Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

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lovetrail
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#1 Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von lovetrail » Di 4. Mär 2014, 20:33

Liebes Forum!

Sorry, ich weiß, ich hab' mich lange nicht blicken lassen. :wave:

Aber nun bin ich auf etwas gestoßen, von dem ich euch berichten möchte, weil ich hoffe, dass hier ein fruchtbarer Boden dafür sein könnte.

Mir ist aufgefallen, dass Johannes mit Anfang nicht unmittelbar den Schöpfungsbeginn meinen dürfte, sondern den Beginn des wirkmächtigen Auftretens Jesu Christi:
1.Joh.2,24; Elb. hat geschrieben:Was ihr von Anfang an gehört habt, bleibe in euch! Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben.
1.Joh.2,24: Elb hat geschrieben:Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens - und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist -, (vgl. auch 1.Joh.3,11; 1.Joh.2,7)
Man achte auf die sinnliche Wahrnehmung (sehen, hören, tasten) und die Betonung der Offenbarung.

Auch Lukas verwendet diesen Begriff des Anfangs für den Beginn des Wirkens Jesu:
Lk.1,1-2; Elb. hat geschrieben:Da es nun schon viele unternommen haben, einen Bericht von den Ereignissen zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind,
Auch hier wird wiederum die Zeugenschaft betont, welche umso glaubwürdiger ist, als sie bis zum Anfang zurückreicht.

Und jetzt zum Johannesevangelium:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Dieses war im Anfang bei Gott.
3 Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.
4 In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.


Jesus als das fleischgewordene Wort war da (ist erschienen). So hat die Geschichte mit Jesus angefangen.
Und als dieses Wort (der logos) war er ganz bei Gott (auf Gott hingerichtet), sodass Gott dann auch in ihm war und durch ihn die Welt versöhnt hat. Das Wort war also Gott, sowie Jesus eins mit dem Vater handelt. (Der Vater in ihm und Er im Vater). Und dieser Jesus war schon von Anfang an (von seinem Auftreten an) auf Gott seinen Vater hingerichtet. Und seine Worte waren Leben und Licht für die Menschen. Und die Finsternis (die Mehrheit der Juden) hat den Christus nicht erkannt.

Ungewohnte Lesart?

Johannes öffnet das Tor zum Ur-Anfang der Schöpfung durch das tiefe Hinblicken auf diesen Jesus Christus. Im Erkennen seines engen Bezugs zu Gott blickt er in den Beginn der Schöpfung hinein.
Dies ist also keine metaphysische Spekulation sondern direkte Wesens-Schau am offenbarten Sohn Gottes.

Auch über Heb.1,1ff und Kol.1,15ff ließe sich ähnliches sagen.

lg lovetrail
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lovetrail
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#2 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von lovetrail » Di 4. Mär 2014, 20:53

Oh, auf Vers 3 habe ich vergessen:

Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.

In der Begegnung mit Jesus wurde Johannes offenbart, dass nicht nur er und andere von neuem geboren wurden, also eine neue Schöpfung wurden - sondern dass diese machtvolle Beziehung überhaupt das Leben selbst ist und als solches der Grund und Ursprung alles Gewordenen überhaupt.

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closs
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#3 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von closs » Di 4. Mär 2014, 21:34

lovetrail hat geschrieben:ich hab' mich lange nicht blicken lassen.
Hi, schön Dich wieder mal zu hören.

Verständnisfrage: Dann muss das "wirkmächtigen Auftreten Jesu Christi" logischerweise NACH der Schöpfung gewesen sein - und sicherlich ist damit nicht irgendein Wirken Jesu im AT gemeint sein, sondern das Wirken Jesu zur Zeit der Apostel - nicht wahr?

Das wiese hin auf "den neuen Menschen" - pragmatischerweise wäre zu fragen: "Wie hat sich eigentlich ein normaler, nicht davon Erfasster anders gefühlt?" Wenn man DAS mal rausfinden könnte, wäre das erhellend.

lovetrail hat geschrieben:Ungewohnte Lesart?
Ja - wahrscheinlich. Macht aber Sinn. - Aber ist das so anders in Bezug auf "Am Anfang war das Wort ..."?

Eigentlich soll doch gesagt werden:
* Seit den Urtagen ist "memra"/"logos"/"Wort" (halte ich übrigens immer noch für eine furchtbare Übersetzung) bei Gott.
* Mit Jesus wird "memra"/"logos" zum Teil des Daseins

Ändert sich daran etwas mit Deiner Lesart? - Eigentlich nicht - oder?

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lovetrail
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#4 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von lovetrail » Di 4. Mär 2014, 22:20

closs hat geschrieben:Hi, schön Dich wieder mal zu hören.
Hey Kurt, ich hatte gehofft, dass du noch zugegen bist :-)

Verständnisfrage: Dann muss das "wirkmächtigen Auftreten Jesu Christi" logischerweise NACH der Schöpfung gewesen sein - und sicherlich ist damit nicht irgendein Wirken Jesu im AT gemeint sein, sondern das Wirken Jesu zur Zeit der Apostel - nicht wahr?
Ja. das ist zumindest der phänomenale Ausgangspunkt.

"Wie hat sich eigentlich ein normaler, nicht davon Erfasster anders gefühlt?" Wenn man DAS mal rausfinden könnte, wäre das erhellend.
Naja, er wird sich anders gefühlt haben, spätestens am Tag des Gerichts.

lovetrail hat geschrieben:Ungewohnte Lesart?
Ja - wahrscheinlich. Macht aber Sinn. - Aber ist das so anders in Bezug auf "Am Anfang war das Wort ..."?
Vom Ergebnis ist es nicht wirklich anders, aber vom Betrachtungsweg. Johannes ist eben kein griechischer Philosoph sondern Zeuge des Gehörten und Gesehenen (also Phänomenologe, wenn man so will ;-) )


* Mit Jesus wird "memra"/"logos" zum Teil des Daseins

Ändert sich daran etwas mit Deiner Lesart? - Eigentlich nicht - oder?
Ja von dieser spekulativen Grundlegung wollte ich eben weg, hin zum Ereignis der Ankunft des Wortes. Und von dort zeigt sich erst seit wann es im "Gespräch ist" mit Gott - nämlich von Urzeiten her.

Und dies würde weiters für die Mission bedeuten, dass Christen als Briefe Christi erscheinen sollen -
2.Kor.2,3-4; Elb. hat geschrieben:Unser Brief seid ihr, eingeschrieben in unsere Herzen, erkannt und gelesen von allen Menschen; von euch ist offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, ausgefertigt von uns im Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln, die fleischerne Herzen sind.

Und eschatologisch: Himmel ist dort, wo er im Miteinander erscheint. Ewiges Leben ereignet sich hier und jetzt, oder wird nicht stattfinden.

Nur mal so paar angerissene Gedankenfetzen.

Gute Nacht.

lovetrail
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closs
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#5 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von closs » Di 4. Mär 2014, 22:39

lovetrail hat geschrieben:Himmel ist dort, wo er im Miteinander erscheint.
In meiner berüchtigt allgemeinen, universalen Sichtweise würde dies heißen: Das Überzeitliche offenbart sich im Zeitlichen.

lovetrail hat geschrieben: Ewiges Leben ereignet sich hier und jetzt, oder wird nicht stattfinden.
Das wäre aber eher Erkanntes als Erlebtes - oder?

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#6 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von 2Lena » Mi 5. Mär 2014, 06:55

Hallo lovetrail, deine "Phänomene" hätten bereits zur Römerzeit in Worte gefasst werden sollen!

Cicero, der Redner und bekannt für seine Kunst und Ausdrucksweise hätte es gekonnt.
Unter Mark Aurel, dem Philosoph und Kaiser wärst du niedergemacht worden. Die Historiker hätten Jesus beschrieben.
Und - wo ist das ?

Das Phänomen der so seltsam geschraubten Ausddrucksweise sollte dir auffallen, weil die schließlich einen Sinn hatte. Der erschließt sich in Deutsch nicht, bei dem das Mehrfachlesen bei diesen Begriffen nicht geht.

Johannes im Evangelium beschreib zu Beginn das Thema:
Zuoberst ist das Beste, soll es sein. Ob man immer damit beginnen könne?
Jedenfalls, mit einem Gespräch fängt schon was an ...

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lovetrail
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#7 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von lovetrail » Mi 5. Mär 2014, 08:13

closs hat geschrieben: Das Überzeitliche offenbart sich im Zeitlichen.
Ja.
lovetrail hat geschrieben: Ewiges Leben ereignet sich hier und jetzt, oder wird nicht stattfinden.
Das wäre aber eher Erkanntes als Erlebtes - oder?
Man könnte vielleicht sagen, der jüdische Zugang ist vom Sehen/Erleben zum "Schauen".
Der griechische wäre vom Erkennen zum Erleben.

Paulus "beginnt" ja anders als Johannes. Bei ihm fängt alles mit einem metaphysischen Ereignis an. (Der Herr erschien ihm als Lichtgestalt).

Aber eigentlich wollte ich noch näher am Phänomen bleiben, so wie es Johannes beschreibt.

Man könnte es vergleichen mit dem Anfang einer Liebesgeschichte: "Und angefangen hat es mit einem Blick/Lächeln/einer Geste...." Und bei näherem Hinsehen entpuppen sich diese Dinge als Spiegelungen des Ewigen - sodass Liebende schon mal sagen können: "Du, ich glaube, wir kennen uns schon "ewig" (oder aus "früherem Leben")

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#8 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von lovetrail » Mi 5. Mär 2014, 08:22

2Lena hat geschrieben: Johannes im Evangelium beschreib zu Beginn das Thema:
Zuoberst ist das Beste, soll es sein. Ob man immer damit beginnen könne?
Jedenfalls, mit einem Gespräch fängt schon was an ...
Hallo 2Lena!

Es fängt ja schon gut an: Johannes der Täufer zeigt auf Jesus und sagt: Dieser ist das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt hinwegnimmt. ZACK! Damit ist alles gesagt. Anfang und Ende. Und Jesus hat noch gar nichts gemacht, ist einfach nur vorübergegangen.
Ich frage mich, woran JOhannes der Täufer das erkannt hat. Später war er sich da nicht mehr so sicher, obwohl Jesus viele Wunder getan hat. Irgendetwas muss Johannes der Täufer gesehen haben, und dieses etwas muss sinnlich erschienen sein. Die Juden fordern nämlich Zeichen. Die Griechen Weisheit.

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#9 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von lovetrail » Mi 5. Mär 2014, 14:02

Hallo, wie gehts euch? 8-) Premiere.mein erstes posting mit android.
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#10 Re: Johannes-Prolog - phänomenologische Lesart

Beitrag von 2Lena » Mi 5. Mär 2014, 17:44

Johannes der Täufer zeigt auf Jesus und sagt: Dieser ist das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt hinwegnimmt. ZACK! Damit ist alles gesagt. Anfang und Ende. Und Jesus hat noch gar nichts gemacht, ist einfach nur vorübergegangen.
Gute Frage Lovetrail!
Sie ist schwer zu beantworten, wenn du die Bibel historisch nimmst. Da sieht es zwar einfach aus, ein Mann tauft im Jordan und wegen dem Tanz einer Frau wird er einen Kopf kürzer gemacht. Solltest du mal die jüdische Geschichte studieren, so triffst du auf eine Vielzahl ähnlicher Schicksale, aber was nehmen?

Die sprachliche Aufschlüsselung ist eine andere Angelegenheit. Wie du bei "Limburg" in heutiger Zeit nicht nur an guten Käse denkst, kommt dir eine schöne Stadt in den Sinn, eine rollende Badewanne bei den Rosenmontagszügen, um nur ein Beispiel zu nennen.

Johannes hat mit dem Begriff "Gefallen haben" zu tun. Die Philosophie ging um dieses Thema. Eintauchen in Gefallen (Joh. der Täufer). Anvisiert wird die "Erlösung" und man meint: "dies ist'", ihr Bestes! Davon gehen die Sünden weg.

Würdest du jedoch Lamm Gottes auf die Offenbarung kombinieren, dann wäre das Lamm am Ort der Qual und es wäre nichts mit dem lieblichen "bei Jesus" sein in alle Ewigkeit.

Deshalb (bitte) nicht -untereinander vergleichen- sondern 1Kapitel durchgehen ...
damit die Lehre herauskommt!

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