Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

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Andreas
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#41 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Andreas » Do 10. Sep 2015, 17:17

Savonlinna hat geschrieben:Aber nimm doch einfach die Musik. Sie läuft in der Zeit ab, aber alle einzelnen Teile des Gehörten sind in einem anderen Zusammenhang als dem "Vorher" und "Nachher".
Das bringt mich auf eine Idee, für ein anschauliches Beispiel für die Überzeitlichkeit.

Die Überzeitlichkeit entspräche der Idee des Komponisten für eine Symphonie, die er in einer Paritur festgehalten hat. Er überblickt die gesamte Symphonie, von ihrem Anfang bis an ihr Ende.
Im Konzertsaal dirigiert er nun sein Werk Takt für Takt und das Publikum erlebt die Musik im Gewand der Zeitlichkeit.

closs
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#42 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von closs » Do 10. Sep 2015, 18:44

Savonlinna hat geschrieben:Dann aber realisierte ich, dass ICH ALS MENSCH ebenfalls ständig Nichtzeitliches sah.
Das verstehe ich - trotzdem findet dieses Sehen in der Zeit ab, weil wir in dem Koordinatensystem des Daseins wahrnehmen.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn wir nicht wüssten, was Überzeitlichkeit ist, kämen wir ja gar nicht auf die Idee, davon zu reden.
"Wissen" tun wir es nicht (zumindest ich nicht). - Es ist dagegen aus meiner Sicht zweierlei:
1) Ein Empfinden
2) Eine dialektische Schlussfolgerung aus dem Status Quo.

Savonlinna hat geschrieben:Eine Stunde unter starken Schmerzen ist sehr viel länger als eine Stunde zusammen mit einem geliebten Menschen.
Habe ich auch mal erlebt: Als ich nach einer Kopf-OP im Krankenhaus lag, habe ich in meinem Dusel auf die Uhr geguckt - 2 Minuten nach 3 - und nach gefühlten 4 Stunden nochmals - und da war es 4 Minuten nach 4. - komischerweise war mir nicht langweilig.

Savonlinna hat geschrieben:In der Natur gibt es keine Zentimeter und keine Stunde.
Das nicht - aber es gibt Prozesse - Entwicklung. - Und Entwicklung bedarf der Zeit, auch wenn man keine Uhr hat.

Ich glaube tatsächlich, dass das, was man (durchaus mystisch) in der RKK "Visio Beatifica" ("beseligende Schau") nennt, entwicklungs-FREI ist. - Das wäre dann wirklich etwas ganz anderes - aber es gibt Momente, in denen man ganz ansatzweise spürt, was es bedeuten könnte.

ThomasM hat geschrieben:Es gibt auch ganz gute Gründe, warum Überzeitlichkeit logisch in sich widersprüchlich ist. Daher ist es schon die Frage, ob man diese Abstraktion machen darf.
Dialektisch im Sinne der "Aufhebung" meine ich, dass es widerspruchsfrei geht - das müsste man genauer untersuchen.

Für das Thread-Thema wäre das Ergebnis wichtig - denn die Frage, ob Gott in seinen Handlungen willkürlich ist, ist nur möglich, wenn man eine feste Vorstellung in Bezug auf "Zeit" und "Fügung" hat. - Die Antwort wird - eine kecke Vorausssage - sein, dass sich diese Frage erübrigt.

ThomasM hat geschrieben:Physikalisch ist die Zeit eine inhärente Eigenschaft unseres Universums. Die natürlichen Abläufe definieren diese.
Da gehört die Zeit auch hin - das passt.

Andreas hat geschrieben:Die Überzeitlichkeit entspräche der Idee des Komponisten für eine Symphonie, die er in einer Paritur festgehalten hat. Er überblickt die gesamte Symphonie, von ihrem Anfang bis an ihr Ende.
Im Konzertsaal dirigiert er nun sein Werk Takt für Takt und das Publikum erlebt die Musik im Gewand der Zeitlichkeit.
Das ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel - allerdings immer noch im Rahmen menschlicher Vorstellung - aber anders geht's ja auch nicht.

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Savonlinna
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#43 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Sep 2015, 20:46

Andreas hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber nimm doch einfach die Musik. Sie läuft in der Zeit ab, aber alle einzelnen Teile des Gehörten sind in einem anderen Zusammenhang als dem "Vorher" und "Nachher".
Das bringt mich auf eine Idee, für ein anschauliches Beispiel für die Überzeitlichkeit.

Die Überzeitlichkeit entspräche der Idee des Komponisten für eine Symphonie, die er in einer Paritur festgehalten hat. Er überblickt die gesamte Symphonie, von ihrem Anfang bis an ihr Ende.
Im Konzertsaal dirigiert er nun sein Werk Takt für Takt und das Publikum erlebt die Musik im Gewand der Zeitlichkeit.
So in ETWA meinte ich das.
Nur hat Thomas Recht: "Überzeitlichkeit ist ein Abstraktum und als solches eine reine Kopfgeburt.
Es hat auch nichts mit "über" zu tun.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Dann aber realisierte ich, dass ICH ALS MENSCH ebenfalls ständig Nichtzeitliches sah.
Das verstehe ich - trotzdem findet dieses Sehen in der Zeit ab, weil wir in dem Koordinatensystem des Daseins wahrnehmen.
Es findet NICHT in der Zeit statt. Das ist ein aufgepropftes Denken, das Überstülpen eines Rasters.
Oder deutlicher ausgedrückt: Alles und jedes kann unter dem Aspekt der Zeit und unter dem Aspekt der Nicht-Zeit betrachtet werden.
Unter dem Aspekt der Nicht-Zeit hat alles eine andere Funktion, steht in anderen Bezügen als in dem des "Vorher-Nachher".

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:In der Natur gibt es keine Zentimeter und keine Stunde.
Das nicht - aber es gibt Prozesse - Entwicklung. - Und Entwicklung bedarf der Zeit, auch wenn man keine Uhr hat.
Entwicklung BEDARF nicht der Zeit, aber wir nehmen sie - meist - als zeitlich wahr.

closs hat geschrieben:Ich glaube tatsächlich, dass das, was man (durchaus mystisch) in der RKK "Visio Beatifica" ("beseligende Schau") nennt, entwicklungs-FREI ist. - Das wäre dann wirklich etwas ganz anderes - aber es gibt Momente, in denen man ganz ansatzweise spürt, was es bedeuten könnte.
Wieso wäre das etwas ganz Anderes? Davon rede ich doch die ganze Zeit.

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#44 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von closs » Do 10. Sep 2015, 21:41

Savonlinna hat geschrieben:Oder deutlicher ausgedrückt: Alles und jedes kann unter dem Aspekt der Zeit und unter dem Aspekt der Nicht-Zeit betrachtet werden.
Da wiederum sind wir uns einig - es gibt auch viele physikalischen Formeln ohne "t", die zeit-los gültig sind.

Savonlinna hat geschrieben:Entwicklung BEDARF nicht der Zeit, aber wir nehmen sie - meist - als zeitlich wahr.
Hier wären wir unterschiedlicher Meinung. - Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es nur deshalb Zeit gibt, weil Entwicklung nötig ist.

Savonlinna hat geschrieben:Wieso wäre das etwas ganz Anderes? Davon rede ich doch die ganze Zeit.
Meine Assoziation von Benennung (hier: "Über-Zeitlichkeit") und Inhalt ist unterschiedlich. - Erst wenn Du beschreibst, verstehe ich nach und nach, was Du meinst.

Pluto
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#45 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Pluto » Do 10. Sep 2015, 21:54

closs hat geschrieben: Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es nur deshalb Zeit gibt, weil Entwicklung nötig ist.
:thumbup:
Zeit gibt es, weil es Abfolgen von Ereignissen gibt.
Entwicklung ist Wandel und jeder Wandel braucht Ereignisse und somit auch Zeit.
Wie wir Menschen die Zeit unterteilen... in Jahre, Tage, Stunden usw. ist allerdings rein willkürlich.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#46 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Sep 2015, 22:07

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Oder deutlicher ausgedrückt: Alles und jedes kann unter dem Aspekt der Zeit und unter dem Aspekt der Nicht-Zeit betrachtet werden.
Da wiederum sind wir uns einig - es gibt auch viele physikalischen Formeln ohne "t", die zeit-los gültig sind.
Wir sind uns da wahrscheinlich nicht einig.
Ich kann es aber nicht vermitteln. "Zeitlos-gülitg" war nicht das, was ich meinte.
Aber vielleicht verstehe ich zu wenig von Physik, um zu verstehen, was Du meintest.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Entwicklung BEDARF nicht der Zeit, aber wir nehmen sie - meist - als zeitlich wahr.
Hier wären wir unterschiedlicher Meinung. - Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es nur deshalb Zeit gibt, weil Entwicklung nötig ist.
Ich kann nicht dafür, dass ich an Deinen "Zeit"-Begriff nicht glaube.
Manche meinen, vielleicht auch Du, dass da, wo Veränderung ist, auch Zeit ist.
Aber es sind zwei verschiedene Dinge.
Man ist von klein auf gewohnt, das als identisch anzusehen. Erst allmählich trennt sich das im Bewusstsein, im Erkennen oder Verstehen.

Nimm ein Motiv in einer Sinfonie. Es "entwickelt sich", ja, und es kann eine halbe Stunde dauern, bis wir die Entwicklung akustisch bis ans Ende nachvollzogen haben.

Aber es entwickelt sich doch nicht im Ernst "zeitlich?" Es entwickelt sich - verflixt, wie vermeide ich jetzt das Wort "geistig"?
Die Entwicklung eines Motivs ist weder zeitlich noch zeitlos noch überzeitlich.
Es hat mit Zeit überhaupt nichts zu tun.
Es geht eher in Richtung "strukturell", oder in Richtung "Beziehung".

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#47 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Pluto » Do 10. Sep 2015, 22:12

Savonlinna hat geschrieben:Manche meinen, vielleicht auch Du, dass da, wo Veränderung ist, auch Zeit ist.
Es ist wohl eher umgekehrt...
Wo Zeit ist, ist auch Wandel und Entwicklung.

Nimm ein Motiv in einer Sinfonie. Es "entwickelt sich", ja, und es kann eine halbe Stunde dauern, bis wir die Entwicklung akustisch bis ans Ende nachvollzogen haben.
Sehe ich nicht so, denn das ist eine ganz andere Art von "Entwicklung".

Der Komponist braucht Zeit um zu komponieren.
Aber einmal fertig, ist die Symphonie (auf Notenblättern) festgeschrieben.
Interpretationen und Variationen sind dann natürlich möglich, aber auch diese brauchen Zeit.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#48 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von closs » Do 10. Sep 2015, 22:48

Savonlinna hat geschrieben:Aber vielleicht verstehe ich zu wenig von Physik, um zu verstehen, was Du meintest.
Naja - ein Physik-Guru bin ich wahrhaftig nicht - aber ich meine, dass es physikalische Formeln gibt, die weder direkt (t) noch indirekt (v) die Zeit beinhalten.

Savonlinna hat geschrieben:Aber es entwickelt sich doch nicht im Ernst "zeitlich?"
Die Zeit hat nichts mit dem Inhalt der Entwicklung zu tun - genauso wenig, wie der Motor eines Autos mit dem Ziel des Fahrers zu tun hat, das er ansteuert. - Aber die Zeit/das Auto wird gebraucht.

Savonlinna hat geschrieben:Es hat mit Zeit überhaupt nichts zu tun.
Genuin hat es nichts damit zu tun - als Transportmittel wird es gebraucht.

Savonlinna hat geschrieben:Es geht eher in Richtung "strukturell", oder in Richtung "Beziehung".
Das wäre der Inhalt, aber nicht das Transportmittel.

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Savonlinna
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#49 Re: Ist Gott in seinen Handlungen willkürlich?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Sep 2015, 23:26

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber es entwickelt sich doch nicht im Ernst "zeitlich?"
Die Zeit hat nichts mit dem Inhalt der Entwicklung zu tun - genauso wenig, wie der Motor eines Autos mit dem Ziel des Fahrers zu tun hat, das er ansteuert. - Aber die Zeit/das Auto wird gebraucht.

Savonlinna hat geschrieben:Es hat mit Zeit überhaupt nichts zu tun.
Genuin hat es nichts damit zu tun - als Transportmittel wird es gebraucht.

Savonlinna hat geschrieben:Es geht eher in Richtung "strukturell", oder in Richtung "Beziehung".
Das wäre der Inhalt, aber nicht das Transportmittel.
Alles gut, closs.
Ich sprach von ganz etwas anderem, aber egal.

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