Rechte Wange, linke Wange

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AlTheKingBundy
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#1 Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von AlTheKingBundy » Fr 25. Mai 2018, 12:51

Ich habe das Thema mal abgetrennt. Es dreht sich um:

Mat 5,39: Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn jemand dich auf deine rechte Backe schlagen wird, dem biete auch die andere dar;

Sagt Jesus hier, dass man sich verprügeln lassen soll, so wie es einige verstehen? Ich denke nicht. Damals wie heute waren die meisten Menschen Rechtshänder. Wer also mit der rechten Hand die rechte Backe trifft, tut dies mit dem Handrücken. Dies wurde damals als Provokation (z.B. Schlag mit dem Handschuh) verstanden und nicht als tätlicher Angriff.
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879-1955)

Ruth
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#2 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von Ruth » Fr 25. Mai 2018, 14:51

Ich denke, auch dies ist ein Text, der nur im Kontext verstanden werden kann. Es geht hierbei nicht um das Schlagen oder Gewalt hinzunehmen, sondern wie man seinem Gegenüber begegnet.
In dem fortlaufenden Text geht es auch darum, dass man dem, der etwas von 'mir' erbittet Aufmerksamkeit schenkt - im quasi in die Augen schaut, seine Bedürfnisse ernst nimmt, sich selbst mal zurücknimmt. Das Geben soll nicht gönnerhaft von oben herab stattfinden, vielleicht auch mal mehr, als das, wovon wir ohnehin zu viel haben, sondern den Menschen wertschätzend und auf Augenhöhe.

So auch die Begegnung mit dem Feind. Nicht der Schlag auf die Backe ist hier wichtig, sondern der Mensch, der den Schlag austeilt. Wenn man nicht einfach Gleiches mit Gleichem vergilt, weil man sich rächen will, sondern sich dem 'Feind' zuwendet und ihn ernst nimmt, vielleicht mit ihm redet und schaut, was ihn dazu bewogen hat, zu schlagen, dann würde wahrscheinlich so mancher 'Feind' erst einmal verwundert sein und innehalten. Das könnte ein Weg sein, um die Feindschaft zu besiegen - irgendwie.

closs
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#3 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von closs » Fr 25. Mai 2018, 16:17

AlTheKingBundy hat geschrieben:Sagt Jesus hier, dass man sich verprügeln lassen soll, so wie es einige verstehen? Ich denke nicht. Damals wie heute waren die meisten Menschen Rechtshänder. Wer also mit der rechten Hand die rechte Backe trifft, tut dies mit dem Handrücken.
;) - Es wäre zu prüfen, ob das mit folgender Stelle zusammenhängt:

MAtth. 26,
52 Da sprach Jesus zu ihm; Stecke dein Schwert an seinen Ort! denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.
53 Oder meinst du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?…


Ruth hat geschrieben:Ich denke, auch dies ist ein Text, der nur im Kontext verstanden werden kann. Es geht hierbei nicht um das Schlagen oder Gewalt hinzunehmen, sondern wie man seinem Gegenüber begegnet.
Davon abgesehen, dass der Mensch überfordert ist, "die andere Wange hinzuhalten": Das kann schon wörtlich gemeint sein - im Sinne von: "Was habe ich als Christ schon zu befürchten? Der Tod ist für mich kein Beinbruch".

Ich fände es besser, diese Stelle wörtlich zu verstehen und sich einzugestehen, dass man ihr nicht gerecht werden kann, als Ausreden daraus zu rekrutieren, die die Sache auf den Kopf stellen.

Kennt Ihr die "Ainmal Farm"? Da ist auch so eine Szene, in der "die SChweine" die Gesetze umbauen, indem sie "Du sollst nicht töten" verändern in "Du sollst nicht töten, außer ...." --- und dann kommt eine lange Liste.

thomas4
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#4 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von thomas4 » Fr 25. Mai 2018, 18:32

Ich denke, es geht im Beispiel um einem Feind, der mir Übles will aus persönlichen Gründen und mich schlägt (beleidigt, kränkt). Das Schlagen wird hier m.E. deutlich als persönlicher Angriff, vergleichbar auch einer verbalen Beleidigung, betrachtet und da kann ich schon auch meine andere Wange hinhalten - oder statt etwas zu entgegnen, einfach schweigen. Etwas anderes ist es, wenn es denn wirklich ans Leben bzw. die Unversehrtheit meiner Familie oder mir geht. Da ist es mit der "anderen Wange" nicht getan.

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Andreas
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#5 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von Andreas » Fr 25. Mai 2018, 18:57

Damals aktuell und vordergründig geht es in diesem Text um die Römischen Besatzer. Jeder Römer konnte einen Juden zwingen, ihm eine Last eine Meile weit zu tragen. So kam auch jener Mensch zu der Ehre Jesus das Kreuz zu tragen:
Mt 27,32 hat geschrieben:Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon; ihn zwangen sie, Jesus das Kreuz zu tragen.
Die unten erwähnten Zöllner waren verhasst. Sie galten als Kollaborateure weil sie für die Römer die Zölle eintrieben.

Mt 5,38-48 hat geschrieben:Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.
Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.
Tiefergründig geht es um Frieden stiftende Deeskalationsstrategien. Hätten sich die Juden das zu Herzen genommen und nicht auf Eskalation gesetzt, stünde der Tempel womöglich heute noch.
Zuletzt geändert von Andreas am Fr 25. Mai 2018, 19:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Andreas
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#6 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von Andreas » Fr 25. Mai 2018, 19:09

Wenn man noch tiefer gräbt, landet man bei einem der Ursprünge des jesuanischen Doppelgebotes:
Lev 19,18 hat geschrieben:An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.
Nur ein paar wenige Verse weiter, steht aber eben auch das Folgende:
Lev 19,33-34 hat geschrieben:Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.
Letzteres wird leider oft unterschlagen.

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Andreas
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#7 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von Andreas » Fr 25. Mai 2018, 19:53

Naher Kontext aus der Bergpredigt:
Mt 5,5 hat geschrieben:Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Mt 5,8-9 hat geschrieben:Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.

Maryam
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#8 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von Maryam » Fr 25. Mai 2018, 20:37

AlTheKingBundy hat geschrieben:Ich habe das Thema mal abgetrennt. Es dreht sich um:

Mat 5,39: Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn jemand dich auf deine rechte Backe schlagen wird, dem biete auch die andere dar;

Sagt Jesus hier, dass man sich verprügeln lassen soll, so wie es einige verstehen? Ich denke nicht. Damals wie heute waren die meisten Menschen Rechtshänder. Wer also mit der rechten Hand die rechte Backe trifft, tut dies mit dem Handrücken. Dies wurde damals als Provokation (z.B. Schlag mit dem Handschuh) verstanden und nicht als tätlicher Angriff.

Hallo Al

Du sollst nicht Böses mit Bösem vergelten, trifft meines Erachtens den Sinn dieser Worte Jesu. Die andere Wange hinhalten bedeutet für mich auch, auf verbale Provokationen nicht gleichermassen zu reagieren, sondern Ruhe zu bewahren. Wer wütend ist oder gemacht werden kann läuft ja Gefahr sich dem Teufel untertänig zu machen.

lg Maryam

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AlTheKingBundy
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#9 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von AlTheKingBundy » Fr 25. Mai 2018, 20:41

Hallo Maryam, ich denke auch: hier ist gemeint, dass man auf Provokatinen nicht eingehen soll.
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879-1955)

JackSparrow
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#10 Re: Rechte Wange, linke Wange

Beitrag von JackSparrow » Fr 25. Mai 2018, 21:11

AlTheKingBundy hat geschrieben:Hallo Maryam, ich denke auch: hier ist gemeint, dass man auf Provokatinen nicht eingehen soll.
Und zwar weder auf verbale Provokationen (zum Beispiel wenn jemand deinen Mantel von dir fordert) noch auf körperliche Provokationen (zum Beispiel wenn dich jemand auf die Wange schlägt).

Denn so spricht das liebe Jesulein: Hasse deine Familie und hasse dein eigenes Leben, aber liebe deine Feinde mehr als deine Freunde, denn welchen Lohn kannst du im Himmelreich erwarten, wenn du nur die liebst, die dich ebenfalls lieben?

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