Hallo Pluto!
Pluto hat geschrieben:Im Ernst.... warum ist in den Evangelien die Rede von einem Kreuz aber in Galater 3,13 von einem Pfahl? Nur ein Übersetzungsfehler, oder ist einer der Texte falsch?
In den Evangelien steht stauros, in Galater 3, 13 steht xylon. Im klassischen Griechisch hatte keines der beiden Worte die Bedeutung "Kreuz", sondern es ging immer um einen Pfahl, Balken, Stamm usw. Bei der Übersetzung eines Werkes von Homer würde sicherlich niemand auf die Idee kommen, stauros mit Kreuz wiederzugeben, weil ein angebrachter Querbalken nicht zur Grundbedeutung dieses Wortes gehört. Laut Wikipedia waren im Alten Orient sowohl Hinrichtungen am Pfahl, als auch am Kreuz üblich. Dabei wird auch die wörtliche Bedeutung von stauros erwähnt:
Die Kreuzigung war eine im Alten Orient und in der Antike verbreitete Hinrichtungsart. Sie entwickelte sich aus dem Hängen, sollte aber anders als dieses die Todesqual möglichst verlängern. Dazu wurde eine Person
an einen aufrechten Pfahl, mit oder ohne Querbalken, gefesselt oder genagelt. [...] Die synoptischen Passionsberichte beschreiben den Hinrichtungsvorgang kaum.
Nach Joh 19,25 EU wurde Jesus an ein σταυÏός (staurós) gehängt. Der Ausdruck bezeichnet im Strafkontext einen aufrecht stehenden, meist angespitzten hölzernen Pfahl als Marterwerkzeug.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzigung
Es war also beides üblich, sowohl das Kreuz, als auch der Pfahl. Die wörtliche Bedeutung von stauros ist "aufrecht stehender Pfahl". Niemand bestreitet, dass das Wort auch (in einem erweiterten Sinne) für hölzerne Konstruktionen (wie ein Kreuz) gebraucht werden konnte. Dann ist es aber nicht das Wort stauros an sich, welches uns sagt, dass von einem Kreuz (oder einer anderen Holzkonstruktion) die Rede ist. Das müsste dann schon aus dem Kontext hervorgehen. Viele sind der Meinung, dass das in den Evangelien bereits der Fall sei, da das Wort ja im Zusammenhang mit einer römischen Exekution gebraucht wird. Man geht davon aus, dass die Hinrichtung an einem Kreuz (oder T-Kreuz) die typischste aller römischen Hinrichtungsmethoden war. Tatsächlich gab es bei den Römern aber gar keine festgelegte Vorgehensweise. Da wurden Gefangene an Pfähle, Kreuze, Gerüste, Bäume befestigt (gebunden, genagelt, gehängt usw.)! Dazu finde ich sehr interessant, zu welchem Schluss der Theologe Gunnar Samuelsson nach der Auswertung zahlreicher griechischer, hebräischer und römischer Texte gekommen ist:
Auch wenn die Verteidiger des christlichen Abendlandes für die Präsenz der Kruzifixe in den Schulen und anderen öffentlichen Orten kämpfen, spricht nichts dafür, dass Jesus tatsächlich gekreuzigt wurde. Das ist zumindest die These des schwedischen Theologen Gunnar Samuelsson, zu der er in seiner 400-seitigen Doktorarbeit "Crucifixion in Antiquity: An Inquiry into the Background of the New Testament Terminology of Crucifixion" an der Universität Göteborg gekommen ist. Die These, dass es sich beim "Kreuz" um einen Pfahl oder einen Stamm gehandelt haben könnte, ist nicht neu, verhärtet sich aber durch die Studie des schwedischen Theologen. Nach der Auswertung von zahlreichen historischen griechischen, römischen und hebräischen Texten von der Zeit Homers bis zum 1. Jahrhundert nach Christi Geburt, hat er festgestellt, wie er auch in einem Interview im Deutschlandradio berichtet, dass dort Kreuzigungen als Strafen kaum zur Sprache kommen, sie auch in der römischen Zeit keine gängige Hinrichtungsmethode gewesen waren, wie vielfach kolportiert wird. In den Quellen, in denen diese Art der Bestrafung vorkommen sollte, finde man dazu nichts, sagt Samuelsson, dafür aber eine Menge von anderen grausamen Methoden. [...] Bei dem im Neuen Testament verwendeten Wort "stauros" (auch xylon) müsse es sich keineswegs um ein Kreuz handeln, sondern
es könne auch ein Stamm, ein Pfahl oder irgendetwas anderes gemeint sein. Auch sonst seien im Neuen Testament die Schilderungen der Kreuzigung sehr spärlich und ungenau. Der Kreuzestod von Christus wurde so nach Samuelsson wohl in die Berichte hineininterpretiert und –imaginiert, auch wenn er die Kreuzigung, deren Bild sich später verbreitet hat und zum zentralen Symbol des Christentums wurde, nicht ausschließen könne.
Quelle:
http://www.heise.de/tp/artikel/32/32853/1.html
Da die Römer die Verurteilten AUCH an Pfähle nagelten, ist es eigentlich naheliegend, die Wörter stauros und xylon in ihren wörtlichsten Bedeutungen zu nehmen.
Pluto hat geschrieben:Warum ist es wichtig?
Für den christlichen Glauben ist es egal (weil es um Jesu Tod, nicht um das Hinrichtungswerkzeug geht), aber für die
Übersetzung der Evangelien ist es wichtig! Das sehen nicht nur die ZJ so, wie die nachfolgenden Übersetzungen von Matthäus 27, 28 zeigen:
Neue Welt Übersetzung 1986
Pilạtus sagte zu ihnen: „Was soll ich denn mit Jesus, dem sogenannten Christus, tun?“ Sie alle sagten: „An den Pfahl mit ihm!“
Konkordantes Neues Testament 1998
Darauf fragte Pilatus sie: "Was soll ich denn mit Jesus machen, der Christus genannt wird?" Sie riefen alle: "Er werde gekreuzigt (wörtl.: angepfahlt)!"
Das Jüdische Neue Testament 1994
Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jeschua, genannt der Messias, tun? Sie alle sagten: Richte ihn hin am Pfahl!
Die Geschriebene (DaBhaR-Übersetzung) 2006
Da sagt der PILA´ TOS zu ihnen: Was daher soll ich dem JESuU´S, dem ChRISTO´S geheißenen, 'tun´? Da sagen sie alle: Er werde 'angepfahlt!
Man kann von diesen Übersetzungen halten was man will, sie sind aus philologischer Sicht genauer, ohne dabei historisch weniger korrekt zu sein...
LG, jk80