AlTheKingBundy hat geschrieben: ↑Mo 16. Dez 2019, 15:42
Das habe ich auch noch nie verstanden, was Christen gegen den Humanismus haben. Dieser resultiert doch quasi aus dem Christentum oder anders formuliert, das (biblische) Christentum könnte die Axiome des Humanismus bilden. Vielleicht verstehen Christen den Humanismus als weltliche Konkurrenzlehre, watt für a Plödzinn.
Eher spontane Eindrücke hierzu:
Ich denke nicht, dass "Christen" gegen den Humanismus sind, sondern - gerade in der Foren-Welt - besonders spezielle Christen, die ihre eigenen ausgefeilten religiösen Ideologien insbesondere dazu herzunehmen um sich von anderen abzugrenzen und abzusetzen. So eine Art "religiös-elitäres Wunschdenken".
Der Humanismus ist aus der westlichen (und christlichen) Ideenwelt heraus entstanden. Nicht aus anderen fernen Kulturen.
Zum Entstehungszeitpunkts des Humanismus gab es andere Probleme: der einzelne galt wenig, der Staat alles. Auch und gerade der Autoritäre Staat. Besonders auch viele Christen fanden den Humanismus nun durchaus attraktiv insbesondere in seiner politischen Anwendung und Verwirklichung christlicher Ideale. Die Amtskirchen weniger, da schien es eher energische Skepsis gegegeben zu haben. M.E. ganz natürlich, denn das zugrundliegende Denken der Herrschenden und ihrer Vertreter war damals zentralistisch und übermäßig obrigkeitstreu. Der Einzelne zählt in diesem Denken nichts und hat sich dem Staat und/oder der kirchlichen Gemeinschaft unterzuordnen. Die umgesetzten Staatsformen aus dem humanistischen Denken heraus sind jedoch die pluralistischen Demokratien. Die in Vielfalt eine Balance zwischen den Individuen und dem Staat anstreben.
Besonders Christen, für die die Bibel wörtlich von Gott diktiert (bzw. "fehlerfrei" ist) wird's dann natürlich ein wenig eng im Spannungsfeld zumindest zwischen dem AT und dem Humanismus. Die politischen Mittel des antiken jüdischen Volkes haben nämlich mit dem Humanismus schlicht nichts zu tun (genauso wie in anderen Ländern der Zeit). - Auch wenn hier bereits viele staatlichen Verbesserungen gegenüber manche andere umliegende Staaten zu der Zeit eingebaut sind (z.B. Schutzrechte für Sklaven gegen lebensgefährliche Bedrohungun durch den Halter).
Wobei wir heute das umgekehrte gesellschaftliche Problem haben wie zur Entstehungszeit des Humanismus. Heute gibt es erheblich zuviel Individualismus auf Kosten des Denkens in und für Gemeinschaften, deren Teil man eigentlich ist. (Hier setzt als Gegenbewegung - wenn auch auf schadhafte Weise - der Rechtspopulismus an: z.B. "Amerika First" oder Johnsons Vorstellungen zum Brexit. Dahinter liegt schlicht der Gedanke sich selbst besser als Teil einer möglichst begnadeten Gesamtgesellschaft zu betrachten, die mühelos auf Kosten anderer agieren darf, da dieser Gruppenegoismus als natürlich und lebensnotwendig betrachtet wird.)
Der weiter vorne vorhandene Exkurs mit Erbreich über die ewige Verdammnis gehört auch dazu. Die Vorstellung von einer ewigen Verdammnis ist schlicht nicht humanistisch. Hier ist ein unbewusstes psychologisches Spannungsfeld in vielen Gläubigen vorhanden mit erheblichem Verdrängungsaufwand.
Ein hinduistischer Denker (mir ist der Name gerade entfallen, denke es war Vivekananda oder so) hatte es auf den Punkt gebracht, da er hier freier denken kann ohne die entsprechende europäisch-religiöse Sozialisierung: "Was soll das für ein barmherziger Gott sein, der endliche Sünde mit unendlicher Strafe belegt?" Philosopisch gesehen ist sein Argument genial in aller Kürze.