Warum läßt Gott so viel Leid zu?

barbara
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#1121 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von barbara » Sa 12. Jul 2014, 09:41

sven23 hat geschrieben: Das impliziert ja, daß die Texte komplett falsch übersetzt oder interpretiert wären.

Hebräisch ist sehr komplex und vielschichtig - bei einer Übersetzung, egal wei gut sie ist, geht notwendigerweise jede Menge verloren. Ich hab einen Kommentar über die ersten vier Kapitel der Genesis, der in der Bibel ungefähr vier Seiten Text ausmacht - das Buch ist in zwei Bänden erschienen, von denen jeder 200-300 Seiten hat und jedes einzelne Wort auseinander nimmt. Wobei auch dieses Buch erläutert, selbstverständlich noch längst nicht die ganze Tiefe und Bedeutungsvielfalt des Textes ausgeschöpft zu haben.


Dabei sollte man eins nie vergessen: ein Massenmord bleibt ein Massenmord, egal ob auf hebräisch, griechisch, latein oder deutsch.


und man sollte auch nicht vergessen: das Schreiben über Massenmord ist kein Aufruf zu Massenmord. Wenn in Geschichtsbüchern über KZs berichtet wird, so ist das kein Aufruf, selbst ein KZ einzurichten.


Schwierigkeiten kommen von ganz alleine, dazu braucht es keine Religion und keinen Gott oder Teufel.
Aber Religionen haben meist die Schwierigkeiten vergrößert oder sie selbst herbeigeführt. Und der closssche Fügungsgott wäre der Troublemaker Nr. 1.

Wahr ist auch, dass Religionen den Menschen viele Werkzeuge zur Verfügung gestellt haben, wie man mit Schwierigkeiten konstruktiv umgeht und das Beste daraus macht.

Ich halte es nicht für Zufall, dass unsere Zeit relativ arm an Religion in organisierter Form ist, andererseits reich an Psychopharmaka - weil Leute offenbar nicht wissen, auf welche andere Weisen sie ihren inneren Frieden finden können, als durch eine Pille.

gruss, barbara

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sven23
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#1122 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von sven23 » Sa 12. Jul 2014, 09:48

barbara hat geschrieben:
Hebräisch ist sehr komplex und vielschichtig - bei einer Übersetzung, egal wei gut sie ist, geht notwendigerweise jede Menge verloren.

Das gilt für fast alle Übertragungen in eine andere Sprache. Aber am Massenmord der Sintflut z. B. ändert es doch nichts fundamental und auch nicht an den vielen Aufrufen zu Mord und Totschlag.

barbara hat geschrieben: Ich halte es nicht für Zufall, dass unsere Zeit relativ arm an Religion in organisierter Form ist, andererseits reich an Psychopharmaka - weil Leute offenbar nicht wissen, auf welche andere Weisen sie ihren inneren Frieden finden können, als durch eine Pille.

gruss, barbara

Könnte aber auch ein Ausdruck von Überforderung durch die Leistungsgesellschaft und Reizüberflutung sein, und vor allem der Tatsache geschuldet sein, daß diese Psychopharmaka früher einfach nicht zur Verfügung standen.
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barbara
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#1123 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von barbara » Sa 12. Jul 2014, 10:15

sven23 hat geschrieben: Das gilt für fast alle Übertragungen in eine andere Sprache. Aber am Massenmord der Sintflut z. B. ändert es doch nichts fundamental und auch nicht an den vielen Aufrufen zu Mord und Totschlag.

Liest du die Sintflut historisch? - ich nicht.

und was die Erlebnisse des hebräischen Volks betrifft: da ist meist militärische Notwendigkeit und die Notwendigkeit zu Überleben im Spiel. Das waren halt schwierige Zeiten, damals. Und nichts daran ist fragwürdiger - nicht fragwürdiger zumindest, als wenn der römische Kaiser in seiner Eigenschaft als Halbgott seine Legionen auf Eroberungszüge schickt.

So ein bisschen Einordnen in Kontexte ist ja nicht so schwer, oder?

Könnte aber auch ein Ausdruck von Überforderung durch die Leistungsgesellschaft und Reizüberflutung sein, und vor allem der Tatsache geschuldet sein, daß diese Psychopharmaka früher einfach nicht zur Verfügung standen.

Überforderung bedeutet ja gerade: nicht selbst mit etwas umgehen können. und meinst du, Soldaten in Napoleons Armeen ode auf Nelsons Schiffen hätten weniger Reize zu verarbeiten gehabt, oder einfachere Reize? - kaum.

Psychopharmaka standen schon immer zur Verfügung und wurden benutzt, allen voran Alkohol, aber auch diverse andere pflanzliche Mittel. Was aber die Religion auch lehrte, ist der massvolle Umgang mit diesen Stoffen... was bei heutigen Psychopharmaka auch nicht gegeben ist. Wusstest du, dass Antidepressiva eine erhöhte Selbstmordrate zur Folge haben? - irgendwie scheinen mir diese modernen Psychopharmaka alles andere als ausgereift zu sein.

gruss, barbara

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#1124 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von closs » Sa 12. Jul 2014, 10:54

sven23 hat geschrieben:der closssche Fügungsgott wäre der Troublemaker Nr. 1.
Wieso das? - "Fügung" heisst nicht, dass der Mensch etwas anderes macht als er "will".

sven23 hat geschrieben:Könnte aber auch ein Ausdruck von Überforderung durch die Leistungsgesellschaft und Reizüberflutung sein, und vor allem der Tatsache geschuldet sein, daß diese Psychopharmaka früher einfach nicht zur Verfügung standen.
V.Frankl hat mal gesagt, dass die Probleme von über 95% Patienten in seiner jahrzehntelangen Arbeit als Therapeut etwas mit "Liebe" zu tun hatten.

Der Paradigmenwechsel zu unser "psychiatrischen/psychologischen" besteht meines Erachtens darin, dass Psychologie die Rester aufgesammelt hat, die aufgrund der Zerstörung der Religion durch "aufgeklärtes" Denken rumgelegen sind. - Und jetzt versucht man halt zu basteln, dass irgendwas halbwegs Stabiles dabei rauskommt.

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#1125 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von sven23 » Sa 12. Jul 2014, 11:23

barbara hat geschrieben:
Liest du die Sintflut historisch? - ich nicht.

Ich auf keinen Fall, aber viele tun dies und billigen und rechfertigen einen solchen theoretischen Massenmord. Da tun sich psychologisch gesehen Abgründe auf.




barbara hat geschrieben: Wusstest du, dass Antidepressiva eine erhöhte Selbstmordrate zur Folge haben? - irgendwie scheinen mir diese modernen Psychopharmaka alles andere als ausgereift zu sein.

gruss, barbara

Ich glaube mal gelesen zu haben, daß manche Antidepressiva als Nebenwirkung erhöhte Suizidgefahr haben. Man wills kaum glauben.
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#1126 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von sven23 » Sa 12. Jul 2014, 11:28

closs hat geschrieben:Wieso das? - "Fügung" heisst nicht, dass der Mensch etwas anderes macht als er "will".

Das Fügungsmodell funktioniert nicht, da kann man sich auf den Kopf stellen. Rein logisch geht das gar nicht.



closs hat geschrieben: Der Paradigmenwechsel zu unser "psychiatrischen/psychologischen" besteht meines Erachtens darin, dass Psychologie die Rester aufgesammelt hat, die aufgrund der Zerstörung der Religion durch "aufgeklärtes" Denken rumgelegen sind. - Und jetzt versucht man halt zu basteln, dass irgendwas halbwegs Stabiles dabei rauskommt.

Schaut man sich die Geschichte an, kann man nicht zwangläufig den Schluß ziehen, daß der Anteil psychisch Gestörter früher geringer war. Mangels medizinischer Versorgung wurden diese erst gar nicht erkannt oder anders eingeordnet.
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#1127 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von barbara » Sa 12. Jul 2014, 12:21

sven23 hat geschrieben: Ich auf keinen Fall, aber viele tun dies und billigen und rechfertigen einen solchen theoretischen Massenmord. Da tun sich psychologisch gesehen Abgründe auf.

Dann - ich hoffe du stimmst mir zu - liegt das Problem bei der Person, die diese Art von Deutung wählt, und nicht im Text selbst.

Denn wenn nur schon das Erwähnen von Verbrechen ein Problem sein sollte, müsste jedes Strafgesetzbuch als Anleitung zu Mord und Totschlag gelesen werden.



Ich glaube mal gelesen zu haben, daß manche Antidepressiva als Nebenwirkung erhöhte Suizidgefahr haben. Man wills kaum glauben.

traurig, aber wahr...

wobei die Frage hier eher lauten muss: warum lassen Menschen diese Art von Leid zu?

gruss, barbara

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#1128 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von 2Lena » Sa 12. Jul 2014, 14:21

Lieber Sven, wenn du so weiter schreibst - (wieviel Artikel waren es heute?) dann brauchst du bald "Drogen" zur Stärkung. Prost!
Du hast dir mindestens einen Tee verdient, bei den spannenden Einfällen.

Erst einmal freue ich mich, dass Barbara mit einem Buch fündig geworden ist, das sich zu dem Unterschied in den hebräischen Texten äußert.

barbara hat geschrieben:
Hebräisch ist sehr komplex und vielschichtig - bei einer Übersetzung, egal wie gut sie ist, geht notwendigerweise jede Menge verloren.

Sven23: Das gilt für fast alle Übertragungen in eine andere Sprache. Aber am Massenmord der Sintflut z. B. ändert es doch nichts fundamental und auch nicht an den vielen Aufrufen zu Mord und Totschlag.

Doch, es ändert sich viel. Denn einerseits erzählt die Geschichte historisch und sie weist auf Folgen hin, andererseits erzählt sie die Zukunftsperspektiven. Möglich ist diese Erzählweise durch die Zeitdarstellung der Verben: "we jehi" wird übersetzt als "es war", geschrieben aber ist es "und es wird" oder soll sein. Also nichts mit Überflutung - oder doch? Die Gründe sind zu erfahren.

Von wegen Todesdrohungen. Hast du die Texte wirklich richtig gelesen? Nimm nicht eine glattgebügelte Bibelversion, sondern nimm eine Elberfelder Bibel. Vor etwa hundert Jahren war man sehr bemüht, möglichst in genauer Anlehnung an den Text zu übersetzen. Dort findest du: "soll des Todes sterben". Was denn, wie denn sonst? Die andere "Zeitvariante" heißt, statt umkommen - dich wird es umhauen. Für diese Darstellung braucht es die etwas andere, seltsame Formulierung.

Da wird nicht gesteinigt, sondern Verständnis gebracht. Da wird nicht erwürgt, sondern ein bisschen am Hals gezogen, dass er er länger wird und man auf den Berg, nach oben schaut. Immer werden zwei Seiten dargestellt, gut und schlecht. Aber dazwischen gibt es viele Varianten.

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#1129 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von closs » Sa 12. Jul 2014, 17:30

sven23 hat geschrieben:Rein logisch geht das gar nicht.
Jösses - wie oft muss man noch sagen, dass Deine Logik sich auf EIN System bezieht, das Fügungsmodell aber auf zwei.

sven23 hat geschrieben:Mangels medizinischer Versorgung wurden diese erst gar nicht erkannt oder anders eingeordnet.
Natürlich richtig - man hat Störungen (die man als solche erkannt hat) nicht psychisch (im heutigen Sinne), sondern dämonisch (o.ä.) gedeutet - eine andere Chiffre für dasselbe.

sven23 hat geschrieben:Schaut man sich die Geschichte an, kann man nicht zwangläufig den Schluß ziehen, daß der Anteil psychisch Gestörter früher geringer war.
Behauptet auch keiner - aber die Störungen wurden religiös und nicht psychiatrisch gedeutet. - Das erinnert mich an einen jüdischen Bekannten, der bei seiner Verbeamtung gefragt wurde, ob er evangelisch oder katholisch sei. - Seine Antwort: "Was ist besser?".

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#1130 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von Demian » Sa 12. Jul 2014, 17:38

closs hat geschrieben:Natürlich richtig - man hat Störungen (die man als solche erkannt hat) nicht psychisch (im heutigen Sinne), sondern dämonisch (o.ä.) gedeutet - eine andere Chiffre für dasselbe.

Das Himmlische und das Teuflische sind Archetypen der menschlichen Erfahrungswelt - das sind immer noch passende Begriffe, um die extreme Mannigfaltigkeit der polaren Welt zu beschreiben. Es gibt Seelenbilder (wie das Bild des Engels) die eine heilende und befreiende Energie besitzen. Dazu gehört diese Ausdruckweise. Wenn ich mir die heutige psychotherapeutische Sprache anschaue, dann könnte sie weit aus beseelter sein...

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