Punch hat geschrieben: ↑So 28. Mär 2021, 16:20
sven23 hat geschrieben: ↑So 28. Mär 2021, 16:03
Naqual hat geschrieben: ↑So 28. Mär 2021, 11:23
Nicht ganz. Also wenn wir als Vergleich das Bild der Mona Lisa nehmen und das Strichmännchen eines 7jährigen, dann wird Jesus im NT gezeichnet wie das Strichmännchen. Aber er ist "noch da".
Die Historizität wird heute von kaum einem Neutestamentler bestritten.
Wie und mit welchen historischen Quellenmaterial wird diese Historizität gestützt, oder bewiesen?
Gibt es überhaupt wirklich seriöses Quellenmaterial aus sozusagen erster Hand, dessen Glaubwürdigkeit unbestritten ist, unter Wissenschaftlern.
Da triffst du den wunden Punkt. Außer den biblischen Texten, die ja allesamt schon stark glaubensideologisch kontaminiert sind, haben wir praktisch nichts.
Eine kleine Erwähnung bei Flavius Josephus in einem Nebensatz, und das wars. Bei Paulus, dem eigentlichen Promotor des Christentums, gibt es ebenfalls nichts.
Die Quellenlage ist also extrem dürftig.
Die berechtigte Frage ist also, wie kommt die Forschung dazu, von der Historizität des Wanderpredigers auszugehen? Selbst kirchenferne Theologen wie Lüdemann, der seinen Glauben komplett verloren hat, gehen davon aus, dass es Jesus tatsächlich gegeben hat.
Die Gründe liegen in den menschlichen Schwächen und Irrtümern, die in den Texten, oft zwischen den Zeilen und nebenbei erwähnt, durchscheinen. Und die Versuche, diese Peinlichkeiten später zu korrigieren.
Die Annahme ist also, dass man eine rein literarische Figur nicht mit solchen Geburtsfehlern ausgestattet hätte, die später immer wieder zu Glaubwürdigkeitsproblemen führten, wie man an der Kritik ablesen kann, die Eingang in die Texte gefunden hat.
Einige Punkte hatte ich ja schon einmal aufgeführt. Wenn man von einer rein erfundenen Figur ausgeht, dann muß man z. B. folgende Fragen beantworten:
- Warum wird Jesus in Nazareth geboren und nicht in Bethlehem, wie es die Prophezeiungen vorhersagen?
- Warum werden Stammbäume konstruiert, die nicht zusammen passen?
- Warum läßt er sich von Frauen aushalten und bricht mit seiner Familie?
- Warum lassen die Schreiber ihn als "Fresser und Weinsäufer" bezeichnen?
- Warum verbietet Jesus ausdrücklich die Heidenmissionierung?
- Warum läßt sich Jesus als sündiger Mensch taufen?
- Warum lassen die Schreiber den Glauben an die nahe Gottesherrschaft im Zentrum seiner Verkündigung stehen, obwohl sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum - erwiesen hat?
Der letzte Punkt wiegt natürich am schwersten. Wie kann es sein, das der Sohn Gottes sich in diesem zentralen Punkt seiner Verkündigung derart geirrt hat?
Den Neutestamentler Lindemann veranlaßt das zu der Feststellung, dass der historische Jesus dem verklärten Christus des Glaubens und der Kirche im Wege steht.
Aber wie der Neutestamentler Gerd Theissen zugibt: eine aboslute Sicherheit in puncto Historizität gibt es nicht. Auf Grund der Textquellen hält man es aber für das Wahrscheinlichste.