Was ist Zeit?

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Savonlinna
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#11 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 10:33

ThomasM hat geschrieben:Hallo Savonlinna
Hallo Thomas!

ThomasM hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ich habe die größten Schwierigkeiten, zu verstehen, auf welche Weise hier mitunter über "Zeit" gesprochen wird.

Was bedeutet dieses Wort denn überhaupt?
Nehme ich meine fünf Sinne zusammen, sehe ich Veränderung. Was "Veränderung" ist, kann ich beschreiben. Der Baum vor meinem Fenster ist fast kahl, aber er hatte noch vor kurzem bunte Blätter. Ich nehme also Wandel wahr.
...
"Zeit" entpuppt sich also für mich als ein praktischer Begriff, der letztlich nur die Tatsache meinen kann, dass für unsere Augen und Ohren sich ohne Unterlass alles verändert.
Mag sein, dass das einige auch so gemeint haben, aber ich habe nicht selten den Eindruck, als ob "Zeit" als eine existierende Größe angesehen wird, von der man fragen kann, wann sie begonnen hat, und wo man vergisst, dass wir die Uhr selber erfunden haben, um die Veränderungen zu gliedern.
...
"Zeitlosigkeit" und "Ewigkeit" sind darum für mich erst einfach nur Begriffe, die die Sprache notwendig bilden muss, weil alles einen Gegenbegriff hat, gemäß des Sprachsystems, das auf unserer begrifflichen Denkfunktion basiert.
...
Da ich aber "Zeit" als Begriff für einen ungedeckten Scheck halte, wie oben gezeigt, sondern lieber von Veränderung sprechen möchte, nimmt, nach meiner Beobachtung, der innere Sinn - oder ein Teil des inneren Sinnes - gar nicht in Form von Veränderung wahr, sondern in Form von Beziehung, Struktur.
Deine Darlegungen sind sehr tiefgehend. Sie entsprechen den Versuchen der Physiker, die ein Modell der Entstehung des Universums zu entwerfen, das ohne Zeit auskommt.
Das würde ich gerne nachlesen. In welchen Bereich der Physik gehören diese Versuche der Physiker?

ThomasM hat geschrieben:Ich gebe das Bild einmal in meinen Worten wieder.
Das Sein ist eine gesetzte, unveränderliche, statische Struktur. In dieser Struktur sind alle Zustände des Universums (und des Himmels und der Hölle ...) enthalten. Wie bei einem Bild, das statisch dasteht und verschiedene Teile hat.
Diese Teile sind miteinander in Beziehung, wie kleine Pfeile, die von einem Zustand auf einen anderen zeigt. Aber auch diese Pfeile sind statisch. In dem Gesamtbild sind alle Situationen und alle Beziehungen, alle Zeiten auf ein Mal enthalten.
Hältst Du es für möglich, dass dieses Modell angeregt worden ist von inneren Wahrnehmungen mancher Meditierender?
Aurobindo - kein mystifizierender Typ, eher ein Denkertyp, der aber fast sein Leben lang meditiert hat - beschreibt eine Wahrnehmung fast genauso, wie Du es eben dargelegt hast, genau mit diesem unveranderlichen und starren Sein. So lag das Sein während einer Meditation vor ihm.
Mir selber ist das allerdings fremd. Trotzdem fällt die fast ganz gleiche Wortwahl auf zu dem, was Du geschrieben hast.

ThomasM hat geschrieben:Die Grundidee ist, dass wenn man sich in eine dieser Bilder hineinbegibt, in eine der Zustände, die Beziehungen dazu führen, dass der Eindruck der Zeit entsteht. Die Physiker gehen da noch etwas allgemeiner ran, indem sie pro Zustand nicht nur einen Pfeil haben, sondern viele, die mögliche Verbindungen aufzeigen und beim Erleben wird eine der Möglichkeiten real.
Das ist wirklich faszinierend. Und das entspricht wieder meiner eigenen - inneren - Wahrnehmung: Zeitlicher Ablauf - dokumentiert durch die Uhr - ist nur eine Wahrnehmungsform von anderen Zusammenhängen.

ThomasM hat geschrieben:Diese Idee krankt bislang an einem Grundproblem.
Wie taucht man hinein, wie kann die Transformation von Statik in Dynamik gelingen?
Für die Physik kann ich das nicht beantworten. Für die Anthropologie wäre das zumindest leichter beschreibbar. Mit dem Menschen sind zwei unterschiedliche Wahrnehmungsformen geschaffen.
Oder besser ausgedrückt: mit dem Menschen ist eine neue Komponente der Wahrnehmung entstanden, die letztendlich in die geschichtliche Wahrnehmung mündet.

Der Oberbegriff für beide Wahrnehmungsformen ist für mich nicht die Naturwissenschaft.

ThomasM hat geschrieben:In unserer Diskussion wäre zu fragen: Was ist Geist oder gar Gottes Geist in diesem Bild.
Möglicherweise gerade da, wovon Du sagst, dass das Modell an einem Grundproblem krankt.
Dieses Grundproblem scheint ja die Transformation von einer Ebene zu einer anderen zu sein. Was soviel heißt wie: die schöpferische Kraft der Transformation ist physikalisch nicht erklärbar - vielleicht nicht einmal beschreibbar.

"Geist" hat für mich immer etwas mit Tranfsformation oder Transzendieren zu tun. Also mit Schöpferischem.

Die strukturalistsche Sprachwissenschaft inklusive der Generativen Grammatik - Teil oder Weiterentwicklung der strukturalistischen Sprachwissenschaft - hat Modelle entwickelt, wie aus der Struktur der Sprache der aktuelle Sprechakt entsteht. Dazu müssen die Humanwissenschaften hinzugezogen werden, u.a. die Kulturwissenschaften.

Kleiner Hinweis: Der Wikipedia-Artikel "Generative Grammatik" lenkt in ein völlig falsches Fahrwasser.

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