Pluto hat geschrieben:Also doch kein Freier Wille?
So gesehen NEIN. - Allerdings müsste man endlich mal definieren, was eigentlich "Freier Wille"/"Freie Entscheidung" ist.
Wir sind so was von gewohnt, in Wertungen zu denken, dass wir den wertungsfreien Sinn übersehen - dieser ist: Es gibt (mindestens) zwei Möglichkeiten, die man "ent-scheiden" muss. Denn steht man vor diesen zwei Wegen (einer rechts, einer links), steht man vor einer "Scheidung". - Man ent-scheidet diesen Zustand, indem man einen davon nimmt - man betritt diesen einen Weg davon und hat eben nur noch einen Weg vor der Nase (und nicht mehr zwei (oder mehr).
"Ent-Scheidung" ist also nichts anderes, als nüchtern eine Mehr-Wegigkeit operativ in eine Ein-Wegigkeit zu bringen (bis sich dieser Weg irgendwann auch wieder teilt). - Genau so nüchtern sieht es etwa das AT: "Du stehst vor zwei Wegen - der ein führt nach Garmisch, der andere nach Flensburg. Wenn Du einen Weg nimmst, kommst Du zu den Alpen - beim anderen an die Ostsee. - Nüchtern bis auf die Knochen.
Unsere moderne "aufgeklärte" Zeit hat daraus eine Ego-Inszenierung gemacht.
Um Deine Frage zu beantworten: "Mechanisch" gab es auch im AT schon einen "Freien Willen" - man stand vor einer "Scheidung" und hat sich frei entschieden, wenn man nicht gerade von irgend jemandem daran gehindert wurde. - Aber die Bedeutung des Begriffs "Freie/r Wille/Entscheidung" war eine ganz andere als heute - rein pragmatisch - nicht an Begriffen wie "Selbstverwirklichung" oder "Eigenverantwortung" geknüpft.
Man nehme als Beispiel das "Wunder auf dem Karmel" (1.Kön): Um eine Entscheidung (!!) zwischen dem Baal-Glauben und dem Jahwe-Glauben herbeizuführen, kommt es zum „Gottesurteil auf dem Karmel“ (18, 1 – 46), bei dem ein Opfer vom jeweiligen Gott selbst entzündet werden soll („Ruft dann den Namen Eures Gottes an, aber entzündet kein Feuer!“ (18,25)). – Von Baal „kam kein Laut, keine Antwort, keine Erhörung“ (18,29), bei Jahwe dagegen „kam das Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer“ (18,38). – Dieses Wunder führt dazu, dass das Volk ruft: „Jahwe ist Gott“ (18,39).
In moderner Exegese würde man wahrscheinlich sagen: Das Volk hat sich "frei entschieden", dass Jahwe Gott ist. - Falsch: Da hat Jahwe gegen Baal 1:0 gewonnen - und das Volk hat gesehen, dass das "Spiel" ent-schieden war (vorher stand es ja 0:0) und hat das zur Kenntnis genommen. - ES war entschieden und diese Entscheidung wurde "erkannt" vom Volk - und deshalb konnte man sagen: "Jahwe ist Gott". - Mit einer eigenen, gar geistig geprägten, also auf innerer Erkenntnis beruhenden, "Entscheidung" im heutigen Sinn hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. - Trotzdem hat der "freie Wille" des Volkes (es hat sie ja keiner dazu gezwungen) es sagen lassen: "Jahwe ist Gott".
Insofern ist der Begriff "freier Wille" begrifflich eine Fahne im Wind der Exegeten - bedeutet vollkommen Unterschiedliches.
Magdalena61 hat geschrieben:Möchtest du sämtlichen Autofahrern, die bei überfrierender Nässe mit unangepasster Geschwindigkeit und möglicherweise noch mit Sommerreifen unterwegs sind, die ins Schleudern geraten und einen schweren Unfall verursachen, in den mehrere Fahrzeuge verwickelt werden,"Unschuld" attestieren
Auf jedem Fall würde ich sie sanktionieren, weil sie die öffentliche Ordnung verletzt haben - vollkommen unabhängig davon, warum es passiert ist. - Das heißt: Öffentlich Sanktion ist NICHT Ausdruck davon, ob jemand etwas für etwas kann, sondern dass die öffentliche Ordnung gestört ist. Nicht umsonst heißt: Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. - Man darf aus Strafe NICHT automatisch schlussfolgern, dass jemand persönlich schuldig ist.
Magdalena61 hat geschrieben:Ich möchte mal wissen, was die Polizei dazu sagen würde, wenn der Unfallverursacher sich mit "mangelnder Erkenntnis" herausreden wollte.
Dann würde der Polizist die Achseln zucken - aber bei Gott ist das anders, weil er kein Polizist zur Wahrung der öffentlichen Ordnung ist, sondern jemand, dem es um persönliche Erkenntnis-Fähigkeit des Menschen geht. - Denn Gott möchte (im Gegensatz zum Paradies) BEWUSST erkannt werden.
Magdalena61 hat geschrieben:Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan.
Na - denke mal an die Geschichte mit dem Propheten aus dem Norden und aus dem Süden Israels (vgl. zu 1. Sam. 13,18). – Dieser Gottesmann, der im göttlichen Auftrag unterwegs ist, hört von einem Propheten, dass ein Engel Gottes ihm aufgetragen habe, ihm eine göttliche Weisung zukommen zu lassen. Im Vertrauen auf diese Gottes-Botschaft revidiert der „Gottesmann aus Juda“ seinen ursprünglichen Gottesauftrag dementsprechend, wird aber deshalb von Gott bestraft, weil der Prophet ihn angelogen hat.
Magdalena61 hat geschrieben:Adam und Eva hatten sicherlich nicht den vollen Überblick über die Folgen ihrer Entscheidung, aber sie kannten das Verbot.
Stimmt - da war irgendwas verboten - was, war eigentlich vollkommen unklar. Sie hatten die Wahl: Gehe ich den Weg des Gehorsams oder der Erkenntnis - ein Scheideweg. - Man kann nur einen Weg davon nehmen.