ist? - Optimistischa gesagt: Wenn die Septuaginta damals den Sinn des hebräischen Ursprungs getroffen hat, wäre das die Lösung.

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ProfDrVonUndZu
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#52 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Sa 24. Feb 2018, 12:23

closs hat geschrieben:Wer kann uns sagen, was zwischen hebräisch und griechisch verloren gegangen ist?
Die unzähligen Formen des Griechischen gibt es im Hebräischen nicht. Es gibt auch keinen echten Futur, wie in den Indogermanischen Sprachen. Der griechische Konjunktiv und der Optativ, so wie auch der Imperativ, würden im Hebräischen schon als eine scheinbare Form eines Futur erscheinen. Das ist nur über den Kontext zu ermitteln. Der Hebräer wüsste, dass er die Zukunft nicht kennt, daher bräuchte er den echten Futur nicht. Er kann aber sehr wohl ein auf die Zukunft gerichtetes Begehren oder eine Möglichkeit ausdrücken. Die 70 Weisen, oder wer auch immer die Septuaginta geschrieben haben, konnten sehr wohl unterscheiden, wann Gott, selbstredend die Zukunft kennend, im Text zu Wort kommt, und wann einem Menschen die Worte zugeordnet sind, der nicht die Zukunft kennt, ausser wenn Gott durch ihn spricht.
"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand." - Gandalf in J.R.R Tolkien - Herr der Ringe, Band 1

closs
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#53 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 12:55

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Der Hebräer wüsste, dass er die Zukunft nicht kennt, daher bräuchte er den echten Futur nicht. Er kann aber sehr wohl ein auf die Zukunft gerichtetes Begehren oder eine Möglichkeit ausdrücken.
Dazu eine wahrscheinlich unbeantwortbare Frage, die ich trotzdem stelle:
Was hat "das Volk" gefühl, wenn es das Wort "Jahwe" sprachlich rezipiert hat - dass da etwas "ist" oder dass da etwas "sein wird"? - Folgender Hintergrund: Egal, wie eine Sprache funzt, hat doch jeder Menschen einen Bezug zum Ontischen, also zur Realität - also:

War "Gott" für "das Volk"
a) eine präsente Größe ("ICH-BIN"), oder
b) eine "auf die Zukunft gerichtetes Begehren"s-Größe.

Ich bin sicher, dass a) stimmt - aber wie kann man das sprachlich begründen, wo es doch schon mal so dasteht, wie es dasteht?
Zuletzt geändert von closs am Sa 24. Feb 2018, 13:47, insgesamt 1-mal geändert.

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ProfDrVonUndZu
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#54 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Sa 24. Feb 2018, 13:09

Ich bin sicher, dass a und b stimmt. Das Volk hat doch nie ohne Verheißungen gelebt. Gott hat sich in der Vergangenheit immer wieder als der Seiende erwiesen, und gewarnt, das nicht zu vergessen. Er hat ebenfalls davor gewarnt, die Segnungen des Jetzt den eigenen Kräften oder fremden Göttern zu zuschreiben.
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Novas
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#55 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von Novas » Sa 24. Feb 2018, 13:45

Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Was soll das Futur-Element "der ich sein werde"? - Wie begründen das die Sprachwissenschaftler/Theologen?

Überlege, in welchem Kulturkreis, in welcher Gesellschaft diese Sprache - althebräisch- entstand: Es war ein Nomandenvolk. Dies verankert sich im Denken und damit in der Sprache. Das hellenistische Denken, das die Zeit als eine Aufeinanderfolge von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft betrachtet, ein linearer Ablauf, fehlt hier. Für einen Nomaden auf Wanderschaft ist alles "werden". Man ist im jetzt geworden und wird zum ist im werden. Man "ist" der Werdende, darum "Ich bin der Werdende". Ich weiß, das ist für uns hellenistisch Geprägte schwierig zu erklären und zu verstehen.

Argumentieren wir mal vom Ziel her, also, wie die Israeliten diesen Namen Gottes erlebten und lebten:
Ein Beispiel aus Ps 118:6:
Der HERR ist für mich ...
Dieses "ist" gibt es im hebräischen nicht. Es heißt hier auf hebräisch nur: "Gott (HERR) mir".
Die Israeliten fassen Gott in ihrer Sprache also als jemanden auf, der unmittelbar da ist, damit als jemand, der als "Ich bin" immer auch als ein "Ich bin für" da ist und dies auch noch um mit ihm zu werden.
Theologisch interpretiert kann das auch heißen: Man wird in das "bin" Gottes hineingenommen, um durch sein "für" mein eigentliches "Ich bin" durch ihn zu werden auf dem Weg (hier gemeint: der Weg als das ganze Leben eines Nomaden).

Hier merkst du auch den Bezug zu Jesus und seinem Namen: Gottes Sohn ist ebenso der Weg, er ist die Proexistenz für uns Menschen, ein "für uns da". Er gibt sein Leben für uns.

Servus :wave:

Eine interessante Erklärung :thumbup:

closs
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#56 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 13:49

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Ich bin sicher, dass a und b stimmt. Das Volk hat doch nie ohne Verheißungen gelebt. Gott hat sich in der Vergangenheit immer wieder als der Seiende erwiesen, und gewarnt, das nicht zu vergessen. Er hat ebenfalls davor gewarnt, die Segnungen des Jetzt den eigenen Kräften oder fremden Göttern zu zuschreiben.
Da sind wir uns vollkommen einig.

Wie würdest Du einem Exegeten antworten, wenn er sagen würde: "Das ist Glaubensgerede - wissenschaftlich steht hier nur Futur". -----????----

Pluto
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#57 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von Pluto » Sa 24. Feb 2018, 14:03

Novalis hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Was soll das Futur-Element "der ich sein werde"? - Wie begründen das die Sprachwissenschaftler/Theologen?

Überlege, in welchem Kulturkreis, in welcher Gesellschaft diese Sprache - althebräisch- entstand: Es war ein Nomandenvolk. Dies verankert sich im Denken und damit in der Sprache. Das hellenistische Denken, das die Zeit als eine Aufeinanderfolge von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft betrachtet, ein linearer Ablauf, fehlt hier. Für einen Nomaden auf Wanderschaft ist alles "werden". Man ist im jetzt geworden und wird zum ist im werden. Man "ist" der Werdende, darum "Ich bin der Werdende". Ich weiß, das ist für uns hellenistisch Geprägte schwierig zu erklären und zu verstehen.

Argumentieren wir mal vom Ziel her, also, wie die Israeliten diesen Namen Gottes erlebten und lebten:
Ein Beispiel aus Ps 118:6:
Der HERR ist für mich ...
Dieses "ist" gibt es im hebräischen nicht. Es heißt hier auf hebräisch nur: "Gott (HERR) mir".
Die Israeliten fassen Gott in ihrer Sprache also als jemanden auf, der unmittelbar da ist, damit als jemand, der als "Ich bin" immer auch als ein "Ich bin für" da ist und dies auch noch um mit ihm zu werden.
Theologisch interpretiert kann das auch heißen: Man wird in das "bin" Gottes hineingenommen, um durch sein "für" mein eigentliches "Ich bin" durch ihn zu werden auf dem Weg (hier gemeint: der Weg als das ganze Leben eines Nomaden).

Hier merkst du auch den Bezug zu Jesus und seinem Namen: Gottes Sohn ist ebenso der Weg, er ist die Proexistenz für uns Menschen, ein "für uns da". Er gibt sein Leben für uns.

Servus :wave:
Eine interessante Erklärung :thumbup:
Finde ich auch!

Manchmal staune ich, welche tiefen Einsichten Rembremerding mit uns teilt!
Ich sage: Das ist einfach toll dargestellt! :thumbup:

Besonders gefällt mir die Einsicht, dass die Isrealiten ein Nomadenvolk war, welches in der Gegenwart lebte.
Dass ist übrigens eine hoch moderne Erkenntnis. Wir Menschen leben ebenfalls in der Gegenwart. Die Zukunft ist ohnehin nicht vorhersehbar, aber auch die Vergangenheit hat ihre Tücken und Fallen: Wir sind auf Zustimmung anderer angewiesen (Ich glaube ich war vorhin im Wohnzimmer, aber keiner kann das bezeugen).
Das Einzige was wir gut können, ist die ganz nahe Zukunft (Sekunden/Minuten) vorherzusehen. Offenbar genügte das der Evolution, um uns so zu gestalten, wie wir sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Josi
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#58 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von Josi » Sa 24. Feb 2018, 14:12

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Gott hat sich in der Vergangenheit immer wieder als der Seiende erwiesen, und gewarnt, das nicht zu vergessen. Er hat ebenfalls davor gewarnt, die Segnungen des Jetzt den eigenen Kräften oder fremden Göttern zu zuschreiben.
closs hat geschrieben:Da sind wir uns vollkommen einig.
Alles nur Lügen an Lügen und nochmals Lügen!

Jeder Mensch, der einerseits behauptet, Gott habe dieses und jenes getan, gesagt u.s.w., zugleich aber Gott andererseits - sofern es ihn denn gibt - nicht für sich selber sprechen lässt, führt sich selbst als zutiefst korrumpierter und dh. korrupt agierender Mensch vor.
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

closs
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#59 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 14:17

Josi hat geschrieben:Jeder Mensch, der einerseits behauptet, Gott habe dieses und jenes getan, gesagt u.s.w., zugleich aber Gott andererseits - sofern es ihn denn gibt - nicht für sich selber sprechen lässt, führt sich selbst als zutiefst korrumpierter und dh. korrupt agierender Mensch vor.
Moment: Aber gibt es nicht deshalb Offenbarungen, damit der Mensch einen Teil von Gott verstehen möge?

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Josi
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#60 Re: Ich bin der ich bin

Beitrag von Josi » Sa 24. Feb 2018, 14:36

closs hat geschrieben:
Josi hat geschrieben:Jeder Mensch, der einerseits behauptet, Gott habe dieses und jenes getan, gesagt u.s.w., zugleich aber Gott andererseits - sofern es ihn denn gibt - nicht für sich selber sprechen lässt, führt sich selbst als zutiefst korrumpierter und dh. korrupt agierender Mensch vor.
Moment: Aber gibt es nicht deshalb Offenbarungen, damit der Mensch einen Teil von Gott verstehen möge?
Wenn Du hier "individuelle Offenbarungen" meinen solltest, kann sie für sonstige Leute von keinerlei Bedeutung mehr sein, aber nicht nur, weil sich jede Offenbarung immer und grundsätzlich auf den Offenbarer selbst reduziert, ein solches Ereignis beliebig behauptbar und somit auch erlogen werden kann.
Also müsste eine Gottesoffenbarung in eindeutiger Weise vor möglichst vielen Menschen dargeboten werden - und einen solchen Fall gab es bislang es nicht.
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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